Meran 2000: Preisexplosion um 77 Prozent
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Wer als Mensch mit Behinderung in diesem Winter im Vorverkauf eine Saisonkarte für Meran 2000 kaufen wollte, erlebte an der Kasse einen Schock. Der Preis stieg von 155 Euro im Vorjahr auf 274,50 Euro – eine Erhöhung um knapp 120 Euro oder 77 Prozent. Während auch reguläre Skipässe teurer wurden, trifft die Preissteigerung ausgerechnet jene Gruppe mit besonderer Härte, die ohnehin mit höheren Lebenshaltungskosten konfrontiert ist.
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Meran 2000: Vorreiter bei Barrierefreiheit, gebunden bei der Preispolitik
In Südtirol ist Skifahren mehr als Freizeitsport – es gehört zur kulturellen DNA, zum sozialen Zusammenhalt, zur gelebten Tradition. Für Menschen mit Behinderung bedeutet der Zugang zu den Pisten nicht nur Bewegung in der Natur, sondern vor allem eines: gesellschaftliche Teilhabe.
Meran 2000 hat sich in den vergangenen Jahren als barrierefreies und familienfreundliches Skigebiet profiliert. Menschen mit eingeschränkter Mobilität finden hier Infrastruktur und Angebote, die in der Branche noch immer keine Selbstverständlichkeit sind. Ein wichtiges Signal – zumindest auf der Piste.
Doch bei der Preisgestaltung endet der Gestaltungsspielraum abrupt. Meran 2000 ist tarifpolitisch an die Ortler Skiarena gebunden und darf höchstens zehn Prozent Ermäßigung gewähren. Die tatsächliche Preishoheit liegt beim Verbund der Ortler Skiarena, dem 15 Skigebiete angeschlossen sind, und nicht beim einzelnen Skigebiet. Was bleibt, ist symbolische Autonomie – ohne reale Entscheidungsmacht.
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Inklusion oder Rendite? Die Ortler Skiarena in der Kritik
Bei der Ortler Skiarena dominiert offenbar ein anderes Kalkül: Ertragsorientierung vor sozialer Verantwortung. Während politisch die Bedeutung von Inklusion betont wird, schafft diese massive Preissteigerung reale Hürden. Menschen mit Behinderung tragen bereits überdurchschnittliche Kosten – für Therapien, Hilfsmittel, Assistenz. Gerade sie bräuchten spürbare Entlastung. Ökonomische Effizienz verdrängt soziale Sensibilität!
Die zentrale Frage lautet: Wie glaubwürdig ist ein Skiverbund in Sachen Inklusion, wenn er ausgerechnet Menschen mit Behinderung mit einem Preissprung von 77 Prozent konfrontiert?
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Die Stadt Meran in der Verantwortung
Die Gemeinde Meran hält 64,20 Prozent der Anteile an Meran 2000 und ist damit Mehrheitsaktionär. Das bedeutet nicht nur wirtschaftliche Kontrolle, sondern auch einen sozialen Auftrag, der über betriebswirtschaftliche Überlegungen hinausgeht.
Die entscheidenden Fragen bleiben offen: Warum wurde einer derart massiven Preiserhöhung für eine vulnerable Bevölkerungsgruppe zugestimmt? Wurde bei der Vollversammlung der Aktionäre über die sozialen Auswirkungen diskutiert? Und vor allem: Plant die Stadt Meran ihren Einfluss als Hauptaktionär zu nutzen, um auf eine sozialverträglichere Tarifgestaltung hinzuwirken – oder überlässt sie die Preispolitik weiterhin dem Verbund?
Der Meraner Stadtanzeiger hat sich daher sowohl an den Präsidenten der Ortler Skiarena als auch an den zuständigen Stadtrat für Soziales gewandt, um die Hintergründe dieser Preisanpassung zu erfahren und eine Stellungnahme einzuholen. Außerdem hat er den Sektionsleiter des Sportclubs Meran, Sektion Sport Menschen mit Behinderung, um eine Stellungnahme gebeten.
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Stellungnahme 1
von Paul Jakomet, Präsident Ortler Sikarena und Direktor von Meran 2000
„Meran 2000 ist Teil des Skiverbundes Ortler Skiarena. Innerhalb dieses Verbundes sind wir verpflichtet, die Preisgestaltung an die vom Skiverbund vorgegebenen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Regelung betrifft auch die Saisonkarten für Menschen mit Behinderung. Für die Saison 2025/26 gelten folgende Preise innerhalb der Ortler Skiarena:
Saisonkarte Ortler Skiarena im Vorverkauf: 512 €
Ermäßigter Preis für Menschen mit Behinderung (ab 70 %) im Vorverkauf: 305 € (entspricht ca. –40 %)
Auf Grundlage dieser Verbundpreise ergibt sich für Meran 2000 folgender Preis:
Saisonkarte Meran 2000: 461 €
Reduzierter Preis für Menschen mit Behinderung (– ca. 40 %): 274,50 €
In den vergangenen zwei Jahren hat die Meran 2000 Bergbahnen AG aus Kulanzgründen bewusst darauf verzichtet, den Preis der Saisonkarte für Menschen mit Behinderung an das von der Ortler Skiarena vorgeschriebene Niveau anzupassen. Dadurch konnten wir die Karte zu einem deutlich niedrigeren Preis von 155 € anbieten. Um nun die verbindlichen Preisvorgaben des Skiverbundes Ortler Skiarena einzuhalten, war es notwendig, die Saisonkarte für Menschen mit Behinderung auf das vorgeschriebene Preisniveau anzuheben. Diese Anpassung ist daher keine eigenständige Entscheidung von Meran 2000, sondern die Umsetzung der für alle Mitgliedsgebiete geltenden Richtlinien.
Wir sind uns bewusst, dass die Anpassung gegenüber den bisherigen Preisen eine deutliche Erhöhung darstellt und eine zusätzliche finanzielle Belastung bedeutet. Als Mitglied des Skiverbundes sind wir jedoch verpflichtet, die einheitliche Preisstruktur einzuhalten, um faire und transparente Rahmenbedingungen in der gesamten Ortler Skiarena sicherzustellen. Gleichzeitig möchten wir betonen, dass Meran 2000 seit Jahren großen Wert auf Barrierefreiheit und die Unterstützung von Behindertensportlern legt. Wir möchten auch weiterhin ein Skigebiet bleiben, in dem Menschen mit Behinderung bestmögliche Bedingungen zum Skifahren und Trainieren vorfinden.“
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Stellungnahme 2
von Hansjörg Elsler, Sektionsleiter SC Meran, Sektion Sport für Menschen mit Behinderung
„Wir waren zunächst über den starken Preisanstieg bei den Saison- und Jahreskarten für Menschen mit Behinderung überrascht. Der Direktor erklärte uns jedoch, dass wir bisher Kinderpreise nutzen konnten, nun aber alle 15 Skigebiete der Ortler Skiarena dieselbe Preispolitik verfolgen müssen – das machte es verständlicher. Als Sektion des Sporclubs Meran erhalten wir weiterhin wichtige Unterstützung: kostenlose Übungs- und Rennstrecken, die Austragung von Skirennen im Rahmen des Südtiroler Landeswintercups für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung mit kostenlosen Skikarten für alle Athleten und stets vorbildlichen Service. Daher haben wir in den „sauren Apfel“ gebissen und hoffen, dass weitere Erhöhungen sich wirklich nur im Rahmen des Inflationsausgleiches bewegen werden. Positiv hervorzuheben: Die Barrierefreiheit auf Meran 2000 wird ernst genommen – viele andere Südtiroler Skigebiete haben hier noch erheblichen Nachholbedarf!.“
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Stellungnahme 3
von Stefan Frötscher, Stadtrat für Soziales der Gemeinde Meran
„Meran 2000 hat dieses Jahr den Vorverkaufspreis für den Skipass für Menschen mit Behinderung von 155 Euro auf 274,5 Euro angehoben. Darauf vom Meraner Stadtanzeiger hingewiesen, habe ich mich sofort mit dem Präsidenten von Meran 2000 Arch. Andreas Zanier, in Verbindung gesetzt und auf ein klärendes Gespräch getroffen. Seine Erklärung: Meran 2000 ist ein Mitglied der Ortler Skiarena und damit an die gemeinsamen Konditionen gebunden. Eine davon ist, dass grundsätzlich, ohne Ausnahmen Vergünstigungen nicht mehr als 10 % ausmachen dürfen. Als zuständiger Sozialstadtrat bin ich weder mit der beinahe 100 % Erhöhung einverstanden noch überzeugt mich die 10 % Regelung im sensiblen sozialen Bereich. Da die Gemeinde, wie auch von der Redaktion darauf hingewiesen, mit 64,2 % gewichtiger Mehrheitsaktionär ist, haben wir uns auf folgenden Vorschlag geeinigt: Werde im Meraner Stadtrat einen entsprechenden Vorschlag einbringen, dass diese 10%- Regelung für Menschen mit Behinderung nicht zum Tragen kommt und auf einen akzeptablen entsprechenden Kompromiss hinsteuern. Dies natürlich so schnell wie möglich, hat die Saison ja schon begonnen.“
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Zu diesem Beitrag und zur Autorin
Eva Pföstl ist Chefedakteurin beim Meraner Stadtanzeiger. Zum heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen hat sie uns diesen aktuellen Artikel zukommen lassen – wir veröffentlichen ihn gerne.
Pföstl ist außerdem Minderheitenexpertin und war wissenschaftliche Leiterin des juristisch-wirtschaftlichen Bereichs am Istituto di Studi Politici Pio V in Rom.
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Was heisst hier: Meran 2000…
Was heisst hier: Meran 2000 ist an die Vertragsbedingungen gebunden? Bedingungen werden in der Norm von den Vetragsparteien ausgehandelt. Also hat man die Zustimmung gegeben.
Antwort auf Was heisst hier: Meran 2000… von Hans Punter
Verhandeln spiegelt immer…
Verhandeln spiegelt immer die Machtverhältnisse wieder. Will ich einem Verbund beitreten, kann ich natürlich meine Wünsche vorbringen; falls der Verbund mich aber vor die Wahl stellt, friss Vogel oder stirb, habe ich dann eben genau diese Wahl. Ob es sich in diesem Fall um ein Versäumnis bei den Beitrittsgesprächen handelt oder es einfach übersehen wurde, weiß ich natürlich nicht.