Der Kultur auf der Spur
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Es war Ende der 1990er Jahre, als ich begann regelmäßig im Bozner Waltherhaus ein- und auszugehen. Nicht im Theatersaal, sondern in einem der darüber liegenden Büros war ich mehr als beschäftigt – zunächst ehrenamtlich für die Südtiroler HochschülerInnenschaft im Vorstandskollektiv, dann als hauptamtlicher Mitarbeiter. Die frühe Geschichte meiner Arbeitsstätte im Kulturhaus und seines Initiators war mir nicht im Detail bekannt gewesen, ebenso wenig die Gemeinsamkeiten der Mitte der 1950er Jahre gegründeten Südtiroler Hochschülerschaft und dem Südtiroler Kulturinstitut. Doch langsam aber sicher rückte das Kulturinstitut immer stärker in mein Bewusstsein. Ich besuchte Aufführungen auszeichnender Gastspiele, erfuhr, was sich hinter dem langen Kürzel JuKiBuZ verbirgt, lernte die Sprachstelle kennen und viele andere Vereine und Organisationen, die im Waltherhaus tätig waren. Ich hatte mich damals schon aufgemacht, um mehr über die Verbindung der Kulturvereinigung und des Studierendenvereins zu erfahren, und fand im Geistlichen Josef Ferrari einen gemeinsamen Wegbereiter und Gründervater. Er stand den Studierenden ebenso wie den engagierten Kulturschaffenden mit Rat, Tat und Gebet zur Seite, insbesondere beim Organisieren und Abwickeln wichtiger Tätigkeiten – vor allem in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse in Italien.
Es war zu einer Zeit entstanden, als Südtirol politisch und kulturell unter starkem Druck stand, vor allem durch die italienische Regierung, die die Region zunehmend italianisierte.
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Bald schon kam zu gemeinsamen Veranstaltungen, wie etwa den sogenannten Meraner Hochschulwochen, einem akademischen Stelldichein auf hohem Niveau, das für den lokalen Kulturbetrieb aufbereitet wurde. „Wenn auch das Südtiroler Kulturinstitut die Gesamtheit des Südtiroler Kulturlebens im Auge hat, so bleibt doch die Beratung und Betreuung unserer Hochschüler eine der wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben, mit der sich das Südtiroler Kulturinstitut befassen will und für die es gegründet wurde“, notierte das Tagblatt Dolomiten am 14. September 1954 im Rahmen der Berichterstattung zur ersten Ausgabe der Hochschulwochen, die unter dem Titel Gesetz und Freiheit im abendländischen Denken abgehalten wurden. Die Veranstaltung gilt als der offizielle Startschuss für das Südtiroler Kulturinstitut, welches sich nur wenige Monate zuvor, am 18. Februar 1954, offiziell gegründet wurde und sich insbesondere der „Pflege europäischen Denkens“ und der „Förderung des Kulturlebens“ verschrieben hatte. Als „eine auf die Ganzheit des deutschen Kulturlebens in Südtirol ausgerichtete Arbeitsgemeinschaft“ setzte das Südtiroler Kulturinstitut entsprechende Schritte, um das vielversprechende Ziel zu erreichen, um „jene Lücken auf geistig-kulturellem Gebiet zu schließen“, welche die Diktaturen von Faschismus und Nationalsozialismus aufgerissen hatten. Die Hochschulwochen in Meran sollten bis 1970 die bedeutendste Veranstaltung des Südtiroler Kulturinstituts bleiben, doch mit dem Umbruchdenken der 68er-Studierenden verschwanden „der alte Mief“ und die Hochschulwochen bald leise und schnörkellos aus dem lokalen Kulturkalender. Im Jahr 1970 war Schluss. Die Betreuung „der studierenden Jugend durch die Vermittlung von Studienbeihilfen“, sowie „die Anerkennung österreichischer akademischer Grade in Italien“ blieben allerdings weitere zwei Jahrzehnte zentrale Hauptaufgaben des Südtiroler Kulturinstituts.
Dass sich Kultur im stetigen Wandel befindet, musste das Kulturinstitut immer wieder erfahren. Es war zu einer Zeit entstanden, als Südtirol politisch und kulturell unter starkem Druck stand, vor allem durch die italienische Regierung, die die Region zunehmend italianisierte. Und so war es vor allem als Reaktion auf die Sorge um den Erhalt der deutschen Sprache und Kultur in Südtirol gegründet worden und war über Jahre hinweg ein wichtiges Instrument, um mit einem vom deutschsprachigen Ausland (mit-)bezuschussten Kulturangebot die kulturelle Identität der deutschsprachigen Bevölkerung zu bewahren. Mit den 1970er Jahren begann sich das politische und kulturelle Klima zu ändern, es kam zum 2. Autonomiestatut und zu neuen Befugnissen. Das machte sich auch im Kulturinstitut bemerkbar und das Angebot erweiterte sich mit einer Vielzahl an kultureller Aktivitäten, darunter Vorträge, Musikkurse, Tagungen, Ausstellungen und Theateraufführungen. Außerdem wurden regelmäßig wissenschaftliche Arbeiten und Veröffentlichungen unterstützt – insbesondere im Bereich der Südtiroler Geschichte und Kultur. Das ist bis heute so.
Schließlich ist sie, die Kultur, nicht nur Teil einer großen europäischen Idee, sondern zentrale Säule.
Marjan Cescutti, ein Urgestein im Südtiroler Kulturinstitut kann viel zu den frühen Jahren im Kulturinstitut erzählen. Nachdem ihn der spätere Landesrat Anton Zelger während des Schulunterrichts auf die Kulturvereinigung aufmerksam gemacht hatte, entschloss Cescutti im Jahr 1961 Mitglied des Vereins zu werden, ohne zu ahnen, dass er Jahrzehnte später zum Präsidenten gewählt werden und dieses Amt von 1999 bis 2014 bekleiden würde. Cescutti erinnert an erste Veranstaltungen im legendären Petersaal, an zahllose Ausstellungen, an den Langzeitpräsidenten Josef Waldthaler und insbesondere an die unzähligen landeskundlichen Tagungen, die ihm immer ein besonderes Anliegen waren. In der Rückschau unterstreicht er die Kernaufgabe des Kulturinstituts, die damals wie heute heiße: „Die Grenzen offen halten und sicherstellen, dass deutschsprachige Kultur in Südtirol präsent bleibt.“
Seit sieben Jahrzehnten spielt das Südtiroler Kulturinstitut eine wichtige Schlüsselrolle bei der Vernetzung des Landes mit dem deutschsprachigen Kulturraum und trägt wesentlich zur Förderung kultureller Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Region bei. Dafür engagieren sich inzwischen auch die 2001 gegründete Sprachstelle, die auf Augenhöhe mit den lokalen Sprecherinnen und Sprechern die kleinen Nuancen und größeren Veränderungen der deutschen Sprache beobachtet, begleitend erörtert und mit einem abwechslungsreichen Angebot bereichert, sowie das JuKiBuZ. Es bringt Kindern die deutsche Sprache lesend, zuhörend und spielerisch näher, sichert somit den pädagogisch wertvollen Unterbau in Sachen Kultur für die Zukunft. Schließlich ist sie, die Kultur, nicht nur Teil einer großen europäischen Idee, sondern zentrale Säule.Weitere Artikel zum Thema
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Herr Hanni, es freut mich sehr, dass Sie immer große Freude am Kulturinstitut hatten. Auch ich habe oft die organisierten Theateraufführungen besucht. Doch irgendwie hatte das Ganze für mich stets einen leicht braunen Beigeschmack gehabt. Von der Liste der Honoratioren bei der Gründung fehlt nur die Hofrätin Stadlmeier.
In diesem Zusammenhang kam mir in Bezug auf das Südtiroler Kulturinstitut immer der berühmte Satz aus Schlagerer von Hans Jost in den Sinn: „Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meinen Browning.“
Antwort auf Herr Hanni, es freut mich… von richter a
Statt von Kultur würde ich…
Statt von Kultur würde ich eher von Propaganda sprechen. Und dass die Propaganda damals gefährlich nach rechts tendierte, ist klar, das war die natürliche Ordnung der Dinge.
Sie haben Viktoria Stadlmayer zitiert: Das Dramatische ist nicht, dass sie damals führend war, sondern dass sie heute gefeiert wird, obwohl sie zu den Tätern gehört.
https://salto.bz/de/article/07042024/la-germania-si-che-ha-fatto-i-conti
Antwort auf Statt von Kultur würde ich… von Luca Marcon
& Marcon Ich glaube schon,…
& Marcon
Ich glaube schon, dass es sich eher um Kultur handelt. Der Satz wird eigentlich Goebbels zugeschrieben. Man muss sich in die Zeit versetzen: Es war der Aufbruch zu einem neuen Zeitalter und neue Kultur.
Was Frau Hofrätin Stadelmayer betrifft – eine sehr intelligente Frau, die von der Erinnerungslücke in Österreich sehr profitiert hatte. Leider kein Einzelfall; das ist aber nicht nur ein österreichisches Phänomen.
Antwort auf & Marcon Ich glaube schon,… von richter a
"Leider kein Einzelfall; das…
"Leider kein Einzelfall; das ist aber nicht nur ein österreichisches Phänomen."
Das ist sicher nicht nur ein österreichisches Phänomen. Aber es ist die Südtiroler Geschichte, die dieses Phänomen einzigartig macht. In Deutschland wäre so etwas - heute einen Henker von gestern zu feiern - gar nicht möglich.
Jedes Volk hat das Recht,…
Jedes Volk hat das Recht, seine eigene Kultur zu pflegen.
Und in Wirklichkeit ist es gerade die ständige Bedrohung der Kultur, die extremistische Gedanken in ihrer Bevölkerung befeuert.