Kultur | Salto Afternoon

Mit anderen Augen

Im Rahmen des traditionellen Pressefrühstücks stellte das Südtiroler Kulturinstitut die Spielzeit 2023/24 vor. Und ließ die Puppen tanzen.

„Zeitgeist? Die richtigen Leute? Die Notwendigkeit?“ stellt sich Manuela Linshalm selbst die Fragen, auf die eigentliche Frage, weshalb das Puppenspiel seit geraumer Zeit eine Renaissance erlebt. Linshalm ist aus Wien angereist, absolvierte ihre Schauspielausbildung am Franz Schubert Konservatorium und arbeitet viel mit dem bekannten Puppenspieler, Kunstpfeifer und Regisseur Nikolaus Habjan zusammen. Seit 2009 ist sie kontinuierlich als Puppenspielerin am Schubert Theater Wien zu sehen, u.a. mit dem Figurentheater-Solostück Die Welt ist ein Würstelstand, deren Hauptprotagonistin sie mit zum heutigen Pressefrühstück (31.8.) des Südtiroler Kulturinstitutes (SKI) nach Bozen gebracht hat.
 

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Dreamteam: Manuela Linshalm mit Puppe / Foto: Salto.bz


„In Österreich war beispielsweise der Kasperl eine politische, sozialkritische Figur, die im Lauf der Zeit mundtot gemacht wurde, die plötzlich nicht mehr als kritische Theaterfigur aufgetaucht ist“, erzählt Linshalm zur Geschichte der einst wichtigen und weit verbreiteten Puppenfigur in Österreich. Die engagierte Puppenspielerin freut sich jedenfalls sehr darüber, „dass diese besondere „Ausdrucksform des Schauspiels zum Glück wieder in den Erwachsenenbereich zurückgekehrt ist, ob als Sprechtheater, in der Oper, oder als reines Figurentheater.“ 
 

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Um keine Antwort verlegen: Interview mit Rai Südtirol / Foto: Salto.bz


Mit anderen Augen blickt das SKI auf die kommende Saison. Namengebend ist eine Theatercollage aus Songs, Texten, Bildern, Klängen und Sinneseindrücken von Selen Kara und Torsten Kindermann, die auf poetische Weise in die Welt der Blindheit eintauchen wird. Die Zusammenstellung des gesamten SKI-Theaterprogramms ist wie immer ein Querschnitt durch alle großen Ensembles im deutschsprachigen Raum. „Das ist fußballerisch gesprochen die Champions League“, gibt sich SKI-Direktor Peter Silbernagl bescheiden. Angesprochen auf die Rückkehr des Puppentheaters, gibt er sich hingegen euphorisch. „Wir hatten bereits in den letzten Jahren immer wieder Angebote, die in Richtung Puppentheater gingen. Aber es stimmt schon, die Puppe kommt jetzt erneut in den klassischen Theaterapparat zurück.“
 

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Groß und Klein: Neben den großen Bühnen sind auch wieder kleinere Privattheater wie das erstmals eingeladene Schubert Theater aus Wien und herausragende Kompanien wie Familie Flöz zu Gast.   / Foto: Salto.bz


Unter den 14 Theaterstücken, die das SKI für die Spielzeit ausgewählt hat, ist Zeitgenössisches mit fünf Uraufführungen und einer deutschen Erstaufführung vertreten. Dazu zählen neben der Theatercollage Mit anderen Augen auch Suse Wächters Stück Brechts Gespenster, ein Schau- und Puppenspiel, inszeniert am Berliner Ensemble, oder auch Robert Ickes Drama Die Ärztin, frei nach Arthur Schnitzler. Mit Herkunft von Sasa Stanisic (Münchner Volkstheater) und Der Nazi & der Friseur von Edgar Hilsenrath (Staatsschauspiel Dresden) stehen zwei Roman-Adaptionen auf dem Gastspielprogramm und mit Das perfekte Geheimnis von Paolo Genovese (St. Pauli Theater) und Der Große Diktator von Charlie Chaplin (Theater in der Josefstadt) zwei Film-Adaptionen. Neben Zeitgenössischem sind auch Klassiker wie Sophokles' Ödipus (Düsseldorfer Schauspielhaus) und Molieres Der Geizige (Thalia Theater, Hamburg) zu sehen. Dario Fo und Franca Rame sind mit Offene Zweierbeziehung (Schauspiel Stuttgart) als Klassiker der Moderne vertreten. 
Neben Bozen, Meran, Brixen, Schlanders und Bruneck kommt Sterzing als neuer Spielort hinzu, wo Thomas und Arthur Thieme mit Faust hoch 2 auftreten werden. Neu ist auch die Zusammenarbeit mit dem Teatro La Ribalta anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung sowie mit den Vereinigten Bühnen Bozen im Rahmen der Sonderaktion Musiktheater. Das Programm für Kinder und Jugendliche am Vormittag reicht vom Kindermusical Alice im Wunderland oder der Weihnachtslieder-Schatzkiste mit Marko Simsa bis zum Jugendstück Nina und Paul oder einer für Jugendliche geeigneten Version von Friedrich Schillers Kabale und Liebe.
 

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Jubiläen: Anlässlich des 100. Geburtstags von Maria Callas ist das Stück „Meisterklasse" von Terrence McNally zu sehen. An den 100. Todestag von Franz Kafka erinnern Michael Dangl und das Amatis Trio bei einer Lesung mit Musik. Das Jubiläumsprogramm „50 Years" der Stiftung Mummenschanz eröffnet das Jahr 2024, in dem das Südtiroler Kulturinstitut sein 70-jähriges Bestehen feiert / Foto: Salto.bz