Politik | Brüssel

„EU muss auf eigenen Füßen stehen“

Mit der Wahl zum Vizepräsidenten der EPP Farmers vertritt Siegfried Rinner Südtirols Landwirtschaft in Brüssel und stärkt deren Stimme in der EU-Politik.
SBB
Foto: Gemeinde Kaltern
  • Am 23. September 2025 fand in Brüssel die erste Generalversammlung der EPP Farmers statt, einer Teilorganisation der Europäischen Volkspartei, die die Interessen der Landwirtschaft auf europäischer Ebene vertritt. Zum Präsidenten wurde der österreichische Europaabgeordnete Alexander Bernhuber gewählt, während Siegfried Rinner, Vorsitzender der SVP-Landwirtschaft, einer der bis dato zehn Vizepräsidenten wurde. Rinner erklärt, dass das Ziel der EPP-Farmers, die Stimmen der Landwirtinnen, Landwirte und des ländlichen Raums innerhalb der Europäischen Volkspartei zu bündeln, in deren Entscheidungsprozesse und somit in die europäische Agrarpolitik miteinzubringen. Die Gruppe soll also sicherstellen, so Rinner, dass die Anliegen der Landwirtschaft in Brüssel und Straßburg gehört werden.

     

    Mir geht es darum, dass die bäuerliche Landwirtschaft eine zusätzliche Stimme bekommt.

     

    SALTO: Herr Rinner, wie empfinden Sie die Wahl zum Vizepräsidenten der EPP Farmers?

    Siegfried Rinner: Überraschend war die Wahl nicht. Es sind 15 Vizepräsidenten vorgesehen, zehn haben kandidiert und alle wurden gewählt. Noch ist die Gruppe klein, aber sie wird ernst genommen. Ich hoffe, dass wir in den kommenden Monaten die EVP stärker für die Anliegen der Landwirtschaft und des ländlichen Raums sensibilisieren können. Besonders spannend ist der Austausch mit den unterschiedlichen europäischen Ländern, also mit den Kollegen aus Irland, Rumänien, Ungarn oder Litauen. Diese internationalen Kontakte erweitern den Horizont – deshalb habe ich die Aufgabe auch gerne übernommen.

    Was bedeutet Ihre Wahl zum Vizepräsidenten der EPP Farmers konkret für die Südtiroler Landwirtschaft?

    Ich bin derzeit der einzige italienische Vertreter in dieser neuen Gruppe. Das ermöglicht auch einen engen Austausch mit italienischen Verbänden und Organisationen auf nationaler Ebene. Diese Interessen werden natürlich auch mitvertreten – solange sie den landwirtschaftlichen Interessen Südtirols und generell des ländlichen Raums nicht widersprechen. Ob und wie stark die nationalen Parteien den Kontakt letztlich suchen, wird sich zeigen. Mir geht es darum, dass die bäuerliche Landwirtschaft eine zusätzliche Stimme bekommt, und da nehme ich gerne die Stimme der italienischen Bäuerinnen und Bauern mit in diese neue Gruppe der Europäischen Volkspartei.

     

    Um die europäische Sicherheitslage ist es nicht zum Besten bestellt. Das spürt man auch in Brüssel – die Stimmung ist nervös.

     

    Wie ist der Austausch mit Herbert Dorfmann organisiert?

    Hervorragend. Wir haben uns schon bisher intensiv abgestimmt und das wird sich mit dieser neuen Gruppierung noch verstärken. Natürlich hat er ein breites Aufgabenfeld, das weit über die Landwirtschaft hinausgeht. Aber Landwirtschaft bleibt ein zentrales Thema der europäischen Politik. Gerade in Zeiten, in denen man sieht, dass sich die Welt aufgrund von geopolitischen Spannungen auseinanderentwickelt, ist es essenziell, dass Europa in Bereichen wie Verteidigung, Medizin, Industrie und eben auch Landwirtschaft eigenständig und handlungsfähig bleibt. Mein Ziel ist es, dass die Landwirtschaftspolitik sichtbar und spürbar bleibt innerhalb der Europäischen Union.

    Fällt die europäische Sicherheitslage zu Lasten der Landwirtschaft aus?

    Um die europäische Sicherheitslage ist es nicht zum Besten bestellt. Das spürt man auch in Brüssel, die Stimmung ist nervös. Die Kommissionspräsidentin hat daher ein umfassendes Programm vorgelegt, das alle Politikbereiche in einen Topf wirft. Viele in der EVP, aber auch in anderen Parteien, sind damit nicht einverstanden. Denn damit wird die Politik in Europa verwässert und es entstehen keine klaren Antworten auf die Herausforderungen. Europa muss in allen Bereichen stärker auf eigenen Füßen stehen, auch in der Landwirtschaft und Ernährung. Wir stehen vor turbulenten Zeiten, nicht nur in der Agrarpolitik, sondern in vielen Politikfeldern der EU-Kommission.

     

    Wir brauchen absolute Sicherheit in der Nahrungsmittelversorgung innerhalb der EU und weitreichende Unabhängigkeit – gerade in diesen wirren und unruhigen Zeiten. 

     

    Herbert Dorfmann kündigt in seinem September-Blog über die Politik im Europäischen Parlament an, dass bereits eine erste wichtige Resolution zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verabschiedet wurde. Können Sie kurz erläutern, was darunter zu verstehen ist? 

    Es handelt sich um europäische Strategien zu Landwirtschaft, Umwelt, ländlichen Raum und Ernährungspolitik. Mehrere Politikbereiche werden im gemeinsamen Rahmen einer Europäischen Finanzvereinbarung für den Zeitraum 2028-2034 verhandelt. Im Wesentlichen geht es also um die Diskussion und Verhandlung der Spielregeln, wie die europäischen Zielsetzungen und Finanzmittel in nationalen sowie regionalen Programmen umgesetzt werden müssen – und das betrifft nicht nur die Agrarpolitik, sondern auch Infrastruktur, Industrie, Verteidigung und viele andere Bereiche.

    Welche Schwerpunkte wollen Sie persönlich setzen?

    Wir brauchen absolute Sicherheit in der Nahrungsmittelversorgung innerhalb der EU und weitreichende Unabhängigkeit – gerade in diesen wirren und unruhigen Zeiten. Gleichzeitig müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass wir gerade für Südtirol einen wirtschaftlich starken und lebendigen ländlichen Raum erhalten können. Zudem ist mir auch die bürokratische Entlastung ein großes Anliegen. Wenn es so weitergeht, geht nicht nur die Landwirtschaft in den Regelwerken unter, sondern die gesamte Europäische Union. Regeln sind notwendig, aber sie müssen mit Vernunft, Hausverstand und einer klaren Zielsetzung gemacht werden.