Politik | Interview

„Linke hat Globalisierung unterschätzt“

Niedriglohnland Südtirol? Gewerkschafter Alfred Ebner (AGB/CGIL) analysiert den heimischen Arbeitsmarkt und appelliert wegen der Wohnungsnot an Politik und Unternehmen.
Alfred Ebner
Foto: Seehauserfoto
Bild
Profil für Benutzer WerPram
WerPram Fr., 04.04.2025 - 08:17

Lieber Alfred,

ich erlaube mir zwei Fragenn
Wie hängt die Arbeitsmarktsituation Italiens (prekäre Akademiker:innen als Massenphänomen) mit unserem Arbeitsmarkt zusammen?

Kann die verhaltene Lohnentwicklung in Südtirol auch dem Umstand geschuldet sein, dass das italienische Kollektivvertragssystem nicht auf Besonderheiten von Regionen/Provinzen mit besonderen Arbeitsmärkten ausgelegt ist?

Werner Pramstrahler

Fr., 04.04.2025 - 08:17 Permalink
Bild
Salto User
Luckygirl Fr., 04.04.2025 - 14:58

Wirtschaft UND die Politik MÜSSEN sich ihrer Verantwortung stellen, den Bediensteten einen würdigen Lohn zu bezahlen (und nicht immer nur den schwarzen Peter nach Rom zu schicken, weil es anscheinend nicht möglich ist eine südtiroleigene Lösung zu finden...) und Politik UND Wirtschaft MÜSSEN sich ihrer Verantwortung stellen, dass Menschen in Südtirol auch wohnen können, wenn sie hier arbeiten sollen. Wenn der Ball von der Politik an die Wirtschaft geschoben wird (die Wirtschaft solle höhere Löhne bezahlen) und die Wirtschaft den Ball der Politik zuschiebt (die Politik solle für bezahlbaren Wohnraum sorgen), und sich so beide ihrer ureigenen Verantwortung zu entziehen versuchen, dann wird Südtirol in 20 Jahren ein Land der Greisen sein (wobei es das jetzt schon ist...). Aber so langsam dämmert es sowohl Politik als auch Wirtschaft, dass endlich etwas getan werden muss. Und dass die Wirtschaft machtlos ist, weil die Kollektivverträge italienweit so seien, so kann man das auch nicht so stehen lassen. Es steht in keinem Kollektivvertrag, dass ein Unternehmen nicht auch "etwas" mehr zahlen könnte, oder steht im Kollektivvertrag drin, dass es verboten ist, den Menschen in einer Provinz mit hohen Lebenshaltungskosten aus freien Stücken einen dem Preisniveau der jeweiligen Provinz entsprechenden Lohn zu bezahlen? Jedenfalls so langsam scheint es bei allen angekommen zu sein, dass es so nicht weitergehen kann und dass jetzt alle handeln müssen, und zwar gleich, um das untergehende Schiff noch einigermaßen zu retten...

Fr., 04.04.2025 - 14:58 Permalink
Bild
Salto User
Luckygirl Sa., 05.04.2025 - 09:28

Die Lohnnebenkosten (sprich Sozialbeiträge, Steuern u.a.) sind viel zu hoch, da haben Sie vollkommen recht, Herr Franz. Die Suppe ist da leider schon eingebrockt. Um aus dieser Suppe rauszukommen, helfen jetzt nur noch gemeinsame Anstrengungen aller. Mit "etwas mehr Lohn zahlen können/dürfen" meinte ich besonders finanzielle Anerkennung für durch "echte, ehrliche Mehrleistung", sprich mehr Wertschöpfung generiertem Gewinn, diesen dann anteilsmäßig wirklich an Mitarbeiter, die diesen "erwirtschaftet" haben, weiterzugeben und dies auch finanziell anzuerkennen (so eine Art Gewinnbeteiligung). Ehrliche, reale Leistung (und nicht Freundlwirtschaft, wie sie besonders häufig in Branchen vorkommt, in denen es um viel Geld geht, und dieses Geld da meist nicht aus der eigenen Tasche kommt, sondern "andere", diesem System ausgelieferte Leute, dies dann indirekt bezahlen), sollte in einer ehrlichen Wirtschaft belohnt werden, und ebenso auch Anerkennung und Wertschätzung für diese echte Leistung wäre wichtig (aber bitte nicht "NUR" Anerkennung in Worten, denn davon alleine kann der Arbeitnehmer nicht leben, sondern jetzt auch mal "IN ERSTER LINIE" monetär, es geht jetzt wirklich einmal darum), das spornt an und der Mitarbeiter merkt, dass er diesbezüglich gesehen und honoriert wird. Ich weiß, dass es in Südtirol bereits viele Betriebe, besonders Klein- und Mittelbetriebe, z.B. Handwerksbetriebe gibt, die das bereits so gut als möglich handhaben, weil sie ihren Mitarbeiter auch als "Menschen" sehen, zu dem sie persönlich einen Bezug haben und ihn nicht nur als eine Nummer sehen, wobei es gerade für diese Kleinbetriebe am Schwersten ist, weil sie einfach genauestens kalkulieren müssen...

Freundlwirtschaft wirkt sich auf echte Leistungsträger immer demotivierend aus, wenn ihr erbrachtes "Mehr" an Wertschöpfung dann an andere "Freundln" weitergereicht werden... Es geht also um eine ehrliche, also dem Gegenteil einer faulen Wirtschaft. (wie gesagt: dies kommt vermehrt in Branchen vor, wo es um viel Geld geht, da erwacht die gierige Lust einiger Personen, an diesem Geldtopf ordentlich mitzunaschen...) ich meine da sicher nicht die Klein- und Mittelbetriebe, die sich in dieser Hinsicht oft bereits vorbildlich verhalten, und es gerade diese oft nicht leicht haben, das ist schon klar (Stichpunkt Lohnnebenkosten+nie endende Bürokratie), diese meinte ich vorhin nicht, ok es gibt vielleicht auch da einige schwarze Schafe...

Und weil wir schon bei der Bürokratie sind, diese übermäßige Reglementierung muss endlich aufhören, jedes neue "Mehr" an Bürokratie muss genau überprüft werden, ob dieses Sinn macht, und ob man darauf verzichten kann, oder falls unverzichtbar, zumindest vereinfacht werden kann. Die ganze Bürokratie muss mal durchforstet werden, ob es diese noch so braucht, was ganz weggelassen werden kann oder zumindest vereinfacht werden kann. Und das muss konrekt angegangen werden. Sonst ersticken wir alle irgendwann darin... ich hoffe ich konnte meinen Standpunkt etwas verdeutlichen... Aber es ist gut, wenn die Diskussion eröffnet ist, und jeder seine Ideen einbringt (und alle an einem Strang ziehen, vielleicht bewirkt es was, oder bin ich da viel zu naiv?). Wir müssen nach gemeinsamen praktikablen Lösungen suchen, um aus dieses Suppe endlich rauszukommen. Die Autonomie kann in dieser Hinsicht sicher hilfreich sein, wenn sie uns die Möglichkeit dazu gibt. Bin gespannt, wie da die Ergebnisse der letzten Verhandlungen in dieser Hinsicht konkret aussehen... das könnte unseren Handlungsspielraum in Südtirol erheblich erweitern...
Noch eine Anregung: es gibt den weisen Spruch "Politiker sollten Theologen sein". Bitte denkt bei den Wahlen nach, denn da können wir selbst am meisten mitentscheiden, wer am meisten noch Werte vertritt wirklich zum Wohle aller Menschen im Lande und sich auch aktiv dafür einsetzt und nicht nur in Interviews seine rhetorischen Reden schwingt... ich denke der mündige Wähler hat hier feine Antennen, wenn er sie einsetzt...

und noch ein Gedanke: wir werden wirklich alle versuchen müssen, angesichts der demografischen, politischen und wirtschaftlichen Lage, in der wir uns befinden unser Glück nicht nur mehr in materiellen (Grundbedürfnisse und ein paar kleine Extras ausgenommen), sondern vermehrt auch in anderen kleinen Dingen des Lebens finden müssen und dürfen, die uns mit Freude erfüllen können. Probiert es mal aus, das geht. Es gibt noch andere gute Dinge im Leben außer Fernreisen und sinnlose Statussymbole :-)

Sa., 05.04.2025 - 09:28 Permalink