Society | Gastkommentar
Die Schule im Feudalismus-Modus
Foto: upi
Nach zwei Absagen um eine Terminanfrage empfing Landesrat Philipp Achammer am Freitag eine Vertretung der Initiative „Lehrerwunderland Südtirol“ zu einer Videokonferenz. Landesschulinspektorin Sigrun Falkensteiner glänzte durch Abwesenheit, und Bildungsdirektor Gustav Tschenett gab den Amtsvogt auf Schloss Amba Alagi.
Wir kennen die Verwaltungsordnung der mittelalterlichen Lehensgüter. Da sitzt ein Vicedominus auf seiner Burg und pflegt im Auftrag des Lehensherrn seine Vogtei mit den Rechten auf Dienstgeld, Muntgewalt und Gerichtsherrschaft. Er prüft die Hörigen auf ihre Pflichtschuld und entledigt sich deren lästiger Beschwerden. Er beruft sich auf seine Amtshoheit und ergötzt sich an der edlen Kunst der Falknerei. Sollten sich bei der Schilderung der folgenden Ereignisse Ähnlichkeiten zur mittelalterlichen Feudalherrschaft ergeben, so sind diese weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.
Sollten sich bei der Schilderung der folgenden Ereignisse Ähnlichkeiten zur mittelalterlichen Feudalherrschaft ergeben, so sind diese weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.
Die Delegation mit Thomas Brachetti, Monika Niederwieser und Markus Klammer stellte an Achammer die Frage, warum in der Bildungspolitik seit dem „Bildungsleitbild Südtirol“ von Otto Saurer im Jahr 2007 völliger Stillstand herrsche, nämlich beim Abbau von Ungleichheiten in der Schule, bei der Bildung, die keinen Vorrang habe, beim Dialog zwischen den Sprachgruppen, der nicht existiert, bei der digitalen Ausstattung und den Bildungsverlusten, bei der Innovation und Förderung des Sprachenlernens, beim Arbeitsplatz der Lehrkräfte in der Schule. Darauf und auf die Frage, warum die Anhörung so lange auf sich warten ließ und bis heute keinerlei Reaktion auf die Petition der über 3000 Lehrer seitens der Bildungsdirektion und der ladinischen und italienischen Landesräte für Schule und Bildung zu erhalten war, folgte so was wie Schulterzucken.
Die Vorgeschichte dazu schreibt sich als dokumentierte Chronik: Die Verantwortlichen wollen sich nicht anhören müssen, was an den Schulen wirklich los ist, sie leugnen den Stillstand in der Bildungspolitik. Kein Wort war zu vernehmen zur Schule, die eingesperrt ist in drei ethnische Käfige, die untereinander nicht kommunizieren, zum Mangel an ausgebildeten Lehrkräften, der mit einer schleichenden Geringschätzung von Bildung und Schule einhergeht. Und kein Wort zum Kernthema der Petition: die Disparität in Bildung und Schule.
Zuerst wurde am 8. Juni den Initiatoren der Petition vom Bildungsdirektor der Zugang zu den Mail-Adressen der Lehrkräfte mit dem Hinweis verwehrt, dass sie sich doch an die „Standesvertretungen“ wenden sollten. Ein unfreiwilliger Beleg für das bildungspolitische Feudalwesen mit Ständeschranke und Hindernislauf. Und von Achammer kam am 5. Oktober die „organisatorische Erklärung“, dass nach der Überreichung der Petition an den Landeshauptmann „im Sinne der Effizienz und einheitlichen Kommunikation keine anderweitige Stellungnahme anderer zu erwarten“ sei. Womit er sich selbst bezeichnet. Was unter „Standesvertretung“ gemeint war, hat sich am 27. November gezeigt, als im Zeichen der „Sozialpartnerschaft“ die mit zweijähriger Verspätung in Gang gekommenen und von sturen Bürokraten geführten Vertragsverhandlungen mit dem Abkommen zum IT-Bonus geplatzt ist. Die Erklärung des Landeshauptmanns bei der Überreichung der Petition am 16. Oktober: „Wir werden keine Brücken in den Himmel bauen aber die Verhandlungen ernsthaft führen.“ Schade, dass die Plätze dort bereits vergeben sind.
Die Schulführungskräfte und die Lehrer wurden nicht gefragt. Wozu auch, sie sind eben Geräte wie ein Radio, die man zuerst aus- und bei Bedarf wieder einschalten kann.
Was für ein Widerspruch! Die Lehrkräfte sind Lasis-vernetzt, sie arbeiten digital und im Team, aber zu einer die gesamte Schule betreffenden Petition dürfen sie sich nicht vernetzen. Dafür erklärt der Landesrat für Schule und Bildung fortwährend wo es lang geht, so am 29. Oktober, nämlich dass die Masken im Unterricht nicht zumutbar sind, um am 2. November zu verkünden, dass bei Maskenpflicht möglicherweise der Präsenzunterricht gestattet werden könnte. Und am vergangenen Samstag die Ankündigung, dass, falls Rom es genehmige, am Montag wieder Präsenzunterricht stattfinde. Die Schulführungskräfte und die Lehrer wurden nicht gefragt. Wozu auch, sie sind eben Geräte wie ein Radio, die man zuerst aus- und bei Bedarf wieder einschalten kann.
Was Falkensteiner von der Lehrerschaft hält, entlockte ihr der Fernsehjournalist Zeno Breitenberg mit der obszönen Frage: „Wer hat mehr genervt im Frühjahr, die Eltern oder die Lehrer?“ Und die Antwort war prompt ein beredtes Schmunzeln, denn in ihrem Bild von der Schule werden die Auswirkungen von Desorganisation und Schönfärberei ausgeblendet. Die Bildungsdirektion steht nicht hinter den Lehrkräften, sie erklärt: „Die Reduktion auf das Wesentliche hat nicht geschadet“. Was für eine Vereinfachung der Situation, in der Lernen und Lehren zunehmend auf Verzichtsdidaktik umgestellt werden müssen.
Und dann zeigt sich etwas, das Falkensteiner mit Tschenett verbindet. Es ist die ihrem Dominus geschuldete Loyalität. In einer Radio-Anrufsendung äußerte sich die Landesschuldirektorin: „Es wäre verfrüht darüber zu diskutieren, bekommen die Lehrpersonen in Zukunft irgendetwas (sic!), gibt es digitale Ausstattung in dieser Richtung. Bei allem Respekt, es gibt im Moment, wo wir im Augenblick darüber sprechen, ob Personen noch eine Existenz haben oder nicht, diese Dinge, die haben Vorrang.“ Es ist das wie die Aussage einer Kronzeugin für das, was Achammer empört von sich weist, nämlich wortbrüchig zu sein. Bereits dreimal hat er den Lehrkräften einen Beitrag zur digitalen Ausstattung zugesagt und dreimal hat er nichts gehalten.
Aber der gescheiterte IT-Bonus ist, wie sich jetzt herausstellt, ein ganz singuläres Eigentor. Er hat die Lehrer aufgeschreckt, vom hohen Vinschgau über Bozen bis nach Sterzing und Innichen. Was die Empörung zum Kochen bringt, sind die Nachrichten, die über den Landeshaushalt durchgesickert sind, der gerade im Landtag verhandelt wird. Für die Landesangestellten wurde ein bereichsübergreifender Kollektivvertrag (BÜKV) abgeschlossen, mit einem Inflationsausgleich von 1,1 Prozent. Das sollte der Maßstab auch für die seit 10 Jahren eingefrorenen Lehrergehälter sein. Das würde für das Jahr 2021 aber 30 Millionen kosten, im Budgetentwurf sind aber nur 15 eingeplant. Das betrifft 10.000 Lehrkräfte. Gleichzeitig sind aber für 1000 Führungskräfte 9 Millionen vorgesehen, und das, nachdem dieselbe Gruppe eine Erhöhung der Nettogehälter von 25 Prozent samt Nachzahlung bereits seit 2017 erhalten hat.
Das Schiff ist leck, während die Führungsmannschaft streitet.
Von der Delegation forderte Achammer „eine andere Einstellung zu wählen“ und den „Dialog zu suchen“, nachdem er selbst drei Monate dafür gebraucht hat. Bei der Liste der Millionenbeträge, die aus dem Nachtragshaushalt an die IDM, in den beheizten Rasen im Stadion des FC Südtirol und die Kompensation der Kurtaxen geflossen sind, denkt man an den Verlust einer jeden Balance. Das Kernthema der „Petition Lehrerwunderland“ lautet „Behebung einer Disparität“, und die Gleichstellung der staatlichen Lehrberufe mit anderen Diensten, etwa den Berufsschulen, ist das Leitmotiv. Es gibt berechtigten Zweifel, ob sich das ausgeht. Denn das Schiff ist leck, während die Führungsmannschaft streitet und der Landesrat sein Wort nicht hält.
"... Gleichzeitig sind aber
"... Gleichzeitig sind aber für 1000 Führungskräfte 9 Millionen vorgesehen, und das, nachdem dieselbe Gruppe eine Erhöhung der Nettogehälter von 25 Prozent samt Nachzahlung bereits seit 2017 erhalten hat..."
Ich kann das nicht mehr hören!
ICH KANN DAS NICHT MEHR HÖREN!!!
Bildung und Sanität sind die zwei wichtigen Säulen unserer Gesellschaft! Bildung und Sanität gehen trotz alle Probleme so gut wie möglich Tag für Tag weiter, aber nicht wegen den Goldbezahlten Führungskräften. Nein! Bildung und Sanität gehen weiter Dank einer Basis die Tag für Tag trotz allem ihr Bestes gibt!! Diese Basis ist endlich zu würdigen.
Das, was uns Lehrer auf die
Das, was uns Lehrer auf die Dauer zermürbt, ist die uns entgegengebrachte Haltung. Ein guter Chef schaut auf seine Leute, damit sie mit Engagement und Einsatz bei der Sache sind ("Humankapital"). Weder der Schulamtsleiterin noch dem Bildungslandesrat gelingt es, dieser Führungsrolle gerecht zu werden.
Den Gehälter-Vergleich in der FF von der letzten Woche konnte ich auch nicht bis zum Ende fertig lesen. Ab einer gewissen Grenze (weit über 100.000€ und mehr per anno) fehlt mir da die Verhältnismäßigkeit.
Zunächst einmal großen
Zunächst einmal großen Respekt vor dem gesamten Text und ganz, ganz vielen hervorragenden Formulierungen, die manchmal zum Schmunzeln und leider viel öfter zur Verärgerung anregen, Markus Klammer.
Ich persönlich habe für den "Bildungs"-Provinzrat Philipp Achammer nur noch Verachtung übrig und wundere mich, dass Sie es erwartet haben, von ihm eine vernünftige Zusage zu erhalten. Achammer hat als Studienabbrecher so viel Ahnung von Bildung, wie ich von Astrophysik. Er ist ein Ebner-Günstling, der von der Athesia in Stellung gebracht, um Kompatscher abschießen.
Dass Sie glauben, von ihm vernünftige Zukunftsperspektiven für das Lehrpersonal zu erhalten ist zwar lobenswert naiv, da hätten Sie aber genauso Ihren Kühlschrank, Duschkopf oder Herd fragen können. Das Ergebnis wäre dasselbe gewesen.
In reply to Zunächst einmal großen by Harry Dierstein
Harry Dierstein hat mir die
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In reply to Harry Dierstein hat mir die by Sebastian Felderer
Auf Zurufe dieser Art können
Auf Zurufe dieser Art können wir gerne verzichten und distanzieren uns scharf vom Jargon "Gesindel aus Afrika".
Nein bitte nicht, wieder
Nein bitte nicht, wieder einen mehr zu erhalten :-)
Leider haben Lehrer viel zu
Leider haben Lehrer viel zu lange ihre Belange und die Belange der Bildung nicht wahrgenommen. Brav, folgsam und hörig arbeiteten sie fleißig, machten Gratisdienste und schauten einfach zu, wie erworbene Rechte einfach gestrichen wurden. Dass dies der Bildung schadet und zu nichts anderem führt als zu Geringschätzung und Respektlosigkeit von allen Seiten war ja klar.
Ich kann diesem Bericht nur
Ich kann diesem Bericht nur zustimmen. Die gesamte Bildungsdirektion mit S. Falkensteiner und G. Tschenett an der Spitze hat sich nicht einmal ansatzweise die Mühe gemacht, das Lehrpersonal gegen Angriffe oder Anfeindungen zu verteidigen. Hochmut kommt vor dem Fall.