Society | Tierschutz

Benkos Schatten

Fast der gesamte Vorstand des Südtiroler Tierfreundevereins ist überraschend zurückgetreten. Dahinter verbirgt sich ein absurder politischer Flügelkampf.
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Foto: salto
Es war ein Erdbeben.
Als sich die Mitglieder des Südtiroler Tierfreundevereins am vorvergangenen Mittwoch in Bozen zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung trafen, lag Sprengstoff in der Luft. Denn an diesem Abend trat fast der gesamte Vorstand des Vereins zurück.
Ich muss aus familiären, privaten Gründen leider das Amt aufgeben“, sagt die bisherige Präsidentin des Tierfreundevereins, Anna Pitarelli, zu salto.bz. Mit der Präsidentin haben gleichzeitig auch die Vorstandsmitglieder Deborah Visintainer, Elizabeth Benning Ladurner und Nadia Pircher ihren Rücktritt eingereicht. Valentina Fabbian, ein weiteres Vorstandsmitglied, hat ihr Amt aus privaten Gründen bereits im November 2017 zurückgelegt. Formal blieb damit nur mehr Vizepräsidentin Sonja Meraner im Amt.
Dabei waren diese Vorstandmitglieder erst im März 2017 gewählt worden und sie sollten eigentlich drei Jahre im Amt bleiben. Dass ihre Arbeit nach kaum einem Jahr vorzeitig endet, liegt an einem absurden Flügelkampf mit politischen Hintergründen.
 

Die Präsidentin

 
Am 31. März 2017 kam es auf der Mitgliederversammlung des Südtiroler Tierfreundevereins zu einer Wachablöse und einem Generationswechsel. Nach vier Jahren an der Spitze des Vereins trat Präsident Walter Pichler nicht mehr zur Wahl an. Die anwesenden Vertreter der rund 1.000 Mitglieder des Vereins wählten an diesem Tag einen neuen, jungen Vorstand. Gewählt wurden Kosima Keifl, Valentina Fabbian, Claudia Maria Gasser, Nadia Pircher, Anna Pitarelli, Sonja Meraner, Elizabeth Benning Ladurner und Deborah Visintainer.
Auf Vorschlag von Kosima Keifl wurde auf der ersten Sitzung des neuen Vorstandes am 5. April 2017 Anna Pitarelli zur neuen Präsidentin des Südtiroler Tierfreundevereins gewählt. Unmittelbar nach der Wahl traten sowohl Keifl wie auch Claudia Maria Gasser völlig überraschend aus dem Vorstand zurück.
Anna Pitarelli ging die neue Aufgabe mit viel Elan an. Sie brachte neuen Schwung in den Verein. Doch schon bald kamen im Verein Kritik und Bedenken gegen die Präsidentin auf. Der Grund: Anna Pitarellis politisches Engagement.
Anna Pitarelli war SVP-Gemeinderätin in Bozen und war wegen ihrer Haltung zum Kaufhaus-Projekt von René Benko aus der Volkspartei ausgeschlossen worden. Bei den Gemeinderatswahlen im Mai 2016 verpasste sie dann mit einer eigenen Liste den Einzug in den Gemeinderat.
 
Weil Anna Pitarelli aber auch seit dessen Gründung Vorsitzende des von Heinz Peter Hager initiierten Vereins „Zukunft Bozen – Bolzano Domani“ ist, begann man innerhalb des Vereins gegen Pitarelli zu mobilisieren. Plötzlich ging die Angst um, der Tierschutzverein könnte politisiert werden.
Obwohl es unter Pitarelli keinerlei Bestrebungen oder Anzeichen einer parteipolitischen Vereinnahmung der Tierschützer gab, wurde das anscheinend zum Problem. Je näher die Parlamentswahlen und noch mehr die Landtagswahlen rücken, desto nervöser wurde man im Verein.
So hat etwa ein Vorstandsmitglied immer wieder anonyme Telefonanrufe erhalten, in denen gegen Pitarelli und deren Benko-Nähe auf unterstem Niveau gekeift wurde.
 
 

Die Neuwahl

 
Die Ironie der Geschichte will es, dass Pitarellis Nachfolger jetzt ausgerechnet einer der erklärten und prominentesten Benko-Gegner werden könnte.
Denn unmittelbar nach Annahme des Rücktritts von Anna Pitarelli & Co durch die Mitgliederversammlung wurden am 31. Jänner auch die Neuwahlen des Vorstandes abgehalten. Dabei wurden wiederum Kosima Keifl, sowie Silvia Schroffenegger, Philipp Jurino, Hansjörg Prantner, Elisabeth Schwerer in den Vorstand gewählt. Und der Bozner Anwalt Rudi Benedikter.
Der ehemalige Präsident des Bozner Gemeinderates und amtierende grüne Stadtviertelrat in Gries kämpft seit langen offen gegen das Kaufhausprojekt und den Grieser Wohnungsbau der Benko-Firma Signa. Dass Benedikter ausgerechnet im Wahljahr in den Vorstand des Südtiroler Tierfreundevereins gewählt wird und Anna Pitarelli vorzeitig geht, sehen viele nicht als Zufall.
Die Stimmenjagd hat begonnen.

 

"Anna Pitarelli war SVP-Gemeinderätin in Bozen und war wegen ihrer Haltung zum Kaufhaus-Projekt von René Benko aus der Volkspartei ausgeschlossen worden. Bei den Gemeinderatswahlen im Mai 2016 verpasste sie dann mit einer eigenen Liste den Einzug in den Gemeinderat." Das ist seltsam euphemistisch formuliert. Hält man sich an den salto-Artikeln von damals https://www.salto.bz/de/article/25062015/bozner-knalleffekt https://www.salto.bz/de/article/24062015/spagnolli-cas-impallinato-da-p… https://www.salto.bz/de/article/25062015/pitarelli-fuori-dalla-svp , dann ist Pitarelli nicht wegen ihrer Haltung zu Benko ausgeschlossen worden (die sie ja auch vor 2015 als SVP-Stadtviertelrätin schon intensiv propagierte), sondern wegen ihres Versuches, sowohl die Regierungsbildung als auch ein demokratisches Votum des Gemeinderats zum Benko-Projekt zu verhindern. Den politischen Selbstmord riskiert man wohl nicht aus "parteipolitischer Vereinnahmung" - wo sie doch gerade nicht müde wurde, ihre parteipolitische Unvoreingenommenheit im "Auftrag zur Erneuerung" zu betonen. Leider zerfällt der Artikel mit der naheliegenderen Hypothese, dass ein Tierschutzverein, egal ob Wahlen sind oder nicht, sich durchaus davor sträuben kann, sich als potentieller philantropischer Fassadenputz eines Wirtschaftskonzerns gebrauchen zu lassen.

Thu, 02/08/2018 - 11:40 Permalink

Am heutigen unsinnigen Donnerstag sei mir der ironische Kommentar erlaubt.
Ob Benedikter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will? Ich sehe schon vom Schlachthof gerettet Kühe auf den Grieser Platz grasen! Aber die Vision geht noch weiter: alle müssen mit Ochsenkarren und Esel durch Bozen wandern, das nötige Vieh müsste leicht im Landtag und Rathaus zu finden sein.

Thu, 02/08/2018 - 12:01 Permalink