Politik | Journalismus

Ultrarechte Wortklauberei

War Charlie Kirk „ultrarechts“ oder war er „nur“ rechts? Renate Holzeisen glaubt es zu wissen und maßregelt die Rai. Überlegungen zu einem ultra-peinlichen Vorfall.
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Foto: Peggy_Marco, Pixabay
  • „Heute hat mir die Chefredakteurin der Rai Südtirol auf meine öffentliche Aufforderung zur Offenlegung der bei Rai Südtirol verwendeten Definition von 'ultrarechts' im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu Charlie Kirk geantwortet (siehe unten den Wortlaut)“, schreibt Renate Holzeisen auf ihrem Facebook-Kanal vor wenigen Tagen und veröffentlicht eine Antwort von Rai-Chefredakteurin Michaela Mahlknecht. Dabei hätte die Rechtsanwältin und Abgeordnete im Südtiroler Landtag Holzeisen das laut Rai-Gesetz gar nicht machen dürfen. 

    Abgesehen davon, wie man zum neunmalklugen Hinweis Holzeisens und zu ihrer Erkenntnis – vor allem aber zu ihrer sehr persönlichen Sichtweise – zu den Begriffen ultra und rechts stehen mag, ist eine Veröffentlichung der schriftlichen Antwort aus Mahlknechts E-Mail ohne Rückfrage bei der Rai in Rom nicht erlaubt.

    Auf Nachfrage von SALTO bei der Vita-Politikerin, weshalb sie sich überhaupt in journalistische Angelegenheiten einmischt und die Berichterstattung von Rai Südtirol derart brandmarkt, antwortet Holzeisen und holt weit aus: „Seit 2020 erleben wir ein von den Systemmedien systematisch vorgenommenes politisches framing in Richtung „rechts“ bzw. „rechtsradikal“ jener Personen oder Personengruppen, die vom sog. mainstream getragene Meinungen Fakten bezogen in einem demokratischen Diskurs in Frage stellen.“ Starker Tobak. Das riecht nach Verschwörung.

    Dann wird im Nachfrage-Mail an SALTO etwas ultra-dick aufgetragen: „Wir sehen global gleichgesteuerte Systemmedien (oftmals öffentlich-rechtlicher Rundfunk), die einfach Meldungen der Presseagenturen (beginnend von Reuters, deren Eigentümer Blackrock, JP Morgan, und weitere große Finanzunternehmen sind) unbesehen übernehmen und verbreiten. Und exakt diese Presseagenturen formen einen Meinungskorridor, sprich den sog. mainstream, in dem sich vermeintliche Journalisten in einem Haltungsjournalismus gefallen.“
     

    Was Holzeisen aber nicht so stehen lassen möchte, ist der Fakt, dass sie unerlaubt die Antwort von Mahlknecht zu ihrer Anfrage auf ihren eigenen Facebook-Kanal gestellt hat. 


    Und in welchem Meinungskorridor hat sich Renate Holzeisen verlaufen? Hauptverantwortlich für das Attentat an Kirk ist klarerweise der Attentäter, aber einen wesentlichen Teil der Schuld trägt auch Präsident Trump, der mit allen Mitteln versucht, Hass und Zwietracht in der Gesellschaft zu implementieren. Nachdem Trump seit Wochen in der Kritik um seine Verbindungen mit Jeffrey Epstein steht, kam das Attentat für den US-Präsidenten, trotz seiner Tragik für Charlie Kirk, zu einem für Donald Trump passenden Zeitpunkt, um von den ihn belastenden Enthüllungen abzulenken. 

    Die Aufschriften auf der Patrone hätten nicht besser zu seinem jüngsten Vorstoß passen können, nun auch die Antifa-Bewegung gesetzlich als „bedeutende terroristische Organisation“ verbieten zu wollen. Hierzu könnte auch Applaus aus Italien von Fratelli d’Italia kommen, jene Partei, die im Logo noch die Fascho-Flamme von vor 100 Jahren führt. Ultra-grauenhaft.

    Gemeinsam mit seinem kurzzeitigen Mitstreiter Elon Musk und mit dem in seinen Aussagen angsteinflößenden Influencer Charlie Kirk hat Trump das gewaltbereite Wort, die hetzerische Rede in die amerikanische Schein-Demokratie eingeschleust und sich und seine Art der Rede salonfähig gemacht. 

    In dieses düstere Fahrwasser astreiner Antidemokraten reihen sich nun auch alljene, die den Medien vorschreiben möchten, wer, wann, wo als ultrarechts bezeichnet werden darf und wer nicht, da Trump-systemrelevant. 

    Zurück zur Ausgangsfrage: Darf Charlie Kirk überhaupt als ultrarechts eingestuft werden? Aus journalistischem und politikwissenschaftlichem Blickwinkel: auf jeden Fall! Seine Forderungen nach Exekutionen oder Schüssen auf Menschen zur Verteidigung politischer Ziele überschreiten klar den Rahmen konservativer Politik. Die Ablehnung anderer Kulturen als „minderwertig“ und die Vorstellung, dass nur eine „eigene“ Kultur legitimen Wert hat, entsprechen einem fatalen Menschenbild. Sein Antipluralismus und seine Menschenverachtung durch die Gleichsetzung von Abtreibung mit dem Holocaust, seine rhetorischen Muster, sind Teil des rechten Diskursen. 

    Viel mehr als die Frage, ob Kirk nun als ultrarechts bezeichnet werden kann, treibt Renate Holzeisen nun aber etwas ganz anderes um. Was sie nämlich nicht so stehen lassen möchte, ist der Fakt, dass sie unerlaubt die Antwort von Mahlknecht zu ihrer Anfrage auf ihren eigenen Facebook-Kanal gestellt hat. Die Chefredakteurin habe ihr – und zur Kenntnis des Landesbeirats für das Kommunikationswesen – von ihrer Rai-Email-Adresse am 15. 9. auf ihre Anfrage geantwortet, belegt Holzeisen. „Das war eine Antwort auf meine, in meiner institutionellen Funktion als Abgeordnete im Südtiroler Landtag an die Chefredaktion gerichtete Aufforderung zur „Offenlegung“, die ich in aller Transparenz und aufgrund des Rechts der Südtiroler Bevölkerung auf Information und Transparenz, auf welcher Basis und wie die Berichterstattung bei Rai Südtirol erfolgt, inklusive der Antwort der Chefredaktion.“
    Bei der Rai sieht man das anders. Eine Antwort auf die SALTO-Nachfrage dazu müsste über Rom gehen. Das würde dann ultra-lange dauern.