Patriarchat abschaffen!
Es sei vorausgeschickt: Wer sich vernünftig nennt, möglicherweise progressiv, so wie es der Mensch von heute sein muss, um auf intellektueller Ebene nicht von vornherein zu kapitulieren, der wird in diesem Film nicht viel Neues lernen. Feminismus ist, so heißt es darin, die größte soziale Bewegung unserer Zeit. Dass ist nicht unbedingt so, weil es en vogue ist, Feminist*in zu sein, sondern da es die Umstände erfordern. Feminismus ist ein nicht zu ignorierendes Themenfeld, es geht uns alle an, auch die Männer, besonders die. Denn sie denken, nicht davon betroffen zu sein, denken, nicht Teil eines Problems zu sein, für dessen Existenz sie nicht nur verantwortlich sind, sondern es durch ihre Nichtteilhabe am Diskurs noch weiter befeuern.
Denn der Feminismus, so viel wird schnell klargestellt, ist kein ausschließlich weißer Diskurs.
Der Dokumentarfilm „Feminism WTF“ von Katharina Mückstein möchte möglicherweise genau diese Männer erreichen. Vieles von dem, was im Film gesagt wird, ist altbekannt, doch darum nicht weniger wichtig. Mückstein versammelt eine Reihe diverser Expert*innen zum Thema. Sie alle sind unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sexueller Identität, und Hautfarbe. Denn der Feminismus, so viel wird schnell klargestellt, ist kein ausschließlich weißer Diskurs. Selbstverständlich leiden auch People of Color unter dem Sexismus der modernen Gesellschaften, noch dazu kämpfen diese Frauen zusätzlich mit Diskriminierung aus rassistischen Motiven.
Mückstein lässt ihre Interview-Partner*innen ausführlich zu Wort kommen. Sie sprechen über den Feminismus heute, seine Ausprägungen, seine Historie. Die Rolle des europäischen Kolonialismus spielt dabei ebenso eine Rolle, wie die leider immer aktuelle Gewalt gegen Frauen und ihre Wahrnehmung. Auch gewohnte Schemata werden hinterfragt. So zeigt ein Experiment mit zwei Kleinkindern, dass wir Erwachsene noch immer Geschlechterstereotypen folgen. Zwei Proband*innen weisen einem Kleinkind in blauem Gewand eher Autos und „technisches“ Spielzeug zu, als dem Kind im rosa Gewand, welches sich mit Puppen beschäftigt. Am Ende kommt raus: Die Farben wurden vertauscht, das Mädchen trug Blau, und umgekehrt.
Katharina Mückstein inszeniert ihren Film in knalligen Farben. Jeder*m Expert*in wurde eine Farbe zugewiesen, und das Szenenbild entsprechend eingerichtet. Das schafft eine artifizielle Ästhetik, die beinahe vergessen lässt, dass die Menschen vor der Kamera über unsere ganz und gar reale Welt sprechen. Und sprechen ist ein gutes Stichwort. Abgesehen von seiner inhaltlichen Ebene und dem angesprochenen visuellen Stil, lässt Mücksteins Film jegliche Regieeinfälle vermissen. Einzige Ausnahme sind gelegentlich eingestreute Tanz-Performances durch ein karges, beinahe leeres Gebäude. Sie trennen die losen Abschnitte des Films voneinander, haben inhaltlich jedoch kaum Bewandtnis. Sie lenken höchstens davon ab, dass der Film eine hundert minütige Aneinanderreihung von sogenannten „Talking Heads“ ist, also Menschen, die in einer Interviewsituation in eine Kamera sprechen. „Feminism WTF“ fühlt sich wie Frontalunterricht an, zwar wie interessanter und wichtiger Frontalunterricht, doch wenig anschaulich. Es mag eine bewusste Entscheidung gewesen sein, auf Archivmaterial oder dergleichen zu verzichten, und bloß das Hier und Jetzt zu Wort kommen zu lassen. Für eine Kinodokumentation fehlt dem Film jedoch der nötige Biss. Um auch auf der großen Leinwand zu brillieren, hätte es mehr erzählerische und inszenatorische Variation benötigt. Die Größe der Leinwand vergrößert in diesem Fall nicht die Wirkung des Films. Ginge es nur darum, ein großes Publikum zu erreichen, vor allem jene, die wenig vom Feminismus halten, so wäre eine Fernsehauswertung vermutlich der sinnvollere Weg gewesen. Ob der Film die Zielgruppe erreicht, die ihn nötig hätte, ist ohnehin fraglich. Allein aufgrund seines Auftretens wirkt und agiert er mehr als Film von der Bubble für die Bubble, was zum Problem wird, wenn es darum gehen soll, Gegner des Feminismus zu erreichen (sofern das überhaupt möglich ist).
Warum Angst vor Gleichberechtigung haben, Angst vor dem Wegfallen der eigenen Privilegien etwa?
Mückstein bringt ihre Abhandlung über den Feminismus zu einem konsequenten Ende. Es bleibt das Gewissen, dass sich etwas ändern muss, und dass gerade weiße Männer nicht die Augen vor der noch immer fehlenden Gleichberechtigung verschließen dürfen. Warum Angst vor Gleichberechtigung haben, Angst vor dem Wegfallen der eigenen Privilegien etwa? Oder, wie es eine Expertin treffend formuliert, warum Angst haben vor einer diversen Welt, einer Zukunft, in zehn, fünfzig, oder hundert Jahren, in der man lacht und den Kopf schüttelt, und sich fragt, wie diese Menschen im Jahr 2023 noch immer an binären Geschlechtertypen, vereinfachten Begriffen wie Mann und Frau festhalten konnten? Vermutlich ist es die Angst, etwas zu verlieren, oder anderen etwas zuzulassen, was einem fremd ist, was man nicht kennt, und daher ablehnt. Wer so denkt, und einer Politik seine Stimme schenkt, die dieses Denken populistisch nutzt, um es zu fördern und für extremistische Zwecke zu instrumentalisieren, der ist nicht vernünftig oder traditionsbewusst, sondern schlicht ein Arschloch.