Society | Gastbeitrag
Wie überleben unsere Jugendlichen?
Foto: upi
60 % der geschätzten 817.000 Suizidtoten weltweit im Jahr 2016 sind zwischen 15 und 50 Jahre alt gewesen. Die WHO schätzt, dass Suizid die zweithäufigste Todesursache bei 15 bis 30 jährigen ist, wobei junge Männer 2-4 mal häufiger betroffen sind als Frauen. Bei Jugendlichen, mehr bei Mädchen als bei Jungen, kommen auf eine Selbsttötung geschätzte 100 Suizidversuche.
Südtirol ist keine Insel der Seligen. Der jüngste Suizidtote bei uns war 9 Jahre alt. Was gerade junge Menschen umtreibt, sich das Leben zu nehmen, ist für Helfer aus dem Bereich des Gesundheitswesens, aber auch für Pädagogen und Begleiter, für Eltern und für Jugendliche selbst, die mit dem Risiko besser umgehen wollen, von größter Wichtigkeit. Noch bedeutsamer sind die Erkenntnisse, was Schutz bietet und Leben rettet.
Südtirol ist keine Insel der Seligen. Der jüngste Suizidtote bei uns war 9 Jahre alt.
Die moderne Psychiatrie und Psychologie haben sich um Antworten bemüht, haben versucht, zwischen Krankheit und Krise zu unterscheiden, obwohl häufig beides zusammenfällt. Man hat ermittelt, dass Elternhaus und Schule Orte dramatischer Konflikte sein können oder Sicherheit ausstrahlen. Gute Schulleistungen erhöhen den Selbstwert der Jugendlichen, chronischer massiver Schulstress oder Mobbing in der Schule können gefährden. Die Gruppe Gleichaltriger, in der sich auch die geschlechtliche Annäherung vollzieht, kann Geborgenheit gewähren und soziales Lernen fördern, Erfolge vermitteln, die Ablösung von den Eltern beschleunigen. Sie kann auch zu riskantem Verhalten, Drogenkonsum, Extremsport oder Mutproben verleiten. Ereignisse wie Trennung der Eltern, Verlust einer geliebten Person, Krankheit, Umzug oder ungewollte Schwangerschaft können Auslöser für schwere Krisen oder relativ gut überbrückt werden.
Bei all diesen möglichen Einflüssen ist es wichtig, auf Beistand, Begleitung und Hilfen in schwierigen Lebensabschnitten zu fokussieren. Die Hilfen müssen nicht immer gleich psychologischer oder psychiatrischer Natur sein, können niederschwellig wirken, sollen aber mit der Fachwelt gut verbunden sein und von ihr geleitet werden. Dabei sind wir in Südtirol nicht allein, das Anliegen ist europaweit groß.
Bei all diesen möglichen Einflüssen ist es wichtig, auf Beistand, Begleitung und Hilfen in schwierigen Lebensabschnitten zu fokussieren.
Die Europäische Allianz gegen Depression (European Alliance Against Depression, EAAD) weist in einer Tagung am Freitag, den 31. August im Haus EOS in Bozen Rentsch, Rentscherstrasse 42, eigens darauf hin. Erwartet werden internationale Experten wie Prof. Ulrich Hegerl aus Leipzig, der europaweite Gefahren und Projekte zur Suizidvorbeugung bei Jugendlichen schildert, und Prof. Christian Haring, der WHO-Beauftragter für Suizidpräventionin Österreich ist und ein schulisches Präventionsprogramm aus Nordtirol vorstellt. Ihm ist es gelungen, in Österreich ein Staatsgesetz zur Suizidvorbeugung einzuführen. Nicht zufällig sind die hohen Suizidraten in Österreich sinkend.
Der Nachmittag ist nationalen Projekten und Impulsen und der italienischen Sprache gewidmet. Da Italien eine niedrige Suizidrate hat, war das Anliegen in Rom bisher nicht von größtem Interesse. Trotzdem: In den letzten 40 Jahren hat die Suizidhäufigkeit bei 15 bis 25jährigen um 10% zugenommen.
Der Psychotherapeut und Forscher Dr. Antonio Piotti aus Mailand analysiert gefährliche Verhaltensweisen bei Jugendlichen, immer mit dem Fokus auf günstige Wendungen. Und der Psychologe Dr. Piero Ferrero aus Turin, der auch in Südtirol eine Ambulanz unterhält und unser Schulsystem bestens kennt, trägt zum Thema „Eltern, Schule und Schüler – ein nicht immer gleichseitiges Dreieck“ vor, wobei sein Anliegen ist, den Schulalltag protektiv zu nutzen.
Die um 10 Uhr vormittags beginnende Tagung findet gegen 17 Uhr ihren Abschluss, dabei ist eine Podiumsdiskussion mit Vertretern des neu entstandenen Netzwerks Suizidprävention geplant. Diskutiert werden soll eine hilfreiche Rolle der öffentlichen Hand, der Schule, der Medien und der Eltern in Zukunft in Südtirol.
Die organisatorische Leitung der Tagung liegt in den bewährten Händen von EAAD-Koordinator Dr. Ulrich Seitz, moderierend werden EAAD-Leiterin Dr. Sabine Cagol und ich tätig werden. Die Veranstaltung ist eine sinnvolle Kooperation des Südtiroler Gesundheitswesens und EOS.
Roger Pycha ist Psychiater, Psychotherapeut und seit fast 20 Jahren Primar der Psychiatrie Bruneck.
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