Economy | Hilfsprojekt

Unser Essen für andere

2007 haben Katya und Armin ein Hilfsprojekt in Indien ins Leben gerufen. Jetzt baut das Pärchen seine Zelte in Bruneck ab und verlegt ihren Lebensmittelpunkt ganz in den multiethnischen Staat mit über 1,2 Milliarden Einwohner.
Anthony Ratinov con la Isidore String Quartet, Busoni 23
Foto: Anna Cerrato

Katya Waldboth und Armin Untersteiner packen ihre Koffer, Mitte August folgt Katya dem Ruf ihres Herzens, Armin seiner Frau im Januar. „Am meisten fehlen werden mir die Berge, die saubere Luft, das gute Trinkwasser“, sagt die 36-Jährige etwas wehmütig. „Das wird in Indien nicht mehr so einfach sein. Raus aus dem Haus, und rein in die Natur.“ Deshalb rüstet sie sich und weiß genau, was auf keinen Fall fehlen darf, im südindischen Pondicherry: Katyas Lieblingskissen und viele Karotten, „denn die schmecken in Indien einfach nicht“, lacht sie. Armin schmunzelt, „was ich unbedingt mitnehmen muss? Na ja, ein paar gute, scharfe Küchenmesser und Olivenöl.“

Herausforderungen in der Ferne

Unkompliziertheit braucht es wohl, um diesen Schritt zu wagen, Offenheit und Toleranz sowieso. Ein Sich-Einlassen-Können auf Ungewissheit, auf Armut, Müll, ein "komplett anderes Frauenbild", "einen anderen Dresscode", viel Lärm und viele Menschen, zählen Katya und Armin auf. "Das sind schon Herausforderungen." Begonnen hat die Liebe zu Indien mit einer Reise. 2007, Vorweihnachtszeit: Katya, Armin und einige Freude wollen nicht länger zusehen, sondern aktiv Hilfe gestalten. „Wir haben zu unserer Familie und unseren Freunden gesagt, wir brauchen kein Weihnachtsgeschenk. Wenn, dann sollen sie das Geld für Essen spenden.“ Aus dieser Idee ist „Prem Prasad – liebevolles Essen“ geworden, bis heute bringen die beiden mit Spenden jährlich 7.500 Euro auf und können damit 200 Menschen und Pilgern in Indien eine warme Mahlzeit garantieren. Zweimal pro Tag, „die Menschen dort sind wirklich sehr sehr arm“ erzählt Katya. Mit diesem Projekt, das ständig wächst, wurde das ferne Land zunächst ihr, dann auch Armin zur zweiten Heimat.

Bekochen aus Liebe

In ihrer Beziehung ist Kochen ein elementares Thema, „wenn Armin nicht da ist, dann nehm ich immer ab“, erzählt die engagierte Feldthurnerin. Bei der Hochzeit im letzten Jahr haben die Brautleute die Gäste bekocht. "Das war wunderschön", erinnert sich Katya. Armin ist Musiker und Koch, Experimente sind seine Leidenschaft („am meisten freue ich mich auf die Gewürze und die Musik in Indien“). In ihrer gemeinsamen Wohnung in Bruneck ziert ein liebevoll dekorierter Schrein mit indischen Gottheiten das Wohnzimmer. „Dort singen wir jedes Wochenende mit Freunden indische Lieder“, sagt Katya. Sie ist Friedensbotschafterin, diplomierte Konfliktmediatorin und freie Mitarbeiterin der OEW, zuletzt an der Eurac am Institut für Minderheitenforschung tätig. Gemeinsam ein unschlagbares Team. Nun hat Katya in Indien die Chance, im Management der norwegischen Hilfsorganisation Kulturstudien "Peace and Conflict Studies" mitzuarbeiten. „Es sind gerade so viele Türen offen, alles geht wie von allein“, erzählt die Geschichtswissenschaftlerin. Ihre Vita zeigt deutlich: Das Thema Helfen und Vermitteln steht im Mittelpunkt.

Helfen schafft Begegnung

Die neue Heimat der beiden und der Ort Vrindavan, wo „Prem Prasad“ verteilt wird, liegen geographisch weit auseinander. Ein Koch und ein Hilfskoch sind die Verantwortlichen vor Ort, „aber viele unserer Freunde fahren im Sommer immer wieder nach Indien und helfen bei der Essensvergabe tatkräftig mit.“ Langfristig hoffen Katya und Armin das Hilfsprojekt weiter auszubauen, eine NGO entsteht gerade. „Wenn man kreativ ist, ist in Indien so viel möglich“, erzählt Armin „es gibt dort einen derartigen Boom, im Tourismusbereich zum Beispiel. Es ist ja alles erst im Aufbau.“

Vieles ist möglich, in Indien, und doch gilt es langsam Veränderungen herbeizuführen, "damit wir mitkommen und auch die Menschen vor Ort." Die Essensvergabe  zieht weitere Kreise, Bildungsmaßnahmen sind der nächste Schritt, ein Nachhilfezentrum soll gebaut werden. Und dann geht es natürlich um die Selbstversorgung der Menschen vor Ort. Gerade soll ein Traktor für die Dorfgemeinschaft angekauft werden, auch ein Bozner Verein hat Interesse an einer Zusammenarbeit mit „Prem Prasad“ angemeldet, "es verselbständigt sich, das freut uns sehr", berichtet Armin.

Übersichtlich und authentisch

Für die beiden geht ein Traum in Erfüllung. Sie rücken näher an ihr Hilfsprojekt heran, „ja, wir sind dankbar, dass wir das tun können, es gibt sehr viele schöne Begegnungen mit den Menschen vor Ort.“ „Nach ein paar Wochen ist sie eh eine halbe Inderin“, lacht Armin und schaut seine Frau an. Katyas Haut nimmt schnell tiefbraune, ja fast schwarze Färbung an und „mit dem typischen Gewand der Inderinnen und dem Kopftuch....da werd ich dann irgendwann nur mehr auf indisch angesprochen“, schmunzelt sie. Prem Prasad "ist ein kleines, übersichtliches Projekt, das spricht an." 

Kochen tut Armin aber nicht nur in Indien, immer wieder wird er kontaktiert, mischt sich unter die Leute. Zu treffen ist das Paar auch am kommenden Wochenende am Brunecker Altstadtfest. Auf dem Speiseplan: vegetarische Gerichte gegen eine freiwillige Spende. „Essen tut jeder gern", weiß Armin. "Da kommt man auch sofort ins Gespräch. Wir können von unserem Projekt erzählen, Menschen sensibilisieren, ohne Druck.“ Essen verbindet eben – hier wie dort.

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no name Sat, 07/20/2013 - 11:05

Alles Gute für die Beiden. Ich glaube was die Tätigkeit befriedigend macht ist es zu wissen, dass meistens so etwas wie Dankbarkeit entgegenkommt und Wertschätzung. Genau das fehlt in unserer Gießkannengesellschaft, wo so vieles selbstverständlich ist und der Neid die destruktive Antriebskraft.

Sat, 07/20/2013 - 11:05 Permalink