Gegen das Vergessen
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„Konrad wurde am 8. Jänner 1955 geboren und hätte heute seinen 70. Geburtstag gefeiert“, erzählt Weggefährte Christian Troger gegenüber SALTO und fügt mit Bedauern hinzu: „Den er leider nicht mehr erleben konnte.“
Der 13. Juni 2024 gilt als offizieller Schlusspunkt im Leben des Konrad Walter. Es ist der Tag der Auffindung des Leichnams, am Fuße eines Wasserfalls zwischen Mölten und Terlan. Neun Monate zuvor, am 20. September 2023, war Konrad Walter spurlos vom Hof in Verschneid verschwunden, auf welchem er seine letzten beiden Lebensjahre verbracht hatte. Seine Erinnerungen waren an diesem vorvergangenen Herbst schon dahin gewesen, das von Gesagte und Gemachte bereits vergessen. -
Spuren seines sozialen Lebens sichert eine Publikation, die heute im Ost West Club Meran vorgestellt wird. Sie enthält zahlreiche Erinnerungen und wurde vom Gewerkschafter, Friedensaktivisten und Globalisierungskritiker Christian Troger initiiert, der mit Konrad über drei Jahrzehnte in der Gewerkschaftsbewegung zusammenarbeitete. „Es war immer sehr konstruktiv und positiv“, meint Troger rückblickend, „deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, einen Text mit vielen Handschriften für ein Erinnerungsbuch zu gestalten.“
Das Buch bietet zahlreiche Einblicke in Konrads Arbeit in der Gewerkschaftsbewegung, seine Mitwirkung an der Gründung der globalisierungskritischen Organisation attac zur Besteuerung von Finanzspekulationen, sowie sein zivilgesellschaftliches Engagement in der Friedensbewegung. Dazu zählt etwa seine regelmäßige Teilnahme und die Organisation an den Friedensmärschen von Perugia nach Assisi. Auch an grenzüberschreitenden gewerkschaftlichen Partnerschaften habe Konrad mitgewirkt, erinnert Troger. Es entstanden Zusammenarbeiten mit Gewerkschaften aus Österreich oder der Schweiz für einen interregionalen Gewerkschaftsrat, bei dem Konrad zunächst als Koordinator fungierte. „Er hat mitgebastelt und mitorganisiert, um unseren Horizont zu erweitern.“
die welt vergessen im tönestrom
(Sonja Steger)Später wechselte Konrad Walter in die Landesverwaltung und arbeitete als Partikularsekretär von Landesrätin Luisa Gnecchi. „Seine Sicht auf die Weltentwicklung war immer sehr kritisch“, betont Troger und unterstreicht: „Weil die offizielle Politik auch zu wenig aus der Erfahrung lernt.“ Als Beispiel nennt er die Finanzkrise von 2008, die durch den Zusammenbruch einer US-amerikanischen Bank (Lehman Brothers) ausgelöst wurde, die stark mit Immobilienspekulationen involviert war. „Diese Krise führte zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, die viele soziale Probleme geschaffen hat. Doch die internationale Staatengemeinschaft hat bis heute keine Lösungen gefunden, um die Übermacht der Finanzwirtschaft im Vergleich zur Realwirtschaft einzuschränken“, bedauert Troger. Er plädiere deshalb – wie dies auch Konrad Walter getan hatte – „für Maßnahmen, die öffentliche Mittel schaffen und eine geringere Besteuerung von Löhnen, Renten und der Wirtschaft insgesamt ermöglichen würden.“
Im Jahr 2013 erkrankte Konrad Walter im Alter von 58 Jahren an Demenz. Im Erinnerungsbuch sind auch zwei seiner Texte abgedruckt: „Albaner, Afrikaner und andere“ sowie „Über den Ost-West-Club im Steinachviertel“.
Konrad war Mitglied im Vereinsvorstand, war zeitweise sogar Vizepräsident des Ost West Clubs, und organisierte Diskussionen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen.
Ach, mein verstorb’ner Bruder
nun weiß ich was gescheh’n!
Erst in der ander’n Welt
darf ich dich wiederseh’n!
(Klaus Walter, Musiker)Heute steht seine Persönlichkeit im Zentrum eines besonderen Geburtstagsabends im Ost West Club, bei dem sein Erinnerungsbuch erstmals vorgestellt wird. Es enthält Beiträge von zahlreichen Weggefährten, darunter Josef Perkmann, Luisa Gnecchi, Walter Pichler, Werner Pramstrahler, Salvatore Cavallo, Alberto Stenico, Karl Gudauner, Erika Pircher, Prisca Prugger, Eugene Richard Sensenig, Maria Zeilinger, Isolde Tappeiner Reider, Sigrid Prader, Heidi Pichler, Elisabeth Hofer, Annalisa Pertrammer, Grazia Barbiero De Chirico, Licia Brion Stramandinoli, Anntraud Torggler, Elisabeth Walter, Eva Mutz, Franz Hillebrand, Hanspeter Schönthaler, Florian Kronbichler, Lindi Brauer, Hermine Mutschlechner, Anna Reiterer, Haimo Perkmann, Klaus Walter und Sonja Steger.
Ein weiterer Abend in Bozen ist geplant, um Konrads soziales Engagement und sein Leben in Erinnerung zu behalten. Der genaue Termin steht noch nicht fest.Die vom "ost west club est ovest" getragene Publikation umfasst Texte und Fotografien von Weggefährt*innen aus dem verwandtschaftlichen, freundschaftlichen und beruflichen Umfeld. Heute wird sie zwischen 18 und 21 Uhr im ost west club est ovest vorgestellt.
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