Umwelt | Überetsch

Die Verzweiflungstat

Stellungnahme im Überetscher Gemeindeblatt: Die Vertreter der Landwirtschaft wollen das Regenwasser der Gemeinde in ihren Speicherbecken sammeln. Das ändere nichts am Problem, teilt die Initiativgruppe „Unser Wald“ mit.
Kaltern
Foto: Seehauserfoto
  • Das Bodenverbesserungskonsortium II. Grades Kaltern-Tramin (BVK) bleibt bei seiner Strategie: In der aktuellen Ausgabe des Überetscher Gemeindeblatts lässt es einen Artikel abdrucken, um für die Sammlung von Regenwasser zu werben – und damit auch den Bau von Speicherbecken im Altenburger und Montiggler Wald zu rechtfertigen. 

    „Kritische Gegner des Becken-Projekts interessiert dieser Aspekt offensichtlich gar nicht.“ 

    „Ja, in Kaltern werden die Bürger interessanterweise für Regenwasser zur Kassa gebeten! Der Bürger muss nämlich für jeden Kubikmeter verbrauchtes Trinkwasser 1,6629 Euro + 10 Prozent MwSt. zahlen“, so das BVK. Im Artikel wird für ein Vorhaben argumentiert, das die Umweltverbände allerdings bisher nie kritisiert hatten: Es geht um die Kanalisierung der Gemeinde Kaltern, bei der das Regenwasser als sogenanntes „Fremdwasser“ bisher nicht getrennt gesammelt wird. Um das zu ändern, erarbeitete die Gemeinde einen „Entwässerungsplan“, der im April 2023 vom Gemeinderat einstimmig genehmigt wurde. 

  • Aktuelle Ausgabe (30.08.2024): Das BVK wirbt mit dem Sammeln von Regenwasser für den Bau der Speicherbecken. Foto: Screenshot

    Dieses Gemeindeprojekt sei problemlos mit dem Bau der sechs Speicherbecken umsetzbar. „Dadurch würden Kanalisierung und Kläranlage wesentlich entlastet und Kosten für die Klärung könnten entsprechend reduziert werden“, erklärt das BVK. Im Klärwerk Tramin fallen pro Jahr rund 500.000 Kubikmeter Fremdwasser aus Kaltern an, laut Schätzungen soll rund die Hälfte davon Regenwasser sein. „Kritische Gegner des Becken-Projekts interessiert dieser Aspekt offensichtlich gar nicht.“ 

    Die Umweltorganisation „Unser Wald“ weist diesen Vorwurf zurück: „Dass in der Gemeinde Kaltern heute noch Regen- und Schmutzwasser durch  gemeinsamen Leitungen fließen und noch nicht getrennt sind, muss wohl als Folge vergangener Entscheidungen der Gemeinde zur Kenntnis genommen werden.“ Andere Gemeinde Südtirols haben bereits umgestellt, daher sei dieses Projekt der Gemeinde zu begrüßen. 

    „Wie es scheint, möchte das BVK nun die Einführung des Trennsystems als seinen Verdienst darstellen.“

    „Wie es scheint, möchte das BVK nun die Einführung des Trennsystems als seinen Verdienst darstellen, weshalb es bedauert, dass dieser Aspekt von den Kritikern der Speicherbecken nicht bedacht wird“, teilt die Initiativgruppe „Unser Wald“ mit. 

    Wenn das anfallende Weißwasser für die Bewässerung der Landwirtschaftsflächen genutzt wird, störe das die Umweltschützer nicht. Ob es die nötige Qualität aufweist, werde sich zeigen. „Auf keinem Fall muss es im Wald gespeichert werden und hektarweise wertvollen Gemeindewald zerstören und versiegeln“, so die Umweltorganisation. 

  • Der Kalterer See: Nach dem Bau der Speicherbecken wollen die Konsortien auf die Ausleitungen aus dem See und aus dem Kalterer Graben verzichten. Foto: Seehauserfoto
  • Der Interessenskonflikt

    Es ist weiterhin offen, ob die Speicherbecken tatsächlich gebaut werden. Eine von der Gemeinde Kaltern eingerichtete Arbeitsgruppe mit verschiedenen Stakeholdern hat noch keine Empfehlungen ausgearbeitet. Der italienische Umweltbund Legambiente hat an die Gemeinde bereits eine schwarze Flagge für das Projekt vergeben. 

    Im Gegenzug hat die Südtiroler Jury für den diesjährigen internationalen Arge Alp Preis das Projekt aus Kaltern vorgeschlagen. Das blieb allerdings nicht ohne Folgen: Aus Protest ist der Direktor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, Flavio Ruffini, aus der Südtiroler Jury ausgetreten. Nun bleibt abzuwarten, ob der zuständige Landesrat für Landwirtschaft, Luis Walcher, weiterhin für das umstrittene Bauvorhaben wirbt. Er selbst besitzt dort zwei Weinberge, auch vier Mitglieder des Kalterer Gemeindeausschusses sind Besitzer landwirtschaftlicher Fläche. 

    Wie der Interessenskonflikt gelöst wird, dürfte nicht nur im Überetsch aufmerksam beobachtet werden. Da mit dem Klimawandel Dürreperioden häufiger zu erwarten sind, stellt sich die Frage nach Speicherbecken auch in anderen Südtiroler Landesteilen. Das Projekt scheint bereits jetzt zum landesweiten Präzedenzfall zu werden – egal wie es ausgeht.