Politics | Klimaschutz

Klimaschutz ja, aber sozial gerecht

Klimagerechtigkeit hat verschiedene Dimensionen, darunter die soziale Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft. Was bringt der Klimaplan 2040 in dieser Hinsicht?
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„Die Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität werden für unterschiedliche Branchen und Gesellschaftsschichten vielfältige Chancen, aber auch Belastungen schaffen (…) Die vorgesehenen Maßnahmen müssen so gestaltet werden, dass sie für alle gesellschaftlichen Schichten jedenfalls noch leistbar sind. Bei Bedarf wird die Bevölkerung auch finanziell unterstützt,“ so bringt das der Südtiroler Klimaplan (S. 12). Auch deshalb setzt der Klimaplan das Ziel (S. 13), den Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung bis 2030 um 5 Prozentpunkte gegenüber 18% (Stand 2019) zu senken, also auf 13%.

Als Hauptstrategien auf dem Weg zur Klimaneutralität nennt der Klimaplan fünf (S. 14/15):

  1. Die Reduktion von Tätigkeiten und Verhaltensweisen, welche direkt und indirekt zur Emission von THG und zu mehr Effizienz bei der Energienutzung führen;
  2. Die Substitution der Aktivitäten, die Emissionen verursachen durch Aktivitäten und Prozesse, die weniger oder gar keine Emissionen verursachen;
  3. Die erhöhte Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen, um die Substitution von emissionsintensiven Tätigkeiten zu erlauben;
  4. Maßnahmen, welche die Resilienz und Widerstandsfähigkeit der Region gegenüber den Folgen des Klimawandels steigern;
  5. Maßnahmen, welche unvermeidbare Belastungen sozialverträglich und fair verteilen oder durch Zusatzmaßnahmen ausgleichen, also soziale Klimagerechtigkeit.

Diese letzte Strategie zielt auf einen Dreh- und Angelpunkt der Umsetzung der Energiewende. Die erhöhten Energiekosten sowohl infolge des Preisanstiegs bei Benzin, Diesel, Öl und Gas als auch infolge der in Italien bevorstehenden Einführung der CO2-Bepreisung werden die einkommensschwachen Familien am stärksten treffen, wie schon 2022 geschehen. Die Mittel- und Oberschicht, die gemessen an ihrem Familieneinkommen weniger für Energie ausgeben, trifft das weniger. Der Benzin- und Dieselpreis fällt für einen Gutverdiener mit 50.000 Euro Jahreseinkommen wenig ins Gewicht im Vergleich mit einem Mindestlohnbezieher mit 20.000 Euro im Jahr. Die für eine Wärmepumpe nebst Thermosanierung nötigen Investitionskosten kann eine Mittel- oder Oberschichtsfamilie leichter stemmen als die Niedriglohnbezieherin. Wenn die Geringverdiener nicht finanziell in die Lage versetzt werden, bei Heizung und Mobilität umzurüsten, wird die Klimaneutralität in 16 Jahren nicht zu schaffen sein, zumal in Südtirol noch rund 80.000 Heizungen fossil betrieben werden. Das gilt genauso für Italien, das Null-Emission 2050 erreichen will.

Als Maßnahmen zur Umsetzung dieser Strategien bringt der Klimaplan die klassischen drei Formen, nämlich Regulierungen, Anreize und den „kulturellen Wandel“, lässt aber die sozialen Ausgleichsmaßnahmen außen vor. Eine überraschende Lücke, die sich in den Aktionsfeldern spiegelt. Im Plan findet sich kein Aktionsfeld „Soziale Klimagerechtigkeit“ und unter allen 157 Maßnahmen findet sich keine Aktion, die gezielt die relative Armutsquote senken soll. Weiters fehlen im Klimaplan Maßnahmen, die starke CO2-Emissionsverursacher belasten und geringe CO2-Verursacher entlasten.

In Sachen Klimaschutz ist das keinesfalls gerecht, im Sinne von verursachergerecht. Gerechtigkeit würde bedeuten, dass man Personen mit großem ökologischem Fußabdruck stark zur Kasse bittet, ihre emissionsintensiven Tätigkeiten vom Fahrzeugpark über den Wohnraum bis zu den Fernreisen belastet, hingegen Personen mit kleinem ökologischem Fußabdruck entlastet. Am meisten klimaschädliche Gase emittieren nachweislich die Wohlhabenden. In Europa emittiert das einkommensreichste Prozent pro Kopf durchschnittlich 55 Tonnen CO2. Das entspricht dem 22-fachen des ökologisch Tragbaren und mehr als dem Siebenfachen des EU-Durchschnitts pro Kopf (Südtirol: 7,37 t/Kopf im Jahr). 41% dieser Emissionen er Reichen gehen allein auf den Flugverkehr zurück, gleich gefolgt von den Bereichen Mobilität und Wohnen (Stefan Nabernegg, Emissionen hin oder her – Wer stößt sie aus und wie viel ist zu viel? In: Klimasoziale Politik, 2021, 41-56). Diese Fragen bearbeitet auch Stefan Perini im Band Klimaland Südtirol? (Sozialpolitik für eine klimagerechte Gesellschaft, S. 89).

Für Österreich hat Greenpeace berechnet, dass den reichsten 10% der Einkommensbezieher gleich viele Emissionen zugeschrieben werden können wie der unteren Hälfte der Einkommenspyramide. Allein die Fahrzeuge und Freizeittätigkeiten dieser reichsten 10% führen zu gleich viel Treibhausgasen wie die ärmsten 10% für ihren gesamten Bedarf emittieren. Eine sozial gerechte Klimaschutzpolitik muss somit sozial differenzieren. Die einkommensstarken Haushalte verursachen einerseits weitaus mehr Treibhausgase, sind zum anderen finanziell eher in der Lage, CO2-Steuern zu tragen.

Das trifft mit Gewissheit auf Südtirol genauso zu, wo die Einkommensverteilung in den letzten 20 Jahren deutlich ungleicher geworden ist (vgl. Atz/Haller/Pallaver, Ethnische Differenzierung und soziale Schichtung in der Südtiroler Gesellschaft, Nomos 2016). Soll der Staat den Preisanstieg ausgleichen, damit diese CO2-Bepreisung sozial ausgewogen erfolgt? Er könnte, wie in der Schweiz und Österreich, ein Bürgergeld oder einen „Klimabonus“ an alle zahlen. Jene Bürger, die weniger für fossile Brennstoffe ausgeben, würden dann profitieren. Der Anreiz zum zügigen Umstieg auf Erneuerbare Energie bei Auto und Heizung bliebe erhalten. Der Staat könnte auch einen Sozial-Sockeltarif bei der Grundversorgung mit Strom und Gas finanzieren, der darüberhinausgehende Verbrauch unterläge den freien Marktpreisen.

Das Bundesland Tirol unterstützt einkommensschwache Haushalte bei der Energiewende: wer seine fossil betriebenen Heizungen auf klimaverträgliche Heizungssysteme umstellen möchte, kann um einen Beitrag von bis zu 100% der Kosten ansuchen. Und Südtirol? Zwar können Wohnungsbesitzer immer noch den Superbonus nutzen. Doch um der Klimaplan-Strategie Nr. 5 (Klimaplan, S. 15) gerecht zu werden, muss auch das Land eine langfristige, gut dotierte Förderschiene für die Umrüstung der fossil betriebenen Heizungen einführen, die ans Einkommen und Vermögen der Antragsteller geknüpft ist. Gemäß Klimaplan-Strategie Nr. 1 (S.14) müsste das Land auch Tätigkeiten und Verhaltensweisen reduzieren, die direkt zu Treibhausgasemissionen führen. D. h. es müsste z.B. überzogenes Bauen verteuern, Autos nach Motoleistung höher besteuern, klimaschädliches Verhalten nicht mehr subventionieren, das Wachstum der touristischen Übernutzung nicht nur stoppen, sondern umkehren, weil extrem emissionsintensiv. Ein erster Schritt, der schon Dutzende Millionen Euro einsparen und das Klima entlasten könnte, ist schon vom Landtag beschlossen, aber von der Landesregierung ignoriert worden (so funktioniert die Südtiroler Demokratie): die Auflösung der IDM.

Dieses Thema wird beim Seminar "Zeitenwende Klimakrise" (Treffen 2) am 26.9.2023 mit Christian Troger und Nathan Previdi als besonderen Gästen näher diskutiert.