Die „goldenen“ Rinder
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Für die Liebhaber dieser Tiere sind die Pustertaler Sprinzen die schönsten Rinder der Welt. Es war die Leidenschaft, die vor allem Halter und Züchter im Pustertal und in den ladinischen Tälern antrieb, diese autochthone Rasse, deren Ursprünge in das 18. Jahrhundert zurückreicht, in unsere Zeit herüberzuretten. Vor 30 Jahren beinahe ausgestorben, ist der Bestand in Südtirol heute wieder auf knapp 1.000 Tiere angewachsen. Demnach hätten die Sprinzenzüchter beim kürzlich stattgefundenen internationalen Züchtertreffen in Gais allen Grund zur Freude gehabt.
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Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde allerdings nicht nur über die Erfolge der vergangenen 20 Jahre berichtet, sondern auch auch offen ein Problem angesprochen, das die Halter und Züchter bereits seit geraumer Zeit beschäftigt. Es geht dabei sowohl um den Anspruch auf Fördergelder als auch um den Fortbestand dieser seltenen Haustierrasse. Denn laut geltendem EU-Recht kann die Zucht gefährdeter einheimischer Nutztierrassen finanziell gefördert werden. Je nach Land und Region können die Beiträge erheblich abweichen. Doch das könnte sich möglicherweise in absehbarer Zeit ändern. Das „Problem“ nennt sich „Barà“. Es handelt sich dabei um eine Rinder-Population, die vor allem im Piemont gehalten wird und die bis vor Kurzem als von den Pustertaler Rindern abstammende Rasse galt. „Sind die Barà nun Sprinzen oder nicht?“, lautete denn auch die Frage einer Züchterin. „Auf dem Papier ja, den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge nein“, so die Antwort von Barbara Tötsch, Obfrau der Pustertaler Sprinzenzüchter und Vorsitzende der Züchtervereinigung. Noch deutlichere Worte fand Klaus Schedel von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen, die sich in Deutschland seit rund 40 Jahren um den Fortbestand dieser Rinder in bemüht. Stutzig geworden sei man, da die Piemonteser Variante der Sprinzen erstmals 2001 in einer Studie erwähnt wurde – jeder Versuch, etwas über die Vorgeschichte zu erfahren, sei ins Leere gelaufen – eine seltsame Tatsache für eine autochthone Nutzierrasse, so der Züchter aus Deutschland. Es gebe weder ältere Bilder noch schriftliche Nachweise – bohre man tiefer nach, so schließe sich eine Mauer des Schweigens. „Wenn ich sehe, welche Fördergelder kassiert werden, dann würde ich auch schweigen und kassieren“, machte Schedel seinem Ärger deutlich Luft. Anhand der Expertenaussagen und den neuesten Studien sei nämlich davon auszugehen, dass die Barà neueren Ursprungs sind und in keinem Zusammenhang mit den Pustertaler Sprinzen stehen. Werden also zu Unrecht Fördergelder ausbezahlt? Für eine neu gezüchtete Rinderrasse? Und welche Folgen ergeben sich daraus für die „echten“ Sprinzen?
Sehr viel Geld„Zwei wissenschaftliche Studien aus den Jahren 2018 und 2019 belegen eindeutig, dass Barà und die Sprinzen nicht miteinander verwandt sind“, erklärt Matthias Wenter, Zuchtleiter des Rinderzuchtverbandes Südtirol, auf Anfrage von Salto. Aktuellere Studien von Professor Roberto Mantovani von der Universität Padua, die erst kürzlich präsentiert, aber noch nicht veröffentlicht wurden, untermauern die vorhergehenden Studien. Die aus dem Pustertal stammende autochthone Rasse ist demnach näher mit dem Pinzgauer Rind verwandt als mit der im Piemont gehaltenen Population der „Barà“, die den Sprinzen jedoch teilweise zum Verwechseln ähnlich sehen. Bis dato werden beide Rinderrassen in einem gemeinsamen Herdebuch geführt, das von der Nationalen Vereinigung der Züchter der Grauviehrasse verwaltet wird. Die Ursache dafür liegt in den Anfängen der 1980er Jahren begründet, als die europäische Tierzuchtwissenschaft der Artenvielfalt unter den Rinderrassen wieder mehr Aufmerksamkeit schenkte. Hugo Valentin, der sich seinerzeit sehr um die Erhaltung der Rinderrasse verdient gemacht hat, berichtet in seinem Buch „Pustertaler“, dass sich 2001 Piemontesische Züchter beim Südtiroler Fleckviehzuchtverband mit einer Anfrage über die Verfügbarkeit von Pustertaler Sperma gemeldet hätten. Ihren Angaben zufolge gab es in den Alpentälern des westlichen Piemont größere Rinderherden mit „Pustertaler Exterieur“. Durch Lokalaugenscheine schien diese Tatsache bestätigt und auch eine genetische Analyse des Genetik-Labors in Cremona habe aufzeigen können, dass die Barà Nachkommen der Pustertaler Rinder sind. Wie die Sprinzen dorthin gekommen waren, darum ranken sich einige Legenden, so lautet eine, dass im Zuge der Napoleonischen Kriege im Pustertal Rinder beschlagnahmt und nach Piemont verfrachtet worden sind. Diese angebliche Verwandtschaft hat dann auch dazu geführt, dass beide Populationen – Sprinzen und Barà – in einem gemeinsamen Herdebuch geführt werden. Während Sperma der Südtiroler Sprinzen nach Piemont geliefert wurde, kam es umgekehrt – zumindest bis dato – zu keinem genetischen Austausch, und geht es nach dem Rinderzuchtverband soll dies auch so bleiben.
„Das eigentliche Problem besteht nicht darin, dass in absehbarer Zeit möglicherweise die Förderungen eingestellt werden könnten, sondern es geht um den Erhalt der ursprünglichen Rasse“, bringt Wenter das Problem auf den Punkt. Dass die finanziellen Anreize nicht unerheblich sind, wie Klaus Schedel in seiner Wortmeldung betonte, zeigen allerdings die Beiträge, die für die Zucht und den Erhalt dieser Tiere fließen. Seltene Haustierrassen, deren Bestand eine Obergrenze von 7.500 Tieren nicht überschreitet, werden nämlich laut EU-Gesetz mit finanziellen Beiträgen gefördert. In Südtirol sind dies beispielsweise 200 Euro pro GVE bzw. erwachsenem Tier. In Österreich fließen 330 Euro für eine Fleischleistungs-Kuh, 410 Euro für eine Milchleistungs-Kuh und für Zuchtstiere 640 Euro pro Jahr. In Piemont erhalten die Besitzer und Züchter rund 400 Euro pro erwachsenem Exemplar. Wie Christina Müller, Direktorin der Nationalen Vereinigung der Züchter der Grauviehrasse, im Rahmen ihres Vortrages erklärte, gebe es mittlerweile 7.478 Barà (Stand 31.12. 2022) im Piemont. „Wir Sprinzenzüchter liegen mit unseren 960 Tieren deutlich unter dieser Zahl“, so Wenter. Die rechtliche Basis des Zuchtprogrammes für die Sprinzen/Barà ist das staatliche Dekret Nr. 38677 vom 04.12.2019. Das Genetische Programm und die Führung des entsprechenden Herdebuches wurde an die Nationale Vereinigung der Züchter der Grauviehrasse mit Wirksamkeit übertragen. In der Herdebuchordnung wird unter anderem beschrieben, wie ein echtes Exemplar einer Pustertaler Sprinze auszusehen hat. Auch die Züchter aus Piemont wären verpflichtet, sich an diese Vorgaben halten. „Tatsache ist jedoch, dass auch Tiere im Herdebuch aufgeführt sind, die nachweislich nicht die vorgegebenen Merkmale aufweisen“, so Wenter.
Das eigentliche Problem besteht nicht darin, dass in absehbarer Zeit möglicherweise die Förderungen eingestellt werden könnten, sondern es geht um den Erhalt der ursprünglichen Rasse.
Geht es bei den Barà also vor allem ums Geld? Der Verdacht liegt nahe, denn zuzüglich zu den Alpungsprämien machen die Beiträge für den Erhalt und die Zucht bedrohter Haustierrassen in Summe erhebliche Beträge aus, erst recht wenn es sich um Betriebe mit teils bis zu 100 Großvieheinheiten handelt. „Es ist hier sehr viel Geld im Spiel“, bestätigt auch Wenter. Doch sollte auf EU-Ebene festgestellt werden, dass die Sprinzen/Barà einen gesunden Erhaltungszustand erreicht haben, könnten die Förderbeiträge gestrichen werden. Für die Südtiroler Sprinzen-Züchter hieße das dann: mitgefangen – mitgehangen.
„Unser Ziel besteht auf Basis der neuesten Studien in einer Trennung der gemeinsamen Herdebuchführung“, erklärt Wenter. Die Population der Barà könne dabei durchaus weiterhin gefördert werden, nur eben nicht gemeinsam mit den Sprinzen. Der Züchterausschuss der Pustertaler Sprinzen hat vor Kurzem bereits eine dahingehende Entscheidung getroffen, welche auch vom Rinderzuchtverband unterstützt wird. Darüber hinaus wird in einem Gutachten, das beim neu gegründeten Referenzzentrum der EU für gefährdete Nutztierrassen eingeholt wurde, die getrennte Zucht empfohlen. Nun ist der Nationale Verband der Züchter der Grauviehrasse am Zug, der diesen Schritt in die Wege leiten muss.
Rettung in letzter MinuteDie ersten Beschreibungen des Pustertaler Rindes bzw. der Sprinzen – der Name lässt sich auf die gesprenkelten Fellzeichnung zurückführen – reichen in das 18. Jahrhundert zurück. In einer Chronik von Bruneck und seiner Umgebung fertigte Johann Nepomuk Tinkhauser unter anderem Farbzeichnungen der Landschaft, auf denen auch rot-weiß gefleckte Rinder abgebildet waren, an. Das Verbreitungsgebiet lag im Gebiet von Antholz – Rasen – Olang, Tauferer Tal, Ahornach und Mühlwald, Brunecker Raum, unteres Pustertal, Gadertal, mittleres Eisacktal bis Gröden, Kastelruth und Seis. Als typische Zweinutzungsrasse erging es ihr wie den Tuxern und Pinzgauern, die von reinem Fleisch- oder Milchvieh zunehmend verdrängt wurden. Große Verdienste um den Erhalt dieser Rasse hat sich der Agrarwissenschaftler und ehemalige Landesrat Hugo Valentin erworben. Im Auftrag des Fleckviehzuchtverbandes hat er Mitte der 1990er Jahre gemeinsam mit Eduard Kosta erstmals den Bestand erhoben. Von damals 84 gezählten Tieren hat sich dieser mittlerweile auf 960 vergrößert, die vor allem in Mutterkuhhaltung gehalten werden. Dazu kommen rund 3.000 Sprinzen in Österreich, 96 in der Schweiz und mehrere Hundert – genaue Zahlen liegen dazu nicht vor – in Deutschland. Zumindest auf dem Papier werden zum Sprinzenbestand auch „noch“ jene 7.478 Barà gezählt, die im Piemont gehalten werden.
Offensichtlich sind nicht…
Offensichtlich sind nicht nur die Sprinzen, sondern auch die Kommentare zu diesem Beitrag vom Aussterben bedroht.
In reply to Offensichtlich sind nicht… by Hartmuth Staffler
Ich probiere es daher noch…
Ich probiere es daher noch einmal: Die Faschisten haben die Zucht der Pustertaler Sprinzen verboten, wohl weil es die beliebteste Fleischrasse am österreichischen Kaiserhof war. Wenn es um das Geld (öffentliche Beiträge) geht, können aber auch Italiener über ihren Rinder-Rassismus hinwegsehen.