Society | Arbeitsmarkt

"Arbeit gibt Rhythmus und Struktur"

Die Sozialgenossenschaft „Albatros“ leistet ganze Arbeit, wenn es darum geht, benachteiligte Menschen wieder in Brot und Arbeit zu bringen – und das seit 30 Jahren. Wir haben mit Albatros-Direktorin, Monika Thomaser, über Hochs und Tiefs im Alltag gesprochen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Gärtner bei ihrer Arbeit
Foto:  pixabay: Manfred Antranias Zimmer
  • Albatros-Direktorin Monika Thomaser: "84 Prozent unserer Kunden sind Privatpersonen.": Foto: Albatros

    Frau Thomaser, wo liegen die Probleme bei der Integration benachteiligter Menschen in den Arbeitsmarkt und wie schafft ihr es, diese zu handlen?

    Monika Thomaser: Die größte Herausforderung sind die hohen Anforderungen, die der freie Arbeitsmarkt an seine Beschäftigte stellt. Gesucht sind qualifizierte Fachkräfte: die müssen flexibel sein; die müssen belastbar sein und diese Voraussetzungen erfüllen unsere Klienten teilweise nicht. Sie haben teilweise keine Ausbildung, sie sind nicht belastbar und nicht flexibel. Eine Fünf-Tage-Woche täglich von 9 bis 17 Uhr stellt die Menschen, die wir betreuen vor Probleme. Ihr Alltag ist gekennzeichnet von Hochs und Tiefs und in der Phase ihrer Tiefs brauchen unsere Klienten einfach Unterstützung.

    Die Meschen sind bei Albatros beschäftigt? Wie muss man sich das vorstellen? Woher kommt die Arbeit?

    Unsere Arbeitsaufträge für die Menschen, die wir betreuen, kommen vom freien Markt von unseren Kunden.

    Und wer sind eure Kunden?

    84 Prozent unserer Kunden sind Privatpersonen. Der Rest sind öffentliche Aufträge durch die öffentliche Verwaltung.

  • Zur Person

    Monika Thomaser ist seit 17 Jahren Direktorin  der Sozialgenossenschaft „Albatros“. Die studierte Juristin verfügt über einen Master im Management von Non-Profit-Organisationen und Sozialgenossenschaften, stammt aus Bruneck und lebt mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern in Meran.

  • Welche Tätigkeiten üben eure Klienten dann aus?

    Die Dienstleistungen, die Albatros bietet, sind die Pflege von Grünanlagen, die Reinigung von Räumen und Gebäuden und wir haben eine eigene Tischlerei. Sie müssen sich das so vorstellen: da gibt es eine Person mit einer Drogenproblematik. Die macht eine Therapie, macht Entzug und wird vom Dienst für Abhängigkeitserkrankungen begleitet. Der Dienst für Abhängigkeitserkrankungen stellt dann irgendwann fest, dass die therapierte Person die Voraussetzung erfüllt, um wieder arbeiten zu können. Findet die Person auf dem freien Arbeitsmarkt keine Arbeit, wendet sich der Dienst für Abhängigkeitserkrankungen an uns und fragt an, ob bei uns ein Platz frei ist und wir diesen Menschen begleiten können. Wir entscheiden dann nach Auftragslage, ob es uns möglich ist die Person aufzunehmen.

    39 Männer und Frauen habt ihr 2023 integriert, wie sehen die Leben einer eurer „Klienten“ aus, bevor Albatros aktiv wird und nachdem Albatros aktiv war. 

    Unsere Klienten bekommen einen regulären Arbeitsvertrag. Sie bekommen einen Lohn, sind kranken- und rentenversichert, haben Anrecht auf bezahlten Krankenstand und bezahlten Urlaub. Mit der Arbeit erhalten die Menschen auch wieder soziale Kontakte, haben einen geregelten Alltag. Sie sind nicht mehr nur von der Sozialhilfe abhängig, können ihr Leben finanziell zum Großteil selbst bestreiten und ihr Tag bekommt wieder Rhythmus und Struktur.

    2023 betrug der soziale Mehrwert in Form von Reallöhnen, Steuern und Sozialabgaben von Menschen, die bei Albatros beschäftigt sind über 400.000 €. Was verdient man bei Albatros im Durchschnitt. Können die Menschen von ihrem Verdienst wirklich leben?

    Also das Einstiegsgehalt bei einer Vollzeitbeschäftigung liegt bei 1.200 Euro netto. 13 Monatsgehälter. Wir zahlen keine Taschengelder, sondern wollen einen Lohn zahlen, von dem man auch leben kann. Natürlich reicht das nicht, um in Südtirol davon leben zu können, wenn man 800 Euro Miete zahlen muss. Deswegen sind viele noch auf die finanzielle Sozialhilfe angewiesen. Allein tut man sich schwer, geschweige denn, wenn man noch Partner und Kinder hat.

    Warum wurde Albatros vor 30 Jahren eigentlich gegründet?

    Weil es eine konkrete Drogenproblematik in Meran gab und man schnell gesehen hat, dass die Therapie allein nicht reicht, um die Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Es braucht auch ein Danach. Primär ist es eben Arbeit, die dem Alltag Sinn gibt. Wenn ich den ganzen Tag beschäftigt bin, habe ich weniger Möglichkeit rückfällig zu werden. Das war der ursprüngliche Gedanke. Darum haben sich vor 30 Jahren Meraner Bürger zusammengetan – in der Regel Eltern von Betroffenen – die Abhängigen nach der Therapie wieder eine Perspektive bieten wollten. Arbeit macht aber auch psychisch Kranke stabiler.

  • Die Sozialgenossenschaft „Albatros“

    Am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen in die Arbeitswelt zu integrieren ist Auftrag und Ziel der Sozialgenossenschaft „Albatros“. Seit 30 Jahren ist Albatros aktiv. Anfangs stand die Integration von Menschen mit Suchtproblemen im Mittelpunkt, mittlerweile betreut Albatros auch psychisch kranke Menschen, Migranten und Personen im Strafvollzug.

  • Und wie schaut es bei Migranten aus?

    In den allermeisten Fällen handelt es sich bei den Migranten auch um Suchtkranke oder um Menschen im Strafvollzug. Und natürlich sind auch psychisch Kranke unter den Migranten, die von Kriegs- oder Fluchterlebnissen traumatisiert sind.

    Wie viele Menschen arbeiten bei Albatros?

    Insgesamt sind wir 70.  30 bis 40 davon sind benachteiligte Menschen. Die anderen Mitarbeiter sind Fachkräfte, die die benachteiligten Menschen begleiten. Dann haben wir noch einen Erzieher, der für die pädagogische Begleitung zuständig ist und ich kümmere mich um die wirtschaftliche Seite und die Verwaltung.

    Haben die Gärtner und Tischler bei Ihnen eine Zusatzausbildung für den Umgang mit benachteiligten Menschen?

    Nein, aber es sind schon sehr empathische Menschen mit besonderen sozialen Fähigkeiten.

    Haben Sie auch Rückschläge zu verzeichnen?

    Rückschläge würde ich nicht sagen. Es sind einfach menschliche Faktoren, die reinspielen können, aber nicht mehr und nicht weniger als in anderen beruflichen Umfeldern. Wir müssen aber wachsamer, achtsamer und sensibler damit umgehen und notfalls auch wieder den entsprechenden Sozialdienst informieren, wenn jemand rückfällig geworden ist oder andere Problematiken wieder aufbrechen. In der Regel sind die Menschen, die wir betreuen, sehr kooperativ.

    Das Zusammenspiel mit den zuständigen Sozialdiensten klappt also gut?

    Das klappt gut und ich muss auch sagen, dass unsere Klienten eher froh sind, dass sich wieder einmal jemand um sie kümmert, als dass sie abweisend oder aggressiv reagieren.

    Stoßen die Aktivitäten Ihrer Genossenschaft in Südtirol auf große Unterstützung und Akzeptanz?

    Die Skepsis der Kunden hat es früher gegeben. ‚Da kommt ein Drogensüchtiger, der meinen Garten pflegt oder mein Stiegenhaus reinigt? Den mag ich nicht!‘ Überzeugen können wir nur mit der Qualität unserer Dienstleistungen und: wir müssen mit den Kunden im Gespräch bleiben. Dann sagen die irgendwann: ‚Okay, da kommt ein Mensch mit einer Problematik, aber er leistet auch etwas und bemüht sich.‘

    Was würden Sie sich für Albatros wünschen, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

    Einen Wunsch nur? (lacht). Dann hätte ich gerne mehr Akzeptanz seitens der öffentlichen Verwaltung. 84 Prozent unserer Kunden sind Private. Wir haben uns ganz bewusst von den öffentlichen Ausschreibungen abgewandt, weil das mit so viel Bürokratie und so niedrigen Preisen verbunden ist. Die öffentliche Hand finanziert Therapien und gibt uns dann kein Geld, um diese Patienten wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Das ist widersprüchlich.