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Mitspracherecht der Gemeinden getilgt

Grünen-Abgeordnete Madeleine Rohrer warnt vor einem Rückschritt beim Pflanzenschutzgesetz: Gemeinden verlieren Mitsprache, Transparenz sinkt, Kontrolle bleibt lückenhaft.
Pestizide, Bauer
Foto: Jörg Farys
  • Die Landtagsabgeordnete der Grünen Madeleine Rohrer kritisiert die geplante Neufassung des Landesgesetzes zum Pflanzenschutz. „Das neue Gesetz bringt bisher gefundene Kompromisse zu Fall und die Lage einseitig aus dem Gleichgewicht. Ein Rückschritt – gleich in mehrerer Hinsicht“, betont Rohrer gegenüber SALTO. In der Kritik stehen zentral die Entmachtung der Gemeinden, drohender Transparenzverlust und eine ungerechte Kompetenzverteilung durch Ausschluss der Forstbehörde.

  • Kommunale Mitsprache auf dem Rückzug

    Madeleine Rohrer: „Im neuen Gesetz ist das Land allein zuständig. Es gibt keine lokale Mitsprache mehr“. Foto: Seehauserfoto

    Zentraler Kritikpunkt im Minderheitenbericht Rohrers vom 2. Oktober ist der Entzug kommunaler Zuständigkeiten. Ausschließlich die Autonome Provinz Bozen wird mit dem neuen Gesetzesentwurf als „zuständige örtliche Behörde für die Planung, Umsetzung, Koordinierung und Überwachung“ befähigt. Selbst die im Gesetz von 2016 enthaltenen „minimalen Spielräume“ für Gemeinden wurden damit laut Rohrer getilgt.

  • Im Landesgesetz von 2016 stehen den Gemeinden erweiterte Befugnisse zu, die sich im aktuellen Entwurf nicht mehr finden lassen. 

    Artikel 7 (nachhaltige Verwendung) Absatz 5Den Gemeinden stehen im Bereich der nachhaltigen Verwendung von Pestiziden jene Verwaltungsbefugnisse zu, die ihnen vom Land Südtirol im Einvernehmen mit dem Rat der Gemeinden zugewiesen oder übertragen werden“,  wurde durch folgende Beschlüsse erweitert:

    • Beschluss vom 24. Mai 2016, Nr. 566 - Verwaltungsbefugnisse im Bereich der nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln.
    • Beschluss vom 22. August 2017, Nr. 908 - Genehmigung der „Leitlinien zur Regelung der Maßnahmen zur Verringerung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln bzw. der damit verbundenen Risiken in Gebieten, die von der Allgemeinheit oder von gefährdeten Personengruppen genutzt werden“.
    • Beschluss vom 21. November 2017, Nr. 1279 - Benachrichtigung über die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln im landwirtschaftlichen Bereich.
    • Beschluss vom 25. September 2018, Nr. 965 - Bestimmungen betreffend die Befähigungsnachweise für berufliche Verwender, für Vertreiber und für Berater von Pflanzenschutzmitteln – Widerruf der eigenen Beschlüsse Nr. 1410 vom 25. November 2014 und Nr. 531 vom 5. Mai 2015.
    • Beschluss vom 3. März 2020, Nr. 141 - Zusätzliche Bestimmungen zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (abgeändert mit Beschluss Nr. 29 vom 19.01.2021).
  • Beschlüsse, die bei der aktualisierten Version des Landesgesetzes entfallen würden, was eine Entmachtung der Gemeinden darstelle, so Rohrers Kritik. „Bisher konnten die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sensible Zonen ausweisen und die Uhrzeiten für die Ausbringung von Pestiziden einschränken. Im neuen Gesetz ist dafür nur noch das Land allein zuständig. Es gibt keine lokale Mitsprache mehr“, beanstandet die Grünen-AbgeordneteSeltsam sei dabei auch, dass der Rat der Gemeinden dafür ein positives Gutachten erstellt hat.

  • Geheimhaltung statt Transparenz?

    Skepsis äußert Rohrer auch gegenüber der neu formulierten Verschwiegenheitspflicht für das Personal des Landespflanzenschutzdienstes. Der Entwurf übernehme zwar die Logik des EU-Kontrollrechts (Verordnung 2017/625) zum Schutz legitimer Geschäftsinteressen, bleibe aber unklar, wann das „öffentliche Interesse an Information“ überwiegt. 

    Rohrers Befürchtung: Ein „Maulkorb“ namens „Geheimhaltungspflicht“, der dem Personal des Pflanzenschutzdienstes von der Landesregierung angelegt werden könnte. Dies erschwere Auskünfte zu Risikothemen wie Abdrift, Sprühtechnik oder Nebenwirkungen von Maßnahmen.

  • Abdrift und Lücken in der Kontrolle

    Ein Problem sei auch die fehlende Prävention von Abdrift. Gemeint ist damit, dass Pflanzenschutzmitteln während oder nach der Ausbringung auch auf benachbarten Flächen, in der Luft oder im Wasser landen. Das treffe nicht nur Anrainerinnen und Anrainer, sondern beschädige oftmals auch den Bioanbau von Bioäckern, die an kontaminierte Flächen angrenzen. Konflikte würden so „privatrechtlich“ zwischen Nachbarn verlagert und abgewickelt, anstatt politisch präventive Maßnahmen zu ergreifen.

    Zudem kritisiert Rohrer im Minderheitenbericht, dass lediglich der Sanitätsbetrieb und die Ortspolizei mit Kontrollbefugnissen ausgestattet werden. „In Zukunft darf nur mehr die Ortspolizei kontrollieren – und das, obwohl es in 20 Südtiroler Gemeinden gar keine Ortspolizei gibt“, erklärt Rohrer. Trotz des Mangels an Ordnungskräften, sei dennoch nicht die Forstbehörde beauftragt worden. Auch hier entstehe eine Ungleichbehandlung und Benachteiligung gewisser Gemeinden.

     

    Als hätte der Landesrat nur mit dem Bauernbund gesprochen

     

    Rohrer zieht ein deutliches Fazit: Es braucht mehr Transparenz, lokale Mitsprache und effizientere Kompetenzverteilung. Beim Pflanzenschutz gebe es verschiedene Interessen, zwischen denen ein Ausgleich gefunden werden müsse, „doch dieses Gesetz bringt keinen Ausgleich, sondern die Situation aus dem Gleichgewicht – als hätte der Landesrat nur mit dem Bauernbund gesprochen“. Die Vorschläge, die die Grüne Fraktion im Gesetzgebungsausschuss eingebracht hat, werde sie auch im November im Plenum einbringen, so Madeleine Rohrer.