Kultur | Offener Brief

„Sehr geehrte Diözesanleitung“

Zum Vorgehen einer Priester-Versetzung nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachten gibt es viel und berechtigte Kritik an Kirche und Führung.
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Foto: SALTO
  • „Ich kann Ihnen dazu leider nicht viel sagen, weil ich an der Entscheidung nicht beteiligt war“, teilt die Amtsleiterin der Diözese Bozen-Brixen, Johanna Brunner, auf Nachfrage von SALTO mit. „Es gibt zum Fall unterschiedliche Ansichten und Meinungen“, schreibt der pädagogische Mitarbeiter Hannes Rechenmacher an SALTO und fügt hinzu: „Um den Opfern gerecht zu werden, möchten wir eine fundierte Meinungsbildung zulassen. Das braucht zumindest ein wenig Zeit.“ Auch Teile der politischen Opposition meldete sich kritisch zu Wort (insbesondere Team K und Grüne). Außerdem wollen zahlreiche Menschen ihren Austritt aus der Kirche einleiten. 
     

    In Ihre Kirchen kommen wir vorerst nicht mehr – und wir bringen auch unsere Kinder nicht, bis die Kirche konsequent für Aufarbeitung sorgt und Missbrauchsopfer schützt.
    [Offener Brief an die Diözesanleitung]


    Seit dem Artikel der ehemaligen SALTO-Chefredakteurin Lisa Maria Gasser am Dienstag in der Neuen Südtiroler Tageszeitung haben zahlreiche Medien die Geschichte zu „Fall 16“ im Missbrauchsgutachten vom Jänner 2025 aufgegriffen. Auch Rai Südtirol stöberte im Archiv und stellte die Schilderung – durchgeführt von der Kanzlei Westpfahl, Spilker und Wastl im Auftrag der Diözese – online, ebenso die rechtfertigenden Worte von Generalvikar Eugen Runggaldier. Der Bischof selbst schweigt, obwohl er ansonsten eher dafür bekannt ist, dass er sich gerne im Licht der Scheinwerfer sonnt. Nicht nur das. In der Tagesschau auf RAI Südtirol hat er beispielsweise (man möchte es kaum glauben) eine Art „Sonntagsabo“. Einmalig im lokalen Medienzirkus.

  • Fragen über Fragen: Was passiert, wenn mächtige Institutionen wie Kirche und Politik aus welchen Gründen auch immer Täter und nicht die Opfer schützen? Foto: SALTO

    „Sie versuchen ja immerhin, die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten“, sagte die Aktivistin Barbara Plagg im zeitgenössischen Streitgespräch mit Bischof Ivo Muser vor genau einer Woche im Beitrag Der Bischof und die Feministin für das Online-Magazin Barfuss. Muser antwortete auf Plagg mit Nachdruck: „Nicht, weil ich gezwungen bin, sondern wirklich aus Überzeugung! Was an Nicht-Gutem geschehen ist, auch durch Menschen in der Kirche, das kann ich nur zutiefst bedauern. Das schafft Leiden für uns alle. Das ist anzuerkennen. Man kann und darf das nicht schönreden.“ Angesprochen auf das veröffentlichte Gespräch mit Südtirols kirchlichem Oberhirten kommentiert Plagg ihr Streitgespräch wenige Tage nach dem Erscheinen folgendermaßen: „Ich habe dem Bischof schon geschrieben, noch bevor der Artikel von Lisa Maria Gasser rauskam“, erzählt die Aktivistin und Wissenschaftlerin. Muser habe sie daraufhin wissen lassen: „Liebe Frau Plagg, Ihre schnellen und verurteilenden Töne verwundern mich sehr.“ Dann verwies er sie auf Generalvikar Runggaldier, da er sich „auf den Weg nach Slowenien“ mache.
     

    Wir erwarten eine Praxis, die Kinderschutz, Transparenz und Konsequenz über interne Rücksichtnahmen stellt und fordern von der Kirche die sofortige Enthebung des Betroffenen von allen seelsorglichen und priesterlichen Diensten.

  • Aktivistin Barbara Plagg: "Wie man sich als Kirche so ungeschickt selbst auf den Altar kacken kann, bleibt mir ein Rätsel." (Im Bild: Barbara Plagg bei den Protesten gegen die Rechts-Rechts-Rechts-Koalition der Südtiroler Volkspartei in Bozen.) Foto: Seehauserfoto

    Plagg räumt auf Nachfrage von SALTO ein, dass sie manchmal schnell und verurteilend sein könne – aber nicht in dieser Angelegenheit. „Ich habe mir das Missbrauchsgutachten und das Kassationsurteil durchgelesen und war schockiert“, sagt sie und kritisiert insbesondere den aktuellen Umgang der Kirche aufs Schärfste. „Das geht schlicht nicht. Es ist nicht nachvollziehbar“, ärgert sich Plagg und ging in die Offensive: „Ich habe gestern einen Offenen Brief aufgesetzt, weil mir so viele Menschen – darunter auch ein Missbrauchsopfer – geschrieben haben, was man denn tun könnte.“ Verärgert zeigt sich Plagg auch über „die weltliche Äußerung des Bürgermeisters von Innichen“, der eine untragbare Täter-Opfer-Umkehr ins Feld führe. „Was wir tun können: das nicht hinnehmen“, schreibt Barbara Plagg kämpferisch auf der Plattform SUSIS. Wer möchte, kann innerhalb heute unterschreiben. Dann wird der Brief an Diözesanleitung und Medien verschickt.