Politik | Wohnbaugesetz

Kommunistengesetz und Stadel-Paragraph

Zwischen Bauernlobby, Raumordnung und Wohnbauförderung: Eine Debatte, die mehr ist als nur Symbolpolitik – und bei der es Waltraud Deeg fast vom Stuhl riss.
Deeg Noggler Wohnbau
Foto: Screenshot Live-Aufzeichnung der Sitzung/Südtiroler Landtag
  • In den vergangenen Wochen wurde heftig Staub aufgewirbelt: Im Zentrum der hitzigen Diskussionen rund um die geplante Wohnreform stand vor allem ein symbolisch aufgeladener Passus – der sogenannte Stadel-Paragraph. Die Debatte darüber dominierte die öffentliche Wahrnehmung, obwohl die Reform ein weit größeres Themenfeld abdeckt. An vorderster Front der Kritik: die Grünen und der Südtiroler Heimatpflegeverband, die hinter dem Paragraphen ein „Geschenk“ an die Bauernlobby vermuten.

  • Wohnreform

    Heute (5. Juni) hat im Südtiroler Landtag die Debatte über die Wohnreform begonnen. Ziel des Gesetzes ist es, leistbaren Wohnraum zu schaffen – unter anderem durch eine Verlängerung der Sozialbindung auf 20 Jahre, strengere Maßnahmen gegen Zweckentfremdung, die 100-prozentige Konventionierung neuer Wohnungen und Förderungen für den gemeinnützigen Wohnbau. Mehr als 120 Änderungsanträge wurden eingereicht. Die Abstimmungen dürften sich morgen bis in die Nachtstunden hinziehen.

  • Doch worum geht es beim berüchtigten Stadel-Paragraphen eigentlich – und handelt es sich tatsächlich um eine einseitige Bevorteilung der Landwirtschaft?

    Bereits Anfang April hatte sich der II. Gesetzgebungsausschuss des Landtags mit der Wohnbaureform befasst. Auf Antrag der beiden SVP-Abgeordneten und Bauernvertreter Franz Locher und Sepp Noggler wurde eine Neuauflage des viel diskutierten „Stadel-Artikels“ eingebracht. Dieser sah vor, ungenutzte landwirtschaftliche oder gewerbliche Kubatur bis zu 2.000 m³ in konventionierten Wohnraum umzuwandeln – auch außerhalb der von den Gemeindeentwicklungsprogrammen definierten Siedlungsgrenzen. Der Vorschlag wurde mit 4:4 Stimmen im Ausschuss angenommen. Doch der interne Widerstand ließ nicht lange auf sich warten: Landesrat Peter Brunner und Landesrätin Ulli Mair legten umgehend den Rückwärtsgang ein und signalisierten deutlich, dass sie die Änderung in dieser Form nicht mittragen würden. Die Kritiker sahen durch den Vorschlag das gesamte Gemeindeentwicklungskonzept ausgehebelt und warnten vor einem weiteren Durchmarsch der Bauernlobby. Doch diese holte heute zum Gegenschlag aus und verwies auf die weitreichenden Möglichkeiten im Tourismusbereich.
     

  • SVP-Landtagsabgeordneter Sepp Noggler: „In der Stadt ist alles möglich, in den Landgemeinden so gut wie nichts.“ Foto: Seehauserfoto

    Der alte „Polit-Haudegen“ Sepp Noggler wurde in seiner Grundsatzrede deutlich: Nicht nur richtete er scharfe Worte gegen die Grünen, sondern auch gegen das Raumordnungsgesetz von 2018, das er als „Kommunistengesetz“ bezeichnete – seine Sitznachbarin Waltraud Deeg wäre beinahe vom Stuhl gefallen ob solcher Schimpftiraden. Das Gesetz sei ein Fehler gewesen – früher, so Noggler, habe man gewusst, „woran man war“. Sein Vorwurf: In der Stadt Bozen sei es problemlos möglich, tausende Wohnungen zu planen – auf dem Land hingegen sei nicht einmal der Ausbau eines kleinen Dachgeschosses realisierbar. „In der Stadt ist alles möglich, in den Landgemeinden so gut wie nichts“, so Noggler. Als Beispiel führte er eine kleine Vinschger Fraktion an, in der eine leerstehende Tischlerei nicht zu Wohnraum umgewidmet werden durfte – die betroffenen Personen mussten in die Stadt abwandern. „Die Politik bestimmt, was der Eigentümer tun darf – und nicht der Eigentümer selbst“, klagte er. Alles sei reguliert, außer im Tourismus: „Dort geht alles.“ Noggler sieht darin ein Grundsatzproblem: Wird der ländliche Raum weiterhin so stark eingeschränkt, drohen kleine Weiler zu verschwinden. „Wollen wir das wirklich? Oder sollte man nicht auch auf dem Land ein Mindestmaß an Bautätigkeit ermöglichen?“

  • Andreas Leiter Reber, Landtagsabgeordneter der Freien Fraktion: „Alle starren gebannt auf den Stadel, während im Tourismus ungehindert umgewidmet wird.“ Foto: Seehauserfoto
  • Vom Stadel-Paragraph zum HGV-Paragraph

    Auch Andreas Leiter Reber, Abgeordneter der Freien Fraktion, sieht im sogenannten Stadel-Paragraphen eine Scheindebatte. In Wahrheit sei es ein „HGV-Paragraph“, sagt er – denn wer touristische Kubatur besitzt, könne heute alles umwidmen: alte Garnis, Pensionen, Hotels – alles werde problemlos in Wohnungen umgewandelt. „Alle starren gebannt auf den Stadel, während im Tourismus ungehindert umgewidmet wird“, so Leiter Reber. Er forderte deshalb in einem eigenen Änderungsantrag gleiche Regeln für alle: Kubaturen bis zu 300 m³ sollen auf maximal 1.000 m³ erweitert werden dürfen – unabhängig davon, ob es sich um ein peripheres oder begünstigtes Gebiet handelt, und vorbehaltlich der Zustimmung durch den Gemeinderat und die Kommission für Raum und Landschaft. Größere Altbestände wie Betriebshallen sollen auf 1.000 m³ rückgebaut und der Rest abgerissen sowie die Flächen entsiegelt werden.

    „Alle sprechen vom Schutz von Boden und dem landwirtschaftlichen Grün“, so Leiter Reber, „aber warum sollte man dann bestehende Kubaturen nicht sinnvoll weiterverwenden dürfen – und gleichzeitig aufräumen, wo nötig?“ Im Tourismus, so seine Kritik, werde gebaut, als gäbe es kein Morgen – während sich der Bauer anhören müsse, er sei der schlimmste Lobbyist von allen. „Das stimmt einfach nicht.“

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Salto User
opa1950 Fr., 06.06.2025 - 05:44

Es sitzen einfach die falschen Menschen in dieser Landesregierung. Was wurde in dieser Legislatur schon positiv erledigt. Viele Worte und viel Werbung,aber sonst nichts konkretes.

Fr., 06.06.2025 - 05:44 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 06.06.2025 - 06:32

"Die Konventionierung nach 20 Jahren zu heben, ohne INFLATIONs-bereinigte Rückführung der genossenen Beiträge + Steuer-Vorteile, ist PURE-SPEKULANTEN-MÄSTEREI," der an den Marionetten-Fäden der SPEKULANTEN armselig baumelnd en -V E R-TRETER des VOLKES!!!
Von der Landes-Regierung -g ü t i g - g e wä h r t e n- BEITRÄGE, unterliegen einer Wertvernichtung von 3 - zu 1 müden €!
"Weitaus wäre der totale Verzicht auf die MWSt., für die sozialen Wohnbauten!!!"

Fr., 06.06.2025 - 06:32 Permalink
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rotaderga Fr., 06.06.2025 - 08:29

Und wenn Noggler doch Recht hat?
Wie könnte man Hausverstand definieren?
Stadtmensch x 40m² Wohnung x 5 m² Gartenfläche x 12m² Autoabstellplatz x 300m² Horizont ergibt eine relativ beschränkte Sichtfläche---
Landmensch 100 m² Wohnung x 200 m² Gartenfläche x 50²Parkplatz x 10km² Horizont ergibt eine imens große Sichtfläche.
Nun lebt die Mehrheit als Stadtmenschen und diese dürfen dank demokratischer Mehrheitsregeln über die Landmenschen, diese mit Übermaß an Hausverstand, bestimmen.
Das kann Kommunismus sein, oder?
Ich bin auf der Seite von Noggler! (vielleicht Ironie?)

Fr., 06.06.2025 - 08:29 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 06.06.2025 - 10:41

Antwort auf von rotaderga

Womit sollte Noggler recht haben? Ich wohne auf dem Land, wenn das Etschtal "noch" Land ist, und ich sehe von meinem Wohnzimmerfenster aus genau 14 Baustellen mit 12 Kränen.
Wie kann der gute Herr behaupten, dass auf dem Land nicht gebaut werden darf, oder wird? Allein im Dreieck Terlan-Andrian-Nals wurden und werden jedes Jahr Dutzende von Wohnungen gebaut, und wahrscheinlich noch mehr Dachböden ausgebaut. Alles Scheindebatte um das Tun der Bauern zu rechtfertigen? Oder einfach nur mal auf den Putz hauen, und schauen was runterfällt?

Fr., 06.06.2025 - 10:41 Permalink