Poetisches Bilderbuch
„Lieblingsfarben und Tiere“ nennt sich das Album. In bewährter Manier zwischen Bob Dylan und Tom Waits angesiedelt, schafft Sänger und Texter Sven Regener routiniert einen wortreichen Kosmos, der mit aller Abgeklärtheit eine Flut von brüchigen, poetischen, schrägen und doch wunderschönen Bildern hervorbringt. Wie Romantitel von Johannes Mario Simmel aus den 1970er Jahren mutet der eine oder andere Songtitel an, neben dem Titel gebenden „Lieblingsfarben und Tiere“ findet sich beispielsweise noch „Liebe ist kälter als der Tod“ oder „Am Morgen danach“. Die Meister des musikalischen Understatements zaubern mit ihren Instrumenten, mit ihren verqueren Harmonien und den schiefen Soli, die wie unvermittelte Farbtupfer auf einem Ölgemälde daherkommen: Ob die schmutzige Gitarre sich ihren stolpernden Weg zwischen den Akkorden sucht, oder ob Regener mit seiner Trompete die Melodien aufpeppt, mit schwermütigen Stakkati oder mit langgezogenen mehrstimmigen Klangteppichen.
Schönheit und Schwermut, Coolness und Traurigkeit, Trostlosigkeit und Hoffnung in der allgemeinen Verzweiflung, in solchen Kategorien schwimmen die zehn neuen Songs auf der Platte, reißen wunderbare (Liebes-)Geschichten an und malen inspirierende Bilder an die Wand. Die Lieder wollen nicht die Welt erklären, auch nicht retten, aber in ihrer zeitlosen Eleganz, mit einem konsequenten urbanen Schunkelwitz könnte das neue Album dazu beitragen, dass wir die grauen Novemberwochen durchzutauchen vermögen, dass wir weiter glauben an so etwas wie die Liebe, an das zwischenmenschliche, bisweilen schwierige aber letztlich doch unumgängliche Miteinander. Und bitte welcher Singer-Songwriter deutscher Zunge schafft es ohne rot zu werden bzw. ohne in albernem Pennälerwitz zu versinken, stimmig die Vokabel „Schwachstromsignalübertragungsweg“ in einen Song einzubauen. Das gelingt einfach nur Sven Regener mit seiner Band „Element Of Crime“.
Robert Huez ist Geschäftsführer der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur im Literaturhaus Wien und war jahrelanger Leiter des Vereins der Bücherwürmer in Lana.