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Drei Filme zum aktuellen Protest

Während in Südtirol gegen die mögliche Koalition der SVP mit den Fratelli d’Italia demonstriert wird, werfen wir einen Blick auf drei Filme zum Thema Protest.
Titelbild "Die Chinesin" von Godard
Foto: Godard
  • Die Träumer von Bernardo Bertolucci

    Der italienische Regisseur Bertolucci ist selbst ein Kind der 68er Generation. Er war zur Zeit der Studierendenproteste im Mai 1968 zwar nicht in Paris zugegen, setzt dieser Episode des Protests aber mit seinem 2003 erschienenen Film Die Träumer ein Denkmal. Darin reist der amerikanische Student Matthew für einen Austausch nach Paris. Vor der legendären Cinémathèque française lernt er die Geschwister Isabelle und Theo kennen. Als deren Eltern in den Urlaub fahren, laden sie Matthew ein, zu dritt in der leeren Wohnung zu hausen. Dort lernt sich das Trio besser kennen. Als die Cinémathèque im Zuge der rauer werdenden Proteste schließen muss, ziehen sich die drei jungen Menschen endgültig von der Außenwelt zurück und verstecken sich in der Wohnung. Ihre Flucht wird der Diskurs über das Kino und über Politik, wobei die beiden Dinge zusammenhängen. Filme zu schauen wäre bereits ein revolutionärer Akt, heißt es. Schon hier wird klar, dass sich die drei in eine Traumwelt flüchten, der Titel des Films ist passend gewählt. Auch körperlich kommt man sich näher, ja, auch die beiden Geschwister, die Matthew irgendwann das Geheimnis ihrer Liebe gestehen. Die reale Politik draußen zieht lange Zeit an ihnen vorbei. Erst als ein Stein das Fenster der Wohnung durchschlägt, Lärm und Rauch von den vorbeiziehenden Protesten ins Innere dringen, scheint es ein Erwachen zu geben. Die Flucht vor der Realität mag zeitweise funktionieren, doch der Kokon, in den sich Matthew, Theo und Isabelle verkriechen, ist höchst zerbrechlich. Auch wir können uns vor den Protesten, vor dem Willen zur Veränderung in den Wohnungen, Wäldern und letztlich in uns selbst verstecken. Aus Angst vor dem Konflikt, der, das zeigt der Film gut, bei der Konfrontation mit ihm gute Freunde, ja sogar Geliebte entzweien kann. 

  • Anstatt auf die Straße zu gehen, imitiert man das Kino. Foto: Bertolucci
  • Die Chinesin von Jean-Luc Godard

    Dieser Film stammt aus dem Jahr 1967 und nimmt den Höhepunkt der Proteste in Frankreich bereits vorweg. Inspiriert von der Kulturrevolution unter Mao halten sich fünf junge Menschen in einer Wohnung auf. Sie bilden eine Kommune und hoffen, ihrer grundlegenden Unzufriedenheit mit Maos Thesen beizukommen. Dabei werden pausenlos Texte zitiert, Gedanken geäußert, Theorien aufgestellt. Es wird diskutiert, über die Probleme, die die Gesellschaft im Griff halten, über den Sozialismus, über mögliche Lösungen, von denen Gewalt eine scheinbar nötige ist. Wer aber soll die Gewalt ausführen? Die Fünf in der Wohnung bestimmt nicht. Zu sehr sind sie davon besessen, den Protest zunächst auf theoretischer Ebene zu organisieren. Ihr Blick auf die Welt ist dabei höchst plakativ, schablonenartig und ihre Ideen nicht auf die Realität anwendbar. Die Theorie droht, nur Theorie zu bleiben, und der Protest zu versanden, noch ehe er die Köpfe der Protestierenden verlässt. Während sich einer der Fünf angesichts drohenden Scheiterns das Leben nimmt, sorgt eine tragische Verwechslung am Ende für den Tod eines Unschuldigen. Die Chinesin warnt davor, den Protest auf rein theoretischer Ebene auszutragen. Ähnlich wie in Die Träumer haben wir es hier mit Figuren zu tun, denen der Mut fehlt, den eigentlichen, wichtigen Schritt raus aus der Tür, hinaus auf die Straße zu wagen. Ohne den der Protest unsichtbar bleibt. 

  • Jean-Pierre Léaud sucht die Lösung in Büchern. Foto: Godard
  • 120 BPM von Robin Campillo

    Ganz anders verhält es sich in diesem französischen Film aus dem Jahr 2017. Darin geht es um die wahren Proteste der Aktivist*innengruppe Act Up, die die ursprünglich amerikanische Bewegung nach Frankreich bringen, im Kampf gegen AIDS. Ziel sollte es sein, öffentlichkeitswirksam auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Vor allem von Seiten der Politik wurde den Aktivist*innen zufolge zu wenig unternommen. Der Film stellt eine Reihe an Protestierenden in den Vordergrund, zeigt deren Aktionen auf beinahe dokumentarische Art und Weise, und macht so den eigentlichen Akt des gelebten Protests sichtbar. Dass es, ähnlich wie bei den Aktivitäten aktueller Bewegungen wie der Letzten Generation zu Kollateralschäden an Objekten kommt, gehört zum Ausdruck des Protests. Und auch das allzu Menschliche, die Liebe spielt in der Geschichte eine Rolle. Wie auch nicht, ging es bei den Protesten von Act Up schließlich um das Leben gegenwärtiger, zukünftiger, und auch vergangener Menschen. Und ist es nicht das, was die allermeisten Proteste erst antreibt? Ist es nicht die Angst um das Leben unserer Liebsten, die uns auf die Straße treibt? Egal ob es sich um den Kampf gegen AIDS, um die Klimakrise oder eine Koalition mit Faschisten handelt, der Grundgedanke bleibt derselbe. Nun mag man die Koalition auf den ersten Blick runterspielen, so wie es aktuell in den Reihen der SVP geschieht. Dass es nicht so schlimm wäre, dass der Protest, der nun geschieht, überzogen wäre. Dass das Problem nicht mit anderen, lebensbedrohenden Ereignissen, allen voran dem Klimawandel vergleichbar wäre. Ja, die Klimakrise ist allumfassender, zumindest global betrachtet. Doch wer wissentlich mit Faschisten spricht, verhandelt und bereit ist, gemeinsam mit ihnen zu regieren, setzt nicht weniger als das freie Leben heutiger wie auch zukünftiger Generationen aufs Spiel. 120 BPM zeigt, dass Veränderung möglich ist, vorausgesetzt, der Protest wird gehört. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die SVP gewillt ist, den Sorgen der Bevölkerung, darunter auch denen ihrer eigenen Wähler, Gehör zu schenken. An Lautstärke mangelt es nicht. Im Fall der SVP, möglicherweise aber an Rückgrat. 

  • Hier wird tatsächlich was bewegt. Foto: Campillo