"Erlauben Sie mir..."
Luigi Spagnolli hatte sich rar gemacht. Nach seinem denkwürdigen Abgang am vergangenen 24. September war der ehemalige Bozner Bürgermeister untergetaucht. “Ich bin jetzt nur mehr eine Privatperson”, so seine Standard-Antwort auf Interview-Anfragen, die manchmal auch per SMS eintrafen. Weder zum Benko-Projekt, das dank seines letzten Aktes wieder auf den Tisch gekommen war, noch zu den anstehenden Neuwahlen ließ sich Spagnolli öffentlich einen Kommentar entlocken. “Auch wenn ich mir dabei oft auf die Zunge beißen musste”, gesteht er heute. Jetzt jedoch, da die Befragung zu Ende ist, hat sich der inzwischen zum Direktor des Landesamtes für Jagd und Fischerei avancierte Spagnolli den selbst auferlegten Maulkorb abgenommen. “Mi permetto una precisazione, anzi due”, meldet er sich wenige Tage nachdem die Stimmen ausgezählt und das Ergebnis der Bürgerbefragung feststeht, zu Wort.
“Megastore e funivia: Quale verità?”, ist die Frage, die sich Luigi Spagnolli in seinem Kommentar stellt, der am 7. April auf der Titelseite des Alto Adige erscheint. Darin verteidigt er die Entscheidung der Bozner Stadtregierung, den Plan zur Städtebaulichen Umstrukturierung (PSU) zu genehmigen, nachdem dieser “gemeinsam mit den Technikern von René Benko überarbeitet worden war”. Dieser Aspekt sei öffentlich zu wenig bekannt gemacht worden geworden, so Spagnolli. Nämlich, dass das, worüber die Bürger vergangene Woche abgestimmt haben, nicht ein “Benko-Projekt” gewesen sei, sondern “ma un piano approvato dalla Giunta Spagnolli, che Benko realizzerà (…)”.
“Benko baut das Kaufhaus sowieso”, schreibt Spagnolli. Dafür brauche der Tiroler Investor nur das Gebäude in der Südtiroler Straße, das sich in seinem Besitz befindet, abreißen und dort ein Einkaufszentrum hinplatzieren. Vom Gesetz her sei das sehr wohl erlaubt. Doch dank des Zutuns seiner Stadtregierung sei schließlich die gesamte Zone in den Umstrukturierungsplan aufgenommen worden, was zu einer Aufwertung des gesamten Areals führen würde. Soweit Spagnollis erste Präzisierung.
Den zweiten Teil seines Kommentars widmet der Ex-Bürgermeister der Jenesiener Seilbahn. Seit einigen Wochen wird kontrovers über deren Verlängerung über die Talfer bis zum Siegesplatz diskutiert. Ein Kritikpunkt ist dabei, dass das Projekt lange geheimgehalten wurde. Vom Land, aber auch von der Gemeinde. “Über ein Jahr haben Gemeinde Bozen und Provinz mit der Gemeinde Jenesien darüber diskutiert, wie man die bestehende Seilbahn wirtschaftlich nachhaltig betreiben könnte”, erklärt Spagnolli. Mit “Gemeinde Bozen” meint er allerdings nur sich und seinen Vize Klaus Ladinser. Die beiden waren als einzige Vertreter der Gemeinde an den Gesprächen beteiligt. In deren Rahmen hätten sich zwei Optionen herauskristallisiert, wie Spagnolli jetzt mitteilt: “O ricostruirla, in modo che funzioni meglio, o dismetterla e lasciar usare, al suo posto, il bus o le auto private.”
Man sei sich einig gewesen, dass die Seilbahn nach Jenesien erhalten bleiben und näher ins Bozner Stadtzentrum rücken soll, damit sie von mehr Menschen benutzt werden kann. Dann habe sich daran gemacht, alle technisch möglichen Varianten zu bewerten, schreibt Spagnolli weiter. Und es habe sich herausgestellt, dass der Überflug der Talfer mit einer Talstation in der Nähe des Petrarca-Parks die einzig machbare ist, “perché non interferisce con proprietà private, con i conseguenti contenziosi di imprevedibile lunga durata”. “Ovvio che può piacere o meno”, fährt Spagnolli fort. Aber er wolle klarstellen, dass die Talferwiesen auf der orografisch linken Seite des Flusses nicht angerührt würden und dass der Umwelteinfluss des Projekts weit geringer sei als die “tausenden privaten und öffentlichen Fahrzeuge”, die dank der Jenesiener Seilbahn nicht auf den Salten fahren würden.
Wenn also nun behauptet werde, dass die Entscheidung über das Projekt vonseiten des Landes über die Köpfe der Bozner hinweg gefällt werde und die Talferwiesen beschädigt werden, dann sei das schlicht und einfach nicht wahr. So das Fazit, mit dem sich Luigi Spanolli wieder in sein Leben als “nicht mehr öffentliche Person”. Allerdings nicht bevor er allen 13 Bürgermeisterkandidaten in Bozen ein “In bocca al lupo!”, gewünscht hat.
"Doch dank des Zutuns seiner
"Doch dank des Zutuns seiner Stadtregierung sei schließlich die gesamte Zone in den Umstrukturierungsplan aufgenommen worden, was zu einer Aufwertung des gesamten Areals führen würde." Mir unerklärlich, dass Spagnolli (damals im Wahlkampf wie bis eben auch sehr still) der Signa jetzt Rückendeckung gibt und sagt, die Entfernung des Busbahnhofes, die Teilprivatisierung des Parks, der von uns finanzierte Sackgassentunnel mit Rekordlänge, der Abriss eines gerade erst von öffentlicher Hand renoviertes Gebäude sei alles auf seinem Mist gewachsen. Aber wie heißt es so schön: ist der Ruf erstmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert...
Geschätzter Michael Schlauch,
Geschätzter Michael Schlauch,
ich lebe wohl ohne Ruf, anzi, gerade deswegen bin von der Politik ausgestiegen. Man lebt viel besser, ohne Politiker in der Nähe und ohne jeden Tag in der Zeitung zu sein.
Es gibt auf jedem Fall keine Rückendeckung: es gibt ein Plan, der vom Bozner Stadtrat genehmigt worden ist, wo die Vorteile für die Stadt wesentlich grösser als die Nachteile sind. Wer anders meint, der hat entweder den Plan nicht gesehen, oder ist dagegen per eigener, absolut legitimer Wahl. In zehn Jahre wird sich niemend mehr erinnern an die blöde Zeit, in der manche Leute gegen den Plan in der Südtiroler Strasse waren: es ist eigentlich das Gleiche mit der MEBO passiert...
Antwort auf Geschätzter Michael Schlauch, von luigi spagnolli
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich finde schon etwas bezeichnend, wie Sie hier der fast 1 Jahr alten Argumentation von Zukunft-Bozen Mitglied A. Stenico nacheifern (http://www.salto.bz/it/article/27062015/battaglie-perse-fortuna), der auch schon versucht hat, Mebo (rein öffentliches Infrastrukturprojekt) und Benko (private Investition) über einen Kamm zu scheren. Doch eine Frage hätte ich dennoch: wussten alle Stadträte bei Genehmigung des "Plans" (Beschluss 417), dass die dort zulässige urbanistische Handelsfläche später als Verkaufsfläche uminterpretiert wird und sich das Kaufhaus dadurch noch weiter vergrößert? Was hat die Mehrheit des Stadtrats später sonst noch dazu bewogen, gegen die Ratifizierung des Projekts zu stimmen? Und was hat Sie daraufhin persönlich dazu bewogen, ihr monatelang hart erkämpftes Bürgermeisteramt dafür zu opfern, dass die Ablehnung des Projekts im Gemeinderat wieder aufgehoben wird?
Antwort auf Vielen Dank für Ihre Antwort. von Michael Schlauch
Die Stadräte waren bestens
Die Stadräte waren bestens informiert, Sie dagegen nicht: es ist nichts uminterpretiert worden, die Prozedur ist immer transparent gewesen. Das Kaufhaus, wie ich immer gesagt habe, wird auf jedem Fall gebaut: die Kubatur, die die Signa AG gekauft hat, darf ohne Genehmigung in ein Kaufhaus umgewandelt werden, ohne Vorteile für die Stadt. Deswegen habe ich, obwohl grundsätzlich immer gegen die Einkaufszentren gewesen, diesen Plan unterstützt: weil die Stadt dadurch vorteilhaft verbessert wird.
Ausserdem bin ich von meinem Bürgermeisteramt September 2015 zurückgetreten, weil ich nicht in der Lage war, eine homogene und produktive Mehrheit im GR zusammenzusetzen: war und bin überzeugt, eine Regierung muss arbeiten und Ziele erreichen, und wenn das unmoeglich ist, soll sie zurücktreten. Als ich die Entscheidung getroffen habe, habe ich mich von jedem politischen Mehrheitsabkommen befreit gefühlt, und so habe ich die Dienststellekonferenz betreffend den Wiedergewinnungsplan in der Südtirolerstrasse wieder einberufen, im Interesse der Stadt: die inzwischen bewiesen hat, dass ich ein guter BM war, weil ich die Meinung der Mehrheit der Bürger gut kenne. Dazu: dass ich somit die Gemeinde, und zwar die Bürger, von einer wahrscheinlichen millionären Schadenrückzalung zugunsten der Signa AG erspart habe, weil die Benko-Gegner den geplatzten GR-Beschluss vom Juli 2015 nicht genug begründet hatten, ist Nebensache, aber auch einigermassen wichtig... Die Fussgängerzone wird sich bis zu den Verdi- und den Bahnhofplatz erstrecken, Bozen wird schoener, und dazu verdient die Gemeinde zehn mal so viel Geld, was der eigene Grund wert ist. Das nennt man normalerweise gute Verwaltung, lieber Herr Schlauch.
Antwort auf Die Stadräte waren bestens von luigi spagnolli
Intransparent ist z.B. schon
Intransparent ist z.B. schon einmal, dass Sie ein Gespenst von millionenschweren Schadensrückzahlungen heraufbeschwör(t)en, nachdem Frau Direktorin Ulrike Pichler in der bis dato einzigen öffentlichen Vorstellung des Projekts am 22.6 erklärte: "Bis zu diesem Zeitpunkt [Ratifikation/Nicht-Ratifikation] sind urbanistische Verpflichtungen für die Gemeinde keine gegeben. [...] Also kann für so etwas keine Vertragsstrafe vorgesehen werden." (min 2:53:00). Für evtl. bis dato eingegangene urbanistische Pflichten können nur Sie, nicht die Gegner, verantwortlich gewesen sein. Die Mehrheit der Bürger hat entschieden, an einem regellosem Schein-referendum nicht teilzunehmen. Und wenn ich vom Ex-BM lesen muss, dass eine Fussgängerzone vom Bahnhofsplatz bis zum Verdiplatz reichen wird, dann frage ich mich, ob er, geschweige denn die Ja-stimmenden Bürger, jemals in die Projektunterlagen geschaut haben (die angrenzende Garibaldistraße bleibt und die Südtirolerstraße ist später bestenfalls verkehrsberuhigt).