Kultur | Kino

Berliner Balladen

Eine Kinodokumentation zeigt gegenwärtig (auch in Bozen) den Werdegang der legendären Band "Element of Crime". Ein großer Fan ist mitunter Südtirols Landeshauptmann.
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Foto: Superfilm/ Noel Richter
  • „Ich bin halt ein wirklicher Sven Regener-Fan“, outete sich der deutsche Schauspieler und Regisseur Charly Hübner schon vor sechs Jahren in Bozen bei einem SALTO-Talk im Kino. Nicht nur eingefleischte Literatur- und Musikkenner*innen wissen wer Sven Regener ist (der Rest sollte die Bildungslücke rasch schließen) und eilen seit 1. Oktober in die Kinos. Mit heute auch in Bozen. Gemäß dem Motto: Diesmal, mein Herz, diesmal fährst du mit!

  • Feine Sahne Regisseur: Charly Hübner ist wieder mit einer Musikdokumentation in Bozen. 2018 gewann der Schauspieler beim BFFB den Preis für den besten Dokumentarfilm. Foto: BFFB

    Charly Hübner war bereits im April 2018, im Rahmen der Bozner Filmfestivals, alles andere als halbherzig nach Südtirol gereist und sprach während eines ausführlichen SALTO-Talks zu später Stunde über seinen Film Wildes Herz zur Musikcombo Feine Sahne Fischfilet. Zwei Tage darauf wurde ihm dafür der Preis für den besten Dokumentarfilm zugesprochen. „Mit großem Einfühlungsvermögen“ folge der Film „dem Frontsänger“, vom „hyperaktiven Kind über den radikalen Fußball-Ultra zum aktiven Antifaschisten und Wahlkämpfer gegen Neonazis und Rassisten“, meinte die Jury und lobte die „gelungene Montage“, die „ins Innerste des Lebens und des Denkens des Protagonisten führt.“ 
    Nun lässt Hübner schon wieder eine Band über die Leinwand flimmern, deren Musik und Texte sogar dem Landeshauptmann von Südtirol zusagen. Sein Büro bestätigte bereits 2023 (an einem Dienstag im April) gegenüber SALTO, „dass der Landeshauptmann ein großer Fan von Element of Crime“ sei. 
     

    Ich werd nie mehr so rein und so dumm sein wie weißes Papier 
    (Element of Crime)


    Fan hin oder her: Wer Element of Crime sind und wer sie waren zeigt Charly Hübner in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin. Er folgte der Truppe auf einer speziell für die Großstadt zugeschnittenen Konzerttour, sprach mit den Hauptprotagonisten über die wilden 1980er Jahre, die immer erfolgreicheren 1990er Jahre, über interne Entwicklungen und befragte externe Künstler*innen, denen Element of Crime stets als feines Vorbild diente. Kaum einer anderen deutschsprachigen Band ist es gelungen, nach den vielfach stumpfen deutschsprachigen Texten der Neue Deutsche Welle-Welle, das Niveau mit anspruchsvollen und tiefsinnigen Textbausteinen im zartrockig-melancholischen Kleid (inkl. Trompete, später auch Mund- und Ziehharmonika) derart gefühlvoll unter einen Hut und auf die Bühne zu bringen. Benannt hatten sich die "Elements" nach einem Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier und zogen zunächst in englischer Sprache singend um die Häuser und in die Lande. Musik mit deutschen Texten war verpönt gewesen, erzählen sie dem Regisseur. Doch das änderte sich Anfang der 1990er. Mit ihrem Album Damals hinterm Mond gelang ihnen (zwei Jahre nach der Wende) die sprachliche Kehrtwende.

  • In anderen Sphären: Aufsehenerregende Kinodokumentation für Menschen die feine Musik und nicht plumpe Texte bevorzugen. Foto: Felix Zimmermann

    Charly Hübner lässt sich gerne über die Anfänge erzählen, die für Element Of Crime (EoC) durchaus spektakulär gewesen waren, insbesondere nachdem ausgerechnet John Cale – 1965 Gründungsmitglied von Kultband The Velvet Underground – ihr Album Try to be Mensch produzierte, welches sich gut verkaufte und die Band für eine erste große Tour außerhalb Berlins lockte.
    Berlin, ja Berlin. Der Film beginnt in Berlin, er bleibt und endet dort. Zwar hallt bei Sven Regener manchmal der norddeutsche Slang aus Bremen nach, doch Berlin ist und bleibt die Stadt von Element of Crime und dieses Musikfilms, auch wenn die Band erst nach etlichen Jahren die Stadt besungen hat und Berlin erstmals 1999 im Song Jung und schön textlich einbaute. 
     

    ...und warm sind die Nächte in Berlin.
    wir taumeln durch die Straßen, so als wär'n wir jung und schön. 
    (Element of Crime)


    Nach den warmen Nächten in Berlin zieht der Film einen weiten musikalischen Bogen ins melancholisch dunkle und kalte Berlin und feiert das große Finale in der Zitadelle in Spandau. Dazwischen kommen auch immer wieder junge Musikerinnen und Musiker zu Wort, im Gespräch – oder mit ihrer Musik auf der EoC-Bühne. So sind Maike Rosa Vogel, Isolation Berlin, Von Wegen Lisbeth, Ansa Sauermann, Steiner & Madlaina sowie der in Tirol geborene und aufgewachsene Florian Horwath (Österreichischer Filmpreis 2021 in der Kategorie Beste Musik für Hochwald von Evi Romen) ergänzende Puzzle-Teile von Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin. Freilich, das Gros der genannten Zusatz-Künstler*innen ist eigenartigerweise auch Teil vom Musik-Management Charlotte Goltermanns, der Ehepartnerin von Sven Regener. Goltermann hegt und pflegt Element of Crime seit Ende der 1990er Jahre und hütet das punkig-sanfte Denkmal der edlen Musikherren fein säuberlich. 
    Die junggebliebene Altherrentruppe singt und spielt gerne aus dem Abseits, weil sie vielleicht von dort aus, die beste Sicht auf die Dinge und den besten Platz auf den Mittelpunkt der Welt gefunden hat. Finden Sie ihn auch im Kinosaal.

  • (c) DCM (Filmclub Bozen)

  • Element of Crime - Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin

    3.10. 20:15 (Bozen, Capitol 1)
    4.10.-5.10. 20:00 (Bozen, Capitol 2)
    6.10. 14:15, 18:30 (Bozen, Capitol 2)
    7.10. 20:15 (Bozen, Capitol 1)
    9.10. 18:10 (Bozen, Capitol 2)

    Info und Tickets: Filmclub