
Das Ortsbild und die bunte Botschaft
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Am Balkon einer Vinschger Wohnung hängt ein Stück Stoff. Es zeigt die Farben des Regenbogens, hängt inmitten der Foto-Ansicht der Burg Latsch und ruft nun seit Monaten allen die fröhliche Botschaft zu: „Jeder Mensch gehört zu dieser Welt der Vielfalt und soll in Freiheit und solidarischer Geschwisterlichkeit ein selbstbestimmtes Leben führen können – unabhängig von Hautfarbe, sozialem Status, politischer Überzeugung und sexueller Orientierung.“
Manchem ist das wohl zu viel des Guten. „Da könnte ja jeder... -…gut leben wollen“, hören wir sie schnauben - und so sah sich der Bürgermeister ob der von verstörten Menschen angezeigten Regenbogisierung des denkmalgeschützten Fotomotivs genötigt, die Ortspolizei loszuschicken und die aushängende Mitbürgerin amtlich aufzufordern, das bunte Tuch abzunehmen. Es verschwand, allerdings nur kurz, denn umgehend war geklärt, dass die Gemeinde keine rechtliche Handhabe dazu hat.
Und schon war die wunderbare Botschaft wieder da. Nun sah sich der solchermaßen düpierte Bürgermeister genötigt, Plan B zu aktivieren. Er wandte sich an die Hauseigentümerin. Diese sah allerdings keine Veranlassung, etwas zu unternehmen und stellte sich damit in die verdienstvolle Reihe cooler Menschen, die in der Nonkonformität mutiger Leute eine Ressource für eine zur Verkrustung neigende Gesellschaft erkennen. Chapeau!
An Gemeinschaftssinn, Denkmalschutz, Friede, Freude und Eierkuchen appellierend...
Da der Sturm der Entrüstung schnappatmender Bürgerinnen und Bürger und schnappschießender Latsch-Fans offenkundig nicht abebben wollte, folgte dann der Gang nach Canossa: Engelszüngig flötend und an Gemeinschaftssinn, Denkmalschutz, Friede, Freude und Eierkuchen appellierend und in Würdigung der besonderen Bedeutung des Ortsbildes möge, so schrieb der Erste Bürger versöhnlichst, die Fahne nur mehr zu besonderen Anlässen und zeitlich begrenzt der Latscher Bergluft ausgesetzt werden.
Die Fahne weht weiter im Vinschgerwind.
Allein, die mutige Latscherin war nicht von der Lust und Freude abzubringen, Haltung zu zeigen und lässt die bunte Fahne weiter im Vinschgerwind wehen. Damit nicht genug, fügte sie mit der Südtiroler Landesfahne noch eine weitere hinzu, die nun leicht verschnupft, ein wenig hinterherflatternd, auf dem Latscher Balkon der Aufgabe nachkommt, die Botschaft der fröhlich bunten Vielfalt mit dem historisch leidgeprüften heiligen Ernst der Watt- und Speckrepublik zu verbinden.
Und so vernehmen wir aus Latsch und nicht ohne Dankbarkeit: Wer Vielfalt will, muss Vielfalt aushalten. Wer nicht, muss sich halt ein wenig ärgern.
Am meisten wohl über sich selbst.
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k. und k. reloaded - kurz und knackig, kritisch und kreativ. Markus Lobis schreibt pointiert über Südtirols Politik und Gesellschaft. Mit Witz, Schärfe und einer Portion Widerstandslust. Jeden zweiten Donnerstag auf SALTO.
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,„Jeder Mensch gehört zu…
,„Jeder Mensch gehört zu dieser Welt der Vielfalt und soll in Freiheit und solidarischer Geschwisterlichkeit ein selbstbestimmtes Leben führen können – unabhängig von Hautfarbe, sozialem Status, politischer Überzeugung und sexueller Orientierung.“'
Warum das aber ständig betont werden muss, ist mir schleierhaft. Als ob man sich stets selber vergewissern muss, dass man diese Werte und Einstellung auch wirklich lebt - und es die anderen auch tun. Das hat etwas Manisches und Paranoides.
Antwort auf ,„Jeder Mensch gehört zu… von Stereo Typ
Ihre Frage ist eigentlich…
Ihre Frage ist eigentlich schon die Antwort. Es muss ständig betont werden, weil es in der Realität eben nicht so ist. Selbst muss man sich nicht überzeugen, es geht eher darum, diese soziale Einstellung (die eigentlich normal sein sollte), denen, die mehr von Ausgrenzung halten und sich als etwas Besseres fühlen, ständig vor Augen zu halten und sei es nur um ihnen zu zeigen, dass die Ausgrenzenden eigentlich die Ausgegrenzten sind.
Antwort auf ,„Jeder Mensch gehört zu… von Stereo Typ
Das muss nicht ständig…
Das muss nicht ständig betont werden. Wer das aber ständig betonen möchte, kann dies tun und hat offenkundig Gründe dafür.
Wir müssen an allen Schulen…
Wir müssen an allen Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, so wohl auch am Rathaus von Latsch, die italienische Trikolore ertragen. Dagegen ist die Regenbogenfahne doch eine sehr erfreuliche Erscheinung.
Die…
Die Regenbogenflaggenloyalisten und die neuen Rechten sind vom gleichen Schlag: Beide Gruppen glauben von sich selbst für eine bessere, moralischere Gesellschaft einzutreten.
Beide Gruppen sehen sich gerne als Opfer des Mainstreams und betrachten sich selbst als Nonkonformisten, was sie aber beide nicht sind.
Beide Gruppen tun sich schwer damit, wenn die Symbole des jeweiligen politischen Feindbildes öffentlich zur Schau gestellt werden und zeigen damit, dass sie es selbst nicht so genau nehmen mit den Werten, die sie predigen.
In Anbetracht dieses Kontexts musste ich insbesondere schmunzeln, nachdem mir das "k.u.k reloaded" im Header aufgefallen ist.
Von mir aus können sich diese ganzen Polit-Aktivisten gerne über ihre Regenbogenflaggen, das ok-Zeichen und Emojis (z.B. das schwangere Mann Emoji, das Clown-Emoji oder welches Emoji halt gerade als rechter oder linker Code bezeichnet wird) herumstreiten. Letztlich ist das ganze doch ein intellektuelles Armutszeugnis.
Antwort auf Die… von Oliver Hopfgartner
Ein Symbol für eine…
Ein Symbol für eine inklusive Gesellschaft (die offenbar nur Normalfall sein SOLLTE) ist also ein "intellektuelles Armutszeugnis". Das lassen wir jetzt mal so stehen, in Erwartung des verzweifelten Versuchs sich herauszureden.
Antwort auf Die… von Oliver Hopfgartner
Wäre der letzte Satz auf…
Wäre der letzte Satz auf Ihren Kommentar bezogen, würde ich Ihnen tatsächlich recht geben. Ansonsten: wer ein Symbol der Inklusion und Toleranz mit ausgrenzender Rhetorik und Symbolen der neuen Rechten gleichsetzt, sollte dringend seinen moralischen Kompass justieren. Dringend.
Antwort auf Die… von Oliver Hopfgartner
Ein dickes Kompliment ihrem…
Ein dickes Kompliment ihrem intellektuellen Reichtum
Antwort auf Die… von Oliver Hopfgartner
Die Gleichsetzung von…
Die Gleichsetzung von Regenbogenflaggenloyalisten und neuen Rechten verfehlt zentrale Unterschiede und konstruiert eine künstliche Symmetrie. Zwar mag es oberflächlich ähnlich wirken, wenn beide Seiten den Anspruch erheben, für eine bessere Gesellschaft einzutreten und sich selbst als Nonkonformisten darstellen. Doch diese Parallele zerbricht, sobald man die inhaltlichen Zielsetzungen betrachtet. Während die Regenbogenflagge seit Jahrzehnten für Anerkennung, Gleichberechtigung und Inklusion marginalisierter Gruppen steht, fungieren rechte Symbole und Codes als Marker für Ausgrenzung, Hierarchie und Abwertung. Beides „vom gleichen Schlag“ zu nennen, verwischt die grundlegenden Gegensätze zwischen Einschluss und Ausschluss. Auch der Vorwurf der Opferpose ist nicht symmetrisch. Queere und andere marginalisierte Menschen sind in realen gesellschaftlichen Strukturen benachteiligt, ihre Symbolik artikuliert also eine tatsächliche Erfahrung von Diskriminierung. Rechte Bewegungen hingegen inszenieren sich lediglich als unterdrückt, um ihre Position gegen Vielfalt und Gleichberechtigung zu legitimieren. Ebenso irreführend ist die Behauptung, beide Seiten könnten „die Symbole der Gegenseite“ nicht ertragen. Kritik an rechten Symbolen zielt auf deren demokratiefeindliche Bedeutung, während Angriffe auf die Regenbogenflagge in der Regel schlicht die Sichtbarkeit von Vielfalt delegitimieren.
Hinzu kommt, dass nicht allein die Form des Engagements, sondern auch die Qualität der dahinterstehenden Intentionen entscheidend ist. Wer mit der Regenbogenflagge auftritt, verfolgt das Ziel, Menschen gleiche Rechte, Anerkennung und Sicherheit zu verschaffen. Wer rechte Symbole hisst, setzt dagegen auf Abwertung, Exklusion und eine Rücknahme von Freiheitsrechten. Diese Intentionen sind nicht gleichwertig und dürfen auch normativ nicht auf eine Ebene gestellt werden.
Die Behauptung, es handle sich um ein „intellektuelles Armutszeugnis“, reduziert politische Symbolik pauschal auf einen belanglosen Streit um Flaggen und Emojis. Dabei sind Symbole keine oberflächlichen Spielereien, sondern verdichtete Ausdrucksformen gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über Zugehörigkeit, Identität und Rechte. Wer das übersieht, betreibt selbst die intellektuelle Verkürzung, die er den „Polit-Aktivisten“ vorwirft.
ARMUTs-ZEUGNIS ...!, die…
ARMUTs-ZEUGNIS ...!, die beste Definition der Latscher-Befindlichkeiten!
Herr Hopfgartner warum so…
Herr Hopfgartner warum so hinterwäldlerisch und mittelaltlerisch? Von einem Akademiker hätte ich mir mehr Weltoffenheit erwartet.
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Übrigens ein HOCH,auf die resolute,zukunftsorientierte und mutige Dame in Latsch: CHAPEAU!
Ich habe in meiner engsten…
Ich habe in meiner engsten Verwandtschaft eine (männliche) Person mittleren Alters, die seit gut 20 Jahren offen homosexuell in einer Partnerschaft mit einem Mann lebt und das in unserem kleinen sehr ländlich geprägten Weiler. Er ist Teil der Blasmusikkapelle, singt im Kirchenchor und welch Überraschung, keinen interessierts. Keine Rotte aufgepeitschter Hinterwäldler steht mit Fackeln und Mistgabeln vor seinem Haus. Kein Großinquisitor hält Hof bei uns. Und dieses ganze ideologische Regenbogentheater lehnt er im übrigen aus tiefstem Herzen ab, da es vielfach nur zu Selbstvergewisserung dient wie sehr man doch auf der richtigen Seite steht. Das alles ist klarerweise rein anekdotisch, aber ich glaube bei vielen trifft das den Nerv.
PS: Für lich persönlich ist die Regenbogenfahne spätestens seit dem Moment diskreditiert seit sie bei obskuren „Friedensdemos“ zum Ukrainekrieg oder den Free Palestine Protesten aufgetaucht ist. Die Hamas schmeisst im übrigen Homosexuelle in Gaza oder Rafah von Dächern und Putin hat Homosexualität per Gesetz zum Verbrechen erklärt.
Antwort auf Ich habe in meiner engsten… von Cicero
googln Sie mal: "Der…
googln Sie mal: "Der Ursprung des Regenbogens als religiöses Symbol"
Antwort auf googln Sie mal: "Der… von Herta Abram
Wieso sollte ich das?
Wieso sollte ich das?
Antwort auf Wieso sollte ich das? von Cicero
...nur falls Sie die…
...nur falls Sie die geschichtlichen, tieferen Zusammenhänge, kulturellen Bedeutungen
(- Regenbogenfahne kommt auch im Bauernkrieg bei Gaismair vor) und die Weiterentwicklung "des Regenbogen"zB.: als Zeichen für LGBTQ+ , interessiert...
Wer Vielfalt nicht erträgt,…
Wer Vielfalt nicht erträgt, muss halt in Einfalt leben.
Das Symbol mit „Vielfalt“…
Das Symbol mit „Vielfalt“ gleichzusetzen und daraus zu folgern, dass jede Kritik am Symbol gegen Vielfalt gerichtet sei, ist ein klassischer Zirkelschluss: Die Behauptung („Kritik = gegen Vielfalt“) steckt bereits in der Definition („Symbol = Vielfalt“) und wird damit nicht begründet, sondern bloß wiederholt. Die Prämisse des Textes ist also tautologisch, leer an Erkenntniswert und beruht auf einem logischen Fehlschluss – konkret einer falschen Dichotomie.
Wenn - wie in diesem Artikel - ein solcher Fehlschluss als Grundlage des Diskurses hingestellt wird, entsteht eine strikte Spaltung in „moralisch“ und „unmoralisch“. Dabei gerät ein entscheidender Punkt völlig aus dem Blick: Die Flagge ist eben nicht nur ein abstraktes Symbol der „Vielfalt“, sondern steht im Kontext der Bewegungen der sogenannten „Sozialen Gerechtigkeit“ (bewusst großgeschrieben). Diese Form von „Gerechtigkeit“ gründet auf Theorien der Social Justice bzw. Critical Social Justice, die nicht nur illiberal, sondern explizit antiliberal ausgerichtet und daher mit liberalen Prinzipien nicht vereinbar sind. Es ist daher durchaus logisch, die Flagge nicht zu "mögen", eben WEIL man für liberale Prinzipien und Pluralismus einsteht.
Es grenzt daher fast schon an Realsatire, wie sich „Change Agents“ – stets als komplette Underdogs inszeniert (Stichwort: Astroturfing) – über den Niedergang demokratischer Strukturen und die Spaltung der Gesellschaft echauffieren, während ihre eigene Rhetorik diese Spaltung nicht nur befeuert, sondern aktiv kreiert.
Antwort auf Das Symbol mit „Vielfalt“… von Stefanie H
Als Nicht-Studierter würde…
Als Nicht-Studierter würde ich Sie bitten, einige Begriffe zu erklären.
"social justice" müsste doch soziale Gerechtigkeit heißen, oder? Aber was bedeutet das "critical" davor genau?
Was sind "change agents" und was bedeutet "astroturfing"?
Und zu guter Letzt noch eine Frage, gibt es auch eine "richtige Dichotomie"?
Antwort auf Das Symbol mit „Vielfalt“… von Stefanie H
Die Argumentationsfigur…
Die Argumentationsfigur Ihrer Suada ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zunächst wird der Vorwurf des Zirkelschlusses selbst tautologisch erhoben: Indem behauptet wird, das Symbol werde willkürlich mit „Vielfalt“ gleichgesetzt, wird ignoriert, dass symbolische Bedeutungszuweisungen stets sozial konstruiert und historisch sedimentiert sind. Die Regenbogenflagge etwa ist nicht Ergebnis einer definitorischen Willkür, sondern Ausdruck jahrzehntelanger Aushandlungsprozesse, in denen sie zu einem international anerkannten Emblem für Inklusion, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen geworden ist. Kritik an diesem Symbol ist daher nicht neutral, sondern bewegt sich notwendig in diesem semantischen und politischen Feld. Die Zuschreibung „Kritik = gegen Vielfalt“ ist insofern keine tautologische Leerformel, sondern verweist auf die realhistorische Genese der Symbolik.
Weiterhin operiert Ihr Statement mit einer unzulässigen Verkürzung, indem er die Flagge als pars pro toto für eine angeblich „antiliberale“ Social-Justice-Ideologie ausgibt. Hier wird eine heterogene theoretische und aktivistische Landschaft zu einem monolithischen Gegner konstruiert. Gerade in liberal-pluralistischen Ordnungen ist jedoch das Eintreten für Minderheitenschutz und die Forderung nach struktureller Gleichberechtigung kein Angriff auf Liberalität, sondern deren konsequente Einlösung. Der Versuch, Gleichstellungspolitiken als illiberal zu brandmarken, verrät eher ein normativ verengtes Liberalismusverständnis, das auf formaler Gleichheit beharrt, materielle Ungleichheiten aber ausblendet.
Schließlich fungiert die Rede von „Astroturfing“ und der vermeintlichen Selbstinszenierung von Aktivist:innen als rhetorische Delegitimierungsstrategie. Sie pathologisiert politische Gegenspieler, anstatt sich auf argumentative Auseinandersetzungen einzulassen. Polarisierung wird so nicht überwunden, sondern vertieft, indem legitime Anliegen als künstlich erzeugt und moralisch disqualifiziert dargestellt werden.
"Und so vernehmen wir aus…
"Und so vernehmen wir aus Latsch und nicht ohne Dankbarkeit: Wer Vielfalt will, muss Vielfalt aushalten. Wer nicht, muss sich halt ein wenig ärgern."
"Sie pathologisiert politische Gegenspieler". ;)
Antwort auf "Und so vernehmen wir aus… von Stefanie H
StefanieH: "dunkle Abgründe…
StefanieH: "dunkle Abgründe zwischen rechter Influencer-Propaganda und Verschwörungstheorien....."
Antwort auf StefanieH: "dunkle Abgründe… von Herta Abram
Natürlich!
Natürlich!