Culture | Salto Afternoon

Alles Banane?

Seit 10 Jahren bespielt das eigenwillige Projekt "Hotel Amazonas" die zeitgenössische Kulturlandschaft Südtirols. Ein Rückblick mit Hinweis auf die Jubiläumsfeier.
banane.jpg
Foto: Foto: Hotel Amazonas

Die Performance-Künstlerin Margareth Kaserer ist am Aspmayrhof – in Unterwangen am Ritten – aufgewachsen. Vor über zwei Jahrzehnten hat sie aus Studiengründen den Herkunftsort verlassen und kehrte mit dem international angelegten Kunstprojekt Hotel Amazonas im Jahr 2012 wieder zurück, um gemeinsam mit Esther Severi eine Künstler*innen-Residency zu gründen, die zum ersten Mal auf den abgelegenen Bergbauernhof einlud. Mit dabei war damals beispielsweise die Künstlerin Helena Dietrich, die mit einem Video – aufgenommen in einem Bozner Nobelhotel – den markanten Gegensatz von großstädtischem Luxus und dem Luxus der urigen Stube des früheren Buschenschanks Aspmayr und heutigen Hotel Amazonas offenbarte. Oder Piotr Piskozub, der für seine (Sisyphos-)Arbeit die Holzscheite am Hof dokumentierte und nummerierte. Während die Kunsttheoretikerin und salto arts-Macherin der ersten Stunde Marion Oberhofer in einer kleinen Holzhütte am Hof eine Videoarbeit über den umstrittenen Südtiroler Filmemacher Ernesto Remani zeigte, skizzierte der Zeichner Steven Van den Borne auf der Veranda in sein Tage-und Skizzenbuch, die Künstlerin Sarah Majerus zeigte architektonische Fluchten und im Stadel des "Hotels" – der Dependance sozusagen – war zum Probenraum für die Musiker der Band Children of The White Leaf geworden, welche Töne und Geräusche aus der Natur zu einem zeitgemäßen Musikgemisch zusammenbrauten. Außerdem zeigte die Gastgeberin Videoarbeiten, eine Installation und eine Fotoarbeit, in der sie den Ausblick von ihrem Zuhause aus fühlbar machte. Dass sie zehn Jahre später einmal auf Ausgabe 1 zurückblicken würde? Wer hätte das gedacht?

Im Künstler*innen-Hotel arbeitet seit jeher jeder und jede für sich und jeder und jede für das Kunsthotel.

Nachdem die Künstler*innen-Sommerfrische im Gründungsjahr so gut funktionierte, kam es – auch wenn nicht sofort – immer wieder zu Neuauflagen mit interessanten Schwerpunkten: Open Fields (2015), Harvesting the Supernatural, Focus on the Keyboard (2016), Wasteland, Exertion (2017), Inner Mountains (2018), Fool Moon und Fermenting Societies (2019) lauteten einige der Mottos der Kunstfestivals.
Seit 2015 war außerdem der Performance-Künstler Simon Steinhauser (God's Entertainment) zum Projekt Amazonas hinzugekommen, der seitdem mit Kaserer für frischen Wind (und Gegenwind) im lokalen und internationalen Kulturbereich sorgt – in Südtirols merkwürdigstem Hotelbetrieb.


Im "Amazonas" residierten im Lauf der Jahre zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus den verschiedensten Ecken Europas und entdeckten für Zukunft und Gegenwart, alte (Lebens-)Räume auf neue Art. 100 Künstler*innen folgten der Einladung des Hotels, kamen entweder zu Besuch, waren auf Durchreise, blieben zum Törggelen oder Feiern.

Wir tanzen mit dem Tier Wolf, sein graues Fell glänzt im Nachtlicht.
[Aus dem Gästebuch, 2022]

Bekanntester Hotel-Amazonas-Gast war wohl der österreichische Liedermacher Voodoo Jürgens, der vor drei Jahren in Unterwangen große Teile seines Albums ’S klane Glücksspiel erarbeitete. „Bandkollege David Schweighart erzählte mir, dass er schon einige Male hier am Aspmayr Hof war und ich fand es vernünftig irgendwo hinzugehen, wo wir in Ruhe an der Musik arbeiten können“, verriet Jürgens 2019 im Gespräch mit Salto.  


Und das Jubiläum? Ende August (26.8.2022) soll die Amazonas-Stube (laut Aussendung) in eine Höhle verwandelt werden, „in der es dampft und wabert“, in der eine „feucht-warme Atmosphäre wie im Amazonas“ den alten Raum in einen Sehnsuchtsort verwandelt. Dazu gibt es einen passenden Soundtrack, der „zwischen Dystopie und Utopie“ taumelt, der „Sinnlichkeit am Rande des Erträglichen“ offenbart und „dunkle Vorahnungen und kosmische Verbindungen“ serviert.