Environment | Almerschließung

Verkehrte Welt

Zwei Ämter beschäftigt eine Frage: Almerschließungen. Wie kann es sein, dass gerade die Abteilung Forstwirtschaft wenig Bedenken hat?
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Schneelandschaft
Foto: Südtirolfoto/Helmuth Rier

Landesrat Schuler und das Amt für Forstwirtschaft beschäftigen sich mit dem Thema Almerschließung und Landesrat Theiner mit dem Amt für Landschaftsökologie ebenso. Für das Amt für Landschaftsökologie sind 28 Neuerschließungen vertretbar. Für die Abteilung Forstwirtschaft sind hingegen 67 Almerschließungen vertretbar.

Die Abteilung Forstwirtschaft hält mehr Neuerschließungen für vertretbar als das Amt für Landschaftsökologie. Vertritt das Amt für Forstwirtschaft die Interessen der Bauern oder waldbauliche Interessen? Der Wald in den höheren Lagen ist Schutzwald. Auf einstigen durch Almwirtschaft bewirtschafteten Flächen kommt es heute zur Bewaldung. Die heutige Waldgrenze ist durch die Rodung von Wäldern entstanden, aus Wäldern wurden Weiden. Die Rodung der Schutzwälder und die Umwandlung derselben in waldfreie Almen hat in der Vergangenheit zu Katastrophen geführt, wie der Lawinenkatastrophe von 1954 in Vorarlberg, als im Großen Walsertal Lawinen das Tal verwüsteten. Dies bedeutete einen Wendepunkt in der Bewirtschaftung der Almen, Aufforstungen von Almen und Lawinenverbauungen sicherten das Überleben der Menschen in den Tälern. Die Bedeutung des Schutzwaldes für das Überleben in den Bergen wurde den Menschen damals auf dramatische Weise vor Augen geführt. Die Wichtigkeit des Schutzwaldes in Südtirol findet heute in einer Broschüre der Arge Alp seinen Ausdruck und die Almwirtschaft geht meist auf Kosten des Waldes. Warum vertritt nun gerade das Amt für Forstwirtschaft die Meinung, dass mehr Erschließungen notwendig wären?

Vom Amt für Forstwirtschaft wird immer wieder auf die Schäden für den Wald durch Wildtiere (vor allem Hirsche) hingewiesen. Hohe Populationsdichten in den Wäldern verursachen Schäden wie Verbissschäden, Schälschäden usw. Doch auch Weidetiere verursachen Verbisschäden an Bäumen, gerade auch im Bereich der Almen. Freiheitsliebende Ziegen knabbern gerne an Gehölzen. Überbeweidung, vor allem mit Rindern, führt zu Trittschäden und Erosion. Es gibt zertrampelte Almen, überweidete Almen usw. Erosionsanfällige Flächen wie kleine Bäche in Meran 2000 wurden eingezäunt, damit Weidetiere nicht weiter für eine Destabilisierung des Geländes sorgen. Murmeltiere werden in Südtirol als “Gefahr” identifiziert, Weidetiere im Gegenzug finden wenig Erwähnung. Doch sind es gerade auch Weidetiere, welche Schäden anrichten. Wie kann es sein, dass gerade die Forstwirtschaft Interesse an der Erschließung von Almen hat, obwohl Weidetiere für Schäden am Wald verantwortlich sind?

Dazu kommt der Klimawandel, das Auftauen der Permafrostböden in alpinen Lagen verursacht Erosionsschäden, Rutschungen usw. Die Beweidung dieser Flächen trägt nicht dazu bei, die Hänge zu stabilisieren. Gerade Schafe gehen hoch hinauf und das heutige Wirtschaftsschaf bringt einige Kilo auf die Waage, früher waren Schafe kleiner und wogen wesentlich weniger (das ausgestorbene Steinschaf wog ca 30 kg heute wiegen Schafen ca 90 kg). Diese Weidetiere verursachen Trittschäden und tragen zur Destabilierung des Bodens bei. Wozu braucht es mehr Schafe und Kühe auf den Bergen? Sind nicht schon genug oben?

Dazu kommt die Rückkehr der großen Raubtiere, Wölfe wird es in Zukunft mehr geben und nicht weniger. Mit der gewohnten Weidehaltung auf Almen, wo Haustiere unbewacht und frei herumlaufen, sind die Haustiere neben den Gefahren wie Blitzschlag oder Steinschlag auch der Gefahr durch Raubtiere ausgesetzt. Die Freiheit auf den Bergen hat ihren Preis, Tiere kommen zu Schaden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Tiere in Zukunft sicherer sind. Wozu will man mehr Almen erschließen?

Südtirols Almlandschaften sind übererschlossen, man denke an die Villanderer Alm, die Seiser Alm usw. Von der traditionellen Almwirtschaft ist dort wenig zu spüren und diese Gegenden sind touristisch und landwirtschaftlich überbeanspruchte Gebiete. Südtirols Berge brauchen nicht noch mehr Straßen und Almwege. Südtirols Berge brauchen eine Politik, die sich dessen bewusst ist, dass die Natur, die Ruhe und das Unerschlossene die Reichtümer und Schätze der Südtiroler Bergwelt sind.