Culture | Mumienforschung

Her mit der Streitaxt

In der Beilage der FF „Panorama“ mit dem Titel „Gipfelstürmer“ vom April dieses Jahres bin ich in den letzten Beitrag mit dem Titel „Wer war er wirklich“ geraten.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Ötzi
Foto: Othmar Seehauser

Dort ist ein Interview mit Herrn Albert Zink, Direktor des Eurac-Institutes für Mumienforschung und Herrn Peter Boltersdorf, Inhaber eines Beratungsinstitutes mit dem Namen Luxx United wiedergegeben. Die beiden haben nämlich „beim Top Company Award 2019 neueste Erkenntnisse über Ötzis Charakter vorgestellt“.

Da sowohl die Eurac als auch die Arbeit von Herrn Zink auch mit meinem Steuergeld finanziert wird, nehme ich mir die Freiheit für den nachfolgenden offenen Brief an Herrn Zink. Ich hoffe, dass er ihn in irgendeiner Weise erreicht.

Sehr geehrter Herr Zink, ich verstehe, dass Sie sich möglicherweise verpflichtet fühlen, in regelmäßigen Abständen für eine wissenschaftliche Neuigkeit betreffend den Mann aus dem Eis zu sorgen, was ja sicher zunehmend schwieriger wird. Ebenso verstehe ich, dass Herr Boltersdorf sein Beratungsinstitut bewerben möchte und der Mann aus dem Eis dafür einen hervorragenden und zudem kostengünstigen Werbeträger abgibt. Gleichwohl erlaube ich mir ein paar Überlegungen.

In diesem Panorama-Heft geht es um Karrieren und um Führungskräfte. Eine Qualität, die ich mir bei einer Führungskraft wünsche, ist die Fähigkeit zum Erkennen von ethischen roten Linien, hinter denen sie nicht mehr gewillt ist, etwas zur Disposition zu stellen. Ich glaube, Sie haben mit dem Posten des Direktors  für Mumienforschung (Institute for Mummys and the Iceman) gegenüber diesem 5.000 Jahre alten menschlichen Körper auch eine Verantwortung übernommen, die über die biotechnologische Untersuchung seiner Organe und Hinterlassenschaften hinausgeht. Wir sind mittlerweile ja einiges gewohnt an vermarktungstauglichen Spekulationen und Phantastereien über diesen Menschen und sein Leben. Mit der angeblich wissenschaftlichen Untersuchung seiner Persönlichkeit in Zusammenarbeit mit Herrn Boltersdorf und anhand des von ihm entwickelten sog. Luxx-Profile wurde nun doch ein erträgliches Maß überschritten. Die hanebüchenen Dummheiten im Kleide wissenschaftlicher Erkenntnisse die uns da vermittelt werden sind sowohl für uns heute lebende Menschen als auch für den toten Mann aus dem Eis eine hohe Zumutung. Sie schwadronieren da mit Herrn Boltersorf über die nun endlich erforschte Persönlichkeit dieses Mannes, seinen hohen Selbstantrieb („er hat abgenutzte Gelenke und ist viel gelaufen“), über seine Wissbegier und Neugier („er wusste potentiell giftige Lebensmittel richtig zu dosieren“), sein Statusbewusstsein („ er hatte gute Kleidung und Werkzeuge“), seine Selbstbestimmtheit, Chancenorientierung und Risikobereitschaft  („er war alleine unterwegs“), sein Karrierepotential („er musste sein Ding alleine durchziehen“) usw.  Mitten in diesem Artikel prangt auch eine Werbung der Messe Bozen. Da sitzt ein smarter Bursche an seinem Laptop unter der großen Schrift „Do Epic Shit“. Ein Leitspruch für Südtiroler Führungskräfte?

Herr Zink, Sie sind ein seriöser Wissenschaftler. Lassen Sie weder sich noch den Mann aus dem Eis mit dummen Geschichten für Werbezwecke missbrauchen. Dass Herr Boltersdorf Sie einmal anscheinend zur Zufriedenheit beraten hat, sollte genügen. Aber vor allem, fühlen Sie sich bitte als Führungskraft diesem toten Menschen auch in ethischer Hinsicht verpflichtet – er hat es heute nötiger denn je. Jedenfalls hat er keinen „Epic Shit“ verdient.

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Thomas Benedikter Wed, 07/17/2019 - 22:17

Gekonnt kommentiert, Erwin, das sitzt. Ich plädiere für ein Moratorium in der erbarmungslosen Vermarktung dieses armen Teufels aus dem Schnalstal. Wie du zu Recht schreibst: er hat sich das nicht verdient und kann sich nicht mehr dagegen wehren.

Wed, 07/17/2019 - 22:17 Permalink
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Peter Gasser Thu, 07/18/2019 - 07:46

... der Mensch, ob lebend oder tot, wird wieder missbraucht, als Ding „verwendet“, wird wieder Mittel zum Zweck.
Würde wird zum Fremdwort.

Thu, 07/18/2019 - 07:46 Permalink