Ambiente | Raumentwicklung

Auch Umweltlandesräte sind nicht heilig

Landesrat Peter Brunner (SVP) baut eine Almhütte in Lüsen. Madeleine Rohrer von den Grünen fordert eine öffentliche Debatte. Der ehemalige Bürgermeister von Kastelruth, Andreas Colli, hält das für neidisch.
Peter Brunner
Foto: LPA/Fabio Brucculeri
  • Andreas Colli versteht die Aufregung um Umweltlandesrat Peter Brunner von der Südtiroler Volkspartei (SVP) nicht. Der freie Landtagsabgeordnete und ehemalige Bürgermeister der SVP in Kastelruth verteidigt das Bauprojekt des Landesrats in Lüsen. „Dass der betroffene Bauer eine Hütte seines geschlossenen Hofes gegen eine andere ausgetauscht hat, ändert nichts am Flächenverbrauch. Für mich ist die Aufregung in der Öffentlichkeit vor allem eine Neiddebatte“, sagt Colli. 

     

    „Das ist frustrierend, weil Gesetze so gebogen werden, damit sie auf einzelne Projekte passen.“

     

    Wie die Tageszeitung berichtete, lässt Brunner in Lüsen eine Almhütte errrichten. Die Genehmigung für das Projekt erhielt im Vorfeld der vorige Besitzer und Lüsner Bauer Franz Josef Daporta. Grünes Licht gab dafür gemäß gesetzlichen Vorschriften die örtliche Höfekommission, da die Fläche samt Hütte aus dem geschlossenen Hof entfernt und anstatt ihr eine andere der vier Kochhütten eingegliedert wurde. Für Colli ist der Verkauf an Brunner das geringere Übel, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zu erhalten

  • Die größte Hochalm Europas: Die ehemaligen Kochhütten auf der Seiser Alm sind längst für Urlaubsgäste interessant geworden. Foto: Andy Odierno/SALTO
  • Der Verkauf von Almhütten ist auch in seiner Heimatgemeinde Kastelruth Thema: Bis zu zwei Millionen Euro werden auf der Seiser Alm für eine solche Immobilie auf den Tisch gelegt, etwa von deutschen Urlaubsgästen. Gesetzlich geregelt ist die Handhabe im landschaftlichen Gebietsplan der Seiser Alm, genehmigt im Jahr 1992. „Für die Überarbeitung des Plans sind im diesjährigen Landeshaushalt Gelder vorgesehen, weil auch bei uns Spekulationen betrieben werden“, erklärt Colli. Denn die Bauordnung des Gebietsplans (Art. 4) sieht vor, dass die Errichtung und Erweiterung von Kochhütten für Höfe mit mindestens drei Hektar zusammenhängender Almfläche erlaubt ist. In der Praxis wurde so erst eine Kochhütte gebaut und dann ein Teil der Almfläche an den benachbarten Bauern verkauft, der damit ebenfalls genügend Hektar für ein Bauprojekt vorweisen konnte. „Diese und weitere Bestimmungen müssen angepasst werden. Grundsätzlich sollten aber auch Bauern vom Tourismus profitieren dürfen“, erklärt der freie Landtagsabgeordnete. 

  • Bauen im Grün

    Colli begrüßt außerdem die umstrittene Gesetzesänderung als Teil der Wohnbaureform, womit unterirdische Kubatur bei Almhütten nicht mehr als Nutzfläche zählt und damit problemlos gebaut werden kann. „Die meisten Almen sind nicht sehr groß. Wenn für Mäharbeiten die Gerätschaft in einem Keller gelagert werden kann, erleichtert das die landwirtschaftliche Arbeit und führt zu keinem zusätzlichen Bodenverbrauch“, erklärt Colli. Die Grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Rohrer kritisiert die Neuregelung hingegen scharf: „Dieser Artikel hat nichts mit der Wohnungsnot zu tun und erlaubt unterirdisches Bauen, obwohl im alpinen Grün eigentlich ein absolutes Bauverbot gilt.“

     

    „Grundsätzlich sollten aber auch Bauern vom Tourismus profitieren dürfen.“

     

    Zuständig für diese Fragen ist nun der neue Abteilungsdirektor für Natur, Landschaft und Raumentwicklung, Florian Zerzer – ausgerechnet jene Person, die als Ressortdirektor gemeinsam mit dem ehemaligen Landesrat Richard Theiner das neue Raumordnungsgesetz auf den Tisch gelegt hat. „Die Versprechungen dieses Gesetzes werden ausgehöhlt. Das ist frustrierend, weil Gesetze so gebogen werden, damit sie auf einzelne Projekte passen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, ob wir mehr Ferienhäuser auf der Alm wollen oder die traditionelle Landwirtschaft weiterführen“, sagt Rohrer. 

    Auch in Kreisen der Landesverwaltung sind längst nicht alle mit dem Landesgesetz für Raum und Landschaft aus dem Jahr 2018 zufrieden. Vor allem das Ziel der Rechtssicherheit sei verfehlt worden, erklärt ein Beamter, der seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit lesen möchte. Während Anträge wie der Bau eines Vordachs auf einer Almhütte abgelehnt werden, würden Gesetzesänderungen wie das unterirdische Bauen im alpinen Grün die eigentliche Zielsetzung des Landschaftsschutzes untergraben. 

  • Neubau der Santner-Pass-Hütte: Damit die Hütte vergrößert werden kann, hat die Landesregierung Fläche des Unesco Weltnaturerbes Rosengarten an die Betreiber verkauft. Foto: Oswald Stimpfl
  • Seit das Landesgesetz gilt, ist der Bodenverbrauch in Südtirol tatsächlich weiter gestiegen. Laut dem Monitoring von Eurac Research beträgt der Anstieg im Zeitraum von 2006 bis 2023 in absoluten Zahlen 1.210 Hektar – das sind auf die Landesfläche gerechnet 0,16 Prozent mehr. Insgesamt hat Südtirol bis dahin 2,73 Prozent der Landesfläche versiegelt, wobei auch nur rund 5,5 Prozent davon als Dauersiedlungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Rest sind laut Eurac Gletscher-, Gebirgs-, Wald-, Wasser und Schutzflächen – zumindest theoretisch. Etwa hat die Landesregierung eine 900 Quadratmeter große Fläche des Unesco Weltnaturerbes Rosengarten im Jahr 2019 für etwas mehr als 27.000 Euro an private Betreiber verkauft, damit diese die Santner-Pass-Hütte vergrößern können.