Sellner kommt nach Bozen – angeblich

-
Dass Jürgen Wirth Anderlan gute Kontakte zu Martin Sellner, Mitbegründer und langjähriger Sprecher der Identitären Bewegung, pflegt, ist kein Geheimnis. Ebenso wenig, dass sich der ehemalige Schützen-Kommandant offen hinter die „Remigrationspläne“ Sellners stellt – und bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Landtag zur Sprache bringt.
Internationales Aufsehen erregte Sellner mit seinem Konzept, wie Migration gestoppt beziehungsweise umgekehrt werden könnte, nachdem das Medienunternehmen Correctiv die Enthüllungsgeschichte über das sogenannte Potsdamer Treffen veröffentlichte. Bei dem Treffen, das im November 2023 stattfand, soll sich die rechte Szene ausgiebig mit dem Thema „Remigration“ beschäftigt haben. Laut Correctiv sollte dabei die Ansiedlung von Migrantinnen und Migranten rückgängig gemacht werden – auch jene von „nicht assimilierten Staatsbürgern“. Sellner habe demnach sogar einen „Masterplan“ zur Ausweisung deutscher Staatsbürger vorgestellt. Inzwischen mussten Correctiv sowie weitere Medienunternehmen wie ZDF und NDR, die die Aussagen inhaltlich übernommen hatten, diese teilweise nach Klagen und den anschließenden Urteilssprüchen zurücknehmen.
-
Einreiseverbot
Der 36-jährigen in Wien geborene Aktivist hat in mehreren Ländern Einreiseverbote aufgrund seiner rechtsextremer Aktivitäten und als Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erhalten. Bereits 2018 verweigerten ihm die britischen Behörden mehrfach die Einreise und verwiesen ihn des Landes. Im Juni 2019 verhängte das britische Innenministerium schließlich ein unbefristetes Einreiseverbot. Auch die USA untersagten ihm im März 2019 die Einreise und entzogen ihm sein Langzeitvisum, nachdem bekannt wurde, dass er eine Spende des Christchurch-Attentäters Brenton Tarrant angenommen hatte. Im März 2024 erließ die Stadt Potsdam ein Einreiseverbot nach Deutschland gegen Sellner mit Verweis auf § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Anlass war dessen Rede in Potsdam zur „Remigration“. Nach einem Eilantrag wurde das Verbot im April 2024 vorläufig ausgesetzt. Ende Mai 2024 entschied das Verwaltungsgericht Potsdam, dass das Verbot rechtswidrig sei, da die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. In der Schweiz wurde Sellner im Oktober 2024 die Einreise temporär untersagt, nachdem er eine Veranstaltung im Kanton Zürich geplant hatte. Trotz des Verbots reiste er ein und wurde am 19. Oktober 2024 an der Schweizer Grenze festgenommen. Beim „Remigration Summit“ von vor einer Woche in Gallarate gab es zwar Proteste von mehreren gemeinnützigen Organisationen und linksgerichteten Parteien, nichtsdestotrotz konnte die Versammlung der Rechtsextremen aus allen Teilen Europas und der Welt ohne gröbere Zwischenfälle stattfinden.
-
Die ursprüngliche Wirkung des Berichts blieb dennoch nicht aus: Hunderttausende Menschen gingen in Deutschland auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Sellner selbst wurde in der Folge in einem Atemzug mit nationalsozialistischen Plänen genannt. Unter anderem rückte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser das „Geheimtreffen“ in die Nähe der Wannseekonferenz, bei der am 20. Januar 1942 hochrangige NS-Funktionäre die „Endlösung der Judenfrage“ – die millionenfache Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden – beschlossen hatten.
-
-
Noch vor einer Woche hat Sellner beim umstrittenen „Remigration Summit“ im lombardischen Gallarate (Provinz Varese) teilgenommen – Jürgen Wirth Anderlan war aufgrund einer gerissenen Achillessehne verhindert, wie er in einem Facebook-Video erklärte. Nun macht der Kopf der „Neuen Rechten“ angeblich einen Abstecher nach Bozen: Am morgigen Freitag, dem 23. Mai, will er dort sein Buch „Remigration. Ein Vorschlag“ vorstellen – so legt es zumindest der Post nahe. Wo genau die Veranstaltung stattfinden soll, wird nicht genannt – nur dass die Karten im Nu ausverkauft waren. Wie Christoph Franceschini in seinem Bericht, der heute in der Neuen Südtiroler Tageszeitung erschienen ist, schreibt, wurde die Quästur von Bozen über die Veranstaltung informiert – die Sonderabteilung DIGOS beobachte die Situation aufmerksam. Laut Informationen von SALTO hatten die Veranstalter allerdings erhebliche Schwierigkeiten, einen Veranstaltungsort zu finden – ob Sellner also tatsächlich kommt oder nur eine Video-Aufzeichnung gestreamt wird, steht also noch nicht fest. Wie Anderlan nämlich vor Kurzem gepostet hat, hat das Waltherhaus den Saal storniert, in welchem die Lesung hätte stattfinden sollen. „Wir haben aber noch einen Plan B, C, D und F“, so Anderlan, der sich von Absagen nicht abschrecken lassen will.
-
Beschämend
Der Meraner Schulsozialpädagoge Thomas Kobler findet es beschämend, was Jürgen Wirth Anderlan – immerhin ein gewählter Abgeordneter des Südtiroler Landtags – „aufführt“. Sollte die Abhaltung solcher Veranstaltungen seiner Meinung nach verboten werden? „Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Parteien wie die AfD verboten werden sollten“, so Kobler klar und deutlich. Schließlich sei es das Ziel solcher Parteien und Gruppierungen, die Demokratie abzuschaffen. Im Fall von Sellner gehe es zudem nicht um irgendeinen Rechtspolitiker, sondern um einen „verurteilten Neonazi, der kranke Deportationspläne unter die Menschen bringen und damit die Werte zerstören will, auf denen unsere Demokratie beruht“, betont der Schulsozialpädagoge. Seiner Meinung nach dürfe man einer solchen Person weder eine Plattform bieten noch sie nach Südtirol einladen.
„Solchen Aktivisten darf man nicht mit Wohlwollen begegnen.“
„Solchen Aktivisten darf man nicht mit Wohlwollen begegnen“, sagt Kobler mit Verweis auf bestehende Einreiseverbote. Zwar verschaffe man den Veranstaltern durch Gegendemonstrationen und Protestaktionen oft zusätzliche Aufmerksamkeit – was auch Teil ihrer Strategie sei –, dennoch müsse man klar Stellung beziehen und sich deutlich dagegen aussprechen. Deutlich Position bezogen hat inzwischen auch die Antifa Meran, die in einem Beitrag auf die geplante Veranstaltung hinwies:
-
„Werden ihm Auftritt versauen“
Genauso deutlich fällt die Stellungnahme des renommierten Historikers Hannes Obermair aus, der auf Nachfrage erklärt: „Wir haben nichts, aber rein gar nichts dagegen, wenn Herr Sellner bei JWA sein Frühstück einnimmt. Auch Mittag- und Abendessen, ebenso ein Nachtlager seien ihm vergönnt. Auch mag er gerne sein Remigrationsbuch dem Südtiroler Freunde mit inniger Widmung überreichen. Einen öffentlichen Auftritt werden wir ihm freilich versauen. Rechtsextremisten, antisemitisch, völkisch und homophob gestimmte Rassisten haben keinen Platz in unserer Gesellschaft – sie sollten tunlichst an den Ort ihrer ‚Abstammungsgemeinschaft‘ remigrieren.“
-
Man muss Martin Sellner…
Man muss Martin Sellner nicht mögen bzw. man kann ihn strikt ablehnen, aber solange die Frage der Illegalen Migration mit all den negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung vor allem auf Frauen und Kinder nicht zufriedenstellend gelöst ist, (wobei Südtirol bis jetzt noch eine relative Insel der Seligen darstellt) wird das ganze bashing Sellners nichts nutzen, zumal er davon noch profitiert, wenn ihm Falsches unterstellt wird. So ist er eben nicht als Neonazi verurteilt, die Reiseverbote lassen sich nicht halten weil er keine Straftaten begangen hat (bloße Gesinnung ist nicht verboten) und der Zusammenhang mit der Wannseekonferenz (Judenvernichtung !!?) ist mit bloßem Auge als NS-Verharmlosung zu erkennen. Das alles kann er für sich ausnutzen.
Wie gesagt, das Problem der ungeregelten Einwanderung ist da und wenn es nicht gelöst bzw. sogar noch ignoriert und schöngeredet wird, habe ich die Befürchtung, dass es noch zu größeren Kulturkämpfen und gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen wird, wo dann Martin Sellner das kleinste Problem darstellen wird.
Ja diese Befürchtung habe ich.