Sport | Taktikanalyse

Eine Halbzeit zum Vergessen

Der FC Südtirol verliert in Catanzaro 0:3. Der Halbzeitstand war dabei auch der Endstand, in den ersten 45 Minuten ging einfach alles schief.
Mateusz Praszelik verzweifelt
Foto: Ufficio Stampa FCS - Foto Bordoni
  • Der FC Südtirol gastierte heute in Catanzaro. Catanzaro das ist die Mannschaft mit dem zweitschlechtesten Angriff (mit Cosenza, beide haben bis dato nur 8 Tore erzielt), zudem mit dem schlechtesten Expected-Goal-Wert der Serie B (5,9). Demgegenüber Südtirol mit dem besten Expected-Goals-Allowed-Wert der Liga – 8,7. Nun was heißt das Alles? Statistisch gesehen, lassen die Südtiroler wenig gute Torchancen zu, Catanzaro war bisher zudem nicht in der Lage, sich gute Torchancen zu erspielen. Insofern konnte man heute eine statistisch klare Angelegenheit erwarten. 

  • Zwei Gründe für die Schwächephase

    Nun war dem auch so, aber aus anderen Gründen. Südtirol bekommt in dieser Saison sehr viele Gegentore nach Standardsituationen, in der Regel sind dabei viele Spieler im Strafraum, der Torabschluss führt unter diesen Gesichtspunkten also unwahrscheinlich zum Torerfolg. Dennoch hat der FC Südtirol bisher in dieser Saison nach 9 Spielen 14 Gegentore bekommen. Wie lässt sich das also interpretieren? Pech? Ja, vielleicht ein bisschen. Aber Standardsituationen heißen nicht ohne Grund so. 

    Das sind nämlich Situationen, die durch (de facto) immer gleiche Parameter bestimmt sind. Man kann sowas also trainieren, sowohl offensiv wie defensiv. Das hat der FCS nach Aussage von Trainer Federico Valente getan. Und dennoch war das 1:0 heute gegen Catanzaro wieder Folge eines indirekten Freistoßes. Offenbar wird also im Spiel nicht gut genug, konzentriert genug, verteidigt. 

    Zweiter wesentlicher Punkt und Grund für die Niederlage in Catanzaro ist die Defensivarbeit (im laufenden Spiel). Wir haben vor kurzem erst die Lücken im FCS-Pressing aufgezeigt, kurz: Südtirol hat Probleme, die Räume zwischen den Linien zu versperren. Heute war die Ursache die Pressingformation: Sehr häufig, vor allem zu Beginn, presste der FCS im 5-2-2-1, die Doppel-6 – Arrigoni und Molina – mussten in dieser Formation sowohl die Tiefe, als auch die Breite absichern. 

  • Der FCS im Pressing: Gegen Catanzaro verteidigte Südtirol (zu Beginn) im 5-2-2-1. Catanzaro konnte sich aber immer wieder spielerisch daraus befreien. Der Zwischenlinienraum wurde dafür ständig besetzt (rot). Foto: SALTO
  • So klingt das wie ein hoffnungsloses Unterfangen – warum sollte jemand überhaupt so einen riskanten Pressingansatz wählen? Nun, die Idee war offenbar, Catanzaro durch hohes Pressing früh unter Druck zu setzen, es zu Fehlern zu zwingen und so zu Torchancen zu kommen. Das gelang aber nicht, weil sich die Gastgeber sehr gut und sehr oft spielerisch aus dem Angriffspressing befreien konnten. Dies gelang entweder über Jacopo Petriccione (alleiniger Sechser vor der Abwehr) oder über vertikale, die Linien brechende, Zuspiele auf die Stürmer Iemmello und La Mantia. Ohnehin besetzte Catanzaro den 10er-Raum sehr gut, meistens mit gleich mehreren Spielern, denn auch Pontisso (nominell auf der 8er-Position) rückte bei Ballbesitz sehr häufig nach vorne in den Zwischenlinienraum. Durch den fehlenden Zugriff wurde Südtirol nach hinten gedrängt und mit Ball dominiert. 

  • Südtirols Schwächen mit Ball - immer noch keine Besserung in Sicht!

    Die ersten 15 Minuten fand Südtirol zu keiner längeren Ballbesitzphase, Catanzaro schnürte die Südtiroler förmlich ein. Erschwerend hinzu kam dann auch noch der Umstand, dass der FCS unter Valente bis dato keine guten Offensivstrukturen herzustellen vermag. Wichtige Zonen werden nicht besetzt, Bewegungen der Angreifer sind nicht gut abgestimmt und wichtige (weil gute) Spieler werden nicht ausreichend ins Spiel eingebunden.

    Federico Valente hat heute zwar durchaus Mut bewiesen (der vor einer Woche noch zu bemängeln war), die riskante Spielweise wurde allerdings gnadenlos bestraft. Gewiss, die vielen Ausfälle (zum Beispiel jener von Kapitän Fabian Tait) kamen erschwerend hinzu, die Nominierung Molinas auf der Doppel-6 war aber beispielsweise keine gute Maßnahmen, zumal sie nicht in die strategische Ausrichtung heute passte. Südtirol fehlen darüber hinaus nach wie vor – ich weiß, ich wiederhole mich – die offensiven Ideen, Mittel und Prinzipien, um in Phasen, wo das Spiel nicht nach Plan verläuft, eine Alternative parat zu haben. Ein Beispiel:

  • Südtirol mit Ball, aber ohne Prinzipien: Eigentlich bewegte sich Casiraghi in dieser Szene sehr gut in den Zwischenlinienraum, Molina (am Ball) sieht ihn auch, allerdings ist das Zuspiel nicht möglich, die Mitspieler verhindern es. Masiello müsste etwas nach innen rücken, um den Gegenspieler zu binden, das Passweg auf Casiraghi würde offen. Foto: SALTO
  • Masiello müsste nach innen rücken, um die Aufmerksamkeit des Gegenspielers auf sich zu ziehen. Das Zuspiel auf Casiraghi würde dadurch (vermutlich) möglich. Ein zusätzlicher Lauf von Arrigoni in den Raum vor sich würde zusätzlich Gegner binden. Das lässt sich während des Spiels natürlich nicht so coachen, aber genau deshalb gibt man den Spielern Prinzipien an die Hand, die sie dann anwenden müssen. Entweder gibt es diese Offensivprinzipien (noch) nicht, oder die Spieler haben sie noch nicht verinnerlicht. So oder so, eines ist sicher: Das Trainerteam ist gefragt!