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Gezielte Unterstützungsmaßnahmen

Die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg hat auch Südtirol arg in Mitleidenschaft gezogen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Fall
Foto: Pixabay Fall

In vielen Sektoren hat sich die Gesundheitskrise zu einer handfesten Wirtschaftskrise entwickelt. Tourismus, Gastronomie und Handel gehören zumindest in der Wintersaison 2020/2021 zu den am schwersten betroffenen Bereichen, mit Umsatzeinbußen von bis zu 80% und mehr. Viele Betriebe stehen vor dem Aus und nicht alle werden den Neustart schaffen. Eine bestimmte Marktbereinigung wird leider unvermeidbar sein.

Dementsprechend werden die Forderungen nach staatlichen und lokalen Unterstützungsmaßnahmen immer lauter. Die verschiedenen Wirtschaftsverbände übertreffen sich fast täglich mit neuen Forderungen. Laut dem Motto, dass wer mehr schreit, auch mehr bekommt, sind die verschiedenen Medien voll mit Forderungen in Milliardenhöhe.

Woher das Geld kommen soll, wird fast nie hinterfragt. Es ist anzunehmen, dass zwischen Politik und Wirtschaft hinter verschlossenen Türen intensive Verhandlungen laufen. Trotz der viel gepriesenen Sozialpartnerschaft werden die Arbeitnehmervertreter aber kaum miteinbezogen. Dabei haben auch wir uns einige Gedanken über die Gegenwart und die Zukunft gemacht.

Ein Neustart der Wirtschaft wird sicherlich nicht ohne gezielte Unterstützungsmaßnahmen gelingen. Da sich das Land Südtirol kaum verschulden kann, ist die Frage, woher das Geld für eine solche breitgefächerte Unterstützung kommen soll, mehr als legitim. Die zweite nicht ganz unwesentliche Frage ist, nach welchen Kriterien und wie hoch diese Unterstützung ausfallen soll.

Bei dieser Frage wird zwar gern auf unsere nördlichen Nachbarn geschaut, welche bei der ersten Schließung bis zu 80% der Umsatzeinbußen ausgeglichen haben. Nur kann man Deutschland oder Österreich nicht mit Italien vergleichen, da Italien schon vor Covid-19 krisengeschüttelt war. Auch deshalb darf es keine Wirtschaftsunterstützung nach dem Gießkannenprinzip geben.

Begrenzt zur Verfügung stehende Mittel, woher auch immer, müssen gezielt eingesetzt werden und unterstützte Betriebe sollten bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Ob man Unternehmen und Betriebe, die schon vor der Covid-19 Krise in Schwierigkeiten waren helfen kann, sollte grundsätzlich von den Zukunftsperspektiven abhängen.  Auch sollte man nachfragen, ob über die Jahre hinweg alle steuerrechtlichen Vorgaben erfüllt worden, ob man langfristige Arbeitsplätze angeboten hat und ob man die vom Sektor vorgesehenen Kollektivverträge eingehalten hat.

Besonderes Augenmerk ist auf die Begleichung der Sozial- und Rentenbeiträge zu werfen. Vom Einhalten dieser Vorgaben sollte zumindest größtenteils das Anrecht auf den Erhalt von Ausgleichszahlungen abhängen.  Auch könnte man die Steuererklärung der vergangenen Jahre als Berechnungsbasis heranziehen.

Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, wie zukunftsorientiert das Südtiroler Wirtschaftssystem aufgestellt ist. Die Covid-19 Krise hat uns nämlich gezeigt, dass auch ein Land wie Südtirol, das bisher als Vorzeigemodell gegolten hat, nicht krisenfest ist.

Wir sind eine Dienstleistungsgesellschaft in der vom Tourismus und dem Handel viele Wirtschaftsbereiche abhängen. Ein besonderes Augenmerk erfordert die Landwirtschaft, die im Vergleich zu Europa bei uns anders aufgestellt ist. Der Wohlstand des Landes hängt stark von einem funktionierenden Tourismus ab und Handel, Gastronomie und Handwerk hätten ohne die Investitionen im Tourismus große Probleme. Hier bewegen wir uns aber auf sehr dünnem Eis.  

Zu lange hat man sich darauf verlassen, dass die Zuwachsraten in diesem Bereich hoch bleiben und auch der Winter 2019/2020 hätte diese Voraussetzung erfüllt, wäre es nicht Anfang März zu einem abrupten Stopp gekommen. Der Schritt vom Over- Tourismus zum Null - Tourismus hat die ganzen Schwächen unseres Wirtschaftssystems aufgezeigt.

Zehntausende Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt am Tourismus und sind jetzt in Gefahr, und können auch nur schwer aufgefangen werden, da in den anderen Bereichen mehr Bedarf an Fachkräften besteht und eine eventuelle Umschulung nicht von heute auf morgen machbar ist. Auch waren diese Bereiche bisher das Auffangbecken für Betriebskrisen in anderen Bereichen.

Die Sensibilität für eine zukunftsträchtige, wirtschaftspolitische Vision für Südtirol fehlt anscheinend immer noch, sonst wären im Haushalt für das Jahr 2021 mehr Mittel für Forschung und Wissenschaft vorgesehen. Sich auf den Recovery Fond zu verlassen ist richtig, aber in der politischen Lage Italiens eher riskant.

Wir tragen die Verantwortung für die zukünftigen Generationen, auch um zu verhindern, dass sie unsere Versäumnisse ausbaden müssen.