Wirtschaft | Tunnel

Wer guckt hier in die Röhre?

Allzu selten profitierten heimische Firmen von den Arbeiten rund um den BBT, meint der Präsident des Südtiroler Baukollegiums. Er fordert getrennte Ausschreibungen.

Als der Kammerabgeordnete Daniel Alfreider am 25. November 2015 nach einem Treffen zum Brennerbasistunnel folgenden Satz sagte, ahnte er wahrscheinlich nicht, wie aktuell seine Worte drei Monate später noch klingen würden: “Wo vor hundert Jahren noch Tunnels gebaut wurden, um sich gegenseitig zwischen Österreich und Italien zu bekämpfen, bauen wir heute Tunnels, um Europa zu verbinden. Das ist der richtige Weg, gerade angesichts der aktuellen geopolitischen Situation.” Europa verbinden – dieses hehre politische Ziel scheint in der laufenden Debatte um Grenzsicherungen, Kontrollen und Zäune am Brenner in weite Ferne gerückt zu sein. Was die Wirtschaft anbelangt, so stehen ihre Vertreter nördlich wie südlich des Brenners hinter dessen Brückenfunktion. Und während man sich oberirdisch mit eindringlichen Appellen und länderübergreifenden Krisensitzungen gegen das geplante “Grenzmanagement” zur Wehr zu setzen versucht, schafft man unterirdisch konkrete Fakten.


Ein Tunnel als Brücke – für alle?

In Kürze steht in Sachen BBT ein wichtiger Termin an. In weniger als zehn Tagen wird der Zuschlag für die Baulose 2 und 3 erteilt. Die beiden Lose betreffen die Realisierung der Tunnelstrecke Mauls-Brenner und wurden gemeinsam zur stolzen Summe von 1,4 Milliarden Euro ausgeschrieben. Sechs verschiedene Bietergemeinschaften haben sich für die Ausführung der Baulose beworben. Die Finanzierung ist gesichert, noch dieses Jahr will man mit den Arbeiten beginnen. Und falls keine Rekurse der nicht berücksichtigten Bietergemeinschaften dazwischen kommen, bis 2022 fertig sein. Alles nach Plan also. Und doch sind nicht alle mit den Fortschritten, die das Jahrhundert-Projekt macht, zufrieden.

“Verbesserungswürdig” findet Markus Kofler etwa die Ausschreibungen der unzähligen größeren und kleineren Bauarbeiten, die für die Fertigstellung des BBT bis (voraussichtlich) 2026 anfallen. Kofler ist der Präsident des Kollegiums der Südtiroler Bauunternehmer und selbst Geschäftsführer einer Tiefbaufirma in Olang. Für ihn und seine Mitglieder steht fest: Heimische Bauunternehmen schauen häufig durch die Finger, wenn es um das Mega-Projekt BBT geht. Eine Gelegenheit, diese Kritik vorzubringen, hatte Kofler am Montag Vormittag. In der Handelskammer lief eine Tagung für Unternehmer, bei der vor allem die wirtschaftlichen Aspekte des BBTs im Vordergrund standen.


Zahlen sagen nicht alles

Zum ersten Mal bekam Markus Kofler dort Zahlen präsentiert, die er so nicht gekannt hatte. Die Hälfte aller bisher vergebenen Aufträge im Rahmen der Arbeiten am BBT – seien es Dienstleistungen, Bauarbeiten oder Lieferdienste – sind an regionale Unternehmen in Südtirol, dem Trentino oder aus Verona gegangen. So die Auskunft von Raffaele Zurlo, dem italienischen Vorstand der Errichtergesellschaft des Tunnels BBT SE. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das folgendes: Von den 1,2 Milliarden Euro, auf die sich die Summe aller Ausschreibungen bisher belief, gingen 568 Millionen Euro an regionale Unternehmen: 410 Millionen Euro an Trentiner und 157,44 Millionen Euro an Südtiroler Firmen. Die restlichen knapp 97.000 Euro wurden an Firmen aus Verona vergeben.

Markus Kofler: “Wir fordern ja nicht die Baulose von 1,4 Milliarden Euro.”
Foto: Unternehmerverband Südtirol

“Das sind ohne Zweifel wichtige Zahlen”, sagt Markus Kofler, “und doch mit Vorsicht zu genießen”. Im Bereich der Bauarbeiten seien bisher insgesamt 47 Prozent der Aufträge an regionale Firmen gegangen. “Dazu werden aber auch zum Beispiel Baustellen gezählt, an denen diese Firmen nur beteiligt sind – und wenn es nur zu einem Anteil von fünf Prozent ist”, erklärt Kofler. Die Realität sei zwar nicht so, dass die Mitgliederunternehmen des Baukollegiums überhaupt keine Chance auf die Ausführung von gewissen, vor allem kleineren Arbeiten hätten. Und doch sieht Kofler ein Potential, um mehr einheimischen Betriebe die Möglichkeit zu geben, “von dieser einmaligen Gelegenheit zu profitieren”.


Der Vorschlag der Bauer

“Wir fordern ja nicht die Baulose von 1,4 Milliarden Euro”, stellt der Baukollegium-Präsident klar, “so realistisch sind wir schon, dass wir wissen, dass diese einige Größenordnungen zu groß für uns sind”. Eine Chance für die Südtiroler Baufirmen würde es hingegen geben, wenn einige gewisse Nebenarbeiten, die in den Baulosen enthalten sind und die laut Kofler auch “alleine gut funktionieren”, getrennt ausgeschrieben werden würden. “Ich denke da etwa an Erschließungsstraßen, logistische Arbeiten, Umfahrungen und so weiter.” Für die heimischen Baufirmen könnten sich dadurch große und wichtige Aufträge ergeben, teilweise ginge es nämlich um Millionenbeträge, weiß Kofler.

Auf der BBT-Tagung der Handelskammer, v.l.: Martin Ausserdorfer, Michl Ebner, Arno Kompatscher und Raffaele Zurlo. Foto: Handelskammer Bozen

Rückenwind für seine Forderung nach getrennten Ausschreibungen für Nebenarbeiten, die in den großen Baulosen enthalten sind, bekommt er von oberster Stelle. “Es ist uns ein Anliegen, dass möglichst viele Aufträge, die indirekt mit dem Tunnelbau zusammenhängen, an die Südtiroler Unternehmen vergeben werden”, betonte Handelskammerpräsident Michl Ebner am Montag. Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat Arno Kompatscher schlug in dieselbe Kerbe. Er war der Eröffnungsredner auf der Handelskammer-Tagung und zeigte sich mit Kofler einig. Auch an die Politik werde immer wieder eine stärkere Beteiligung und Einbindung der lokalen Wirtschaft beim Bau des BBT herangetragen. “Die Adressaten für diese Forderung sind aber in erster Linie die Verantwortlichen der BBT SE”, spielte Kompatscher den Ball weiter.

Auch diese waren mit Raffaele Zurlo und Martin Ausserdorfer (Direktor der BBT-Beobachtungsstelle) bei der Tagung anwesend. Da der BBT ein Bauprojekt von europäischer Dimension sei, seien auch die Ausschreibungsmechanismen dementsprechend komplex, hieß es von ihrer Seite. Eine getrennte Ausschreibung von Nebenarbeiten eines Bauloses ist für die BBT SE aber keine Alternative. “Sie haben uns, und das ist auch verständlich, klar gemacht, dass für sie das Gesamtbauwerk im Vordergrund steht, und sie Bedenken wegen eventueller Verzögerungen oder zusätzlicher Kosten haben”, berichtet Markus Kofler. Die Befürchtung, dass sich der Versuch, heimische Firmen stärker am BBT zu beteiligen negativ auf die Zeit und den Preis auswirken könnte, teilen die Mitglieder des Baukollegiums aber nicht. À propos Preis: Laut letzten Schätzungen der CIPE werden sich die Gesamtkosten zur Realisierung des BBT am Ende auf 8,8 Milliarden Euro belaufen.

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Profil für Benutzer Fritz Gurgiser
Fritz Gurgiser Mi., 02.03.2016 - 07:49

Schön, für diesen Bericht bin ich dankbar; wirklich dankbar. Als Steuerzahler, der stiller Sponsor ist. Als Tiroler, der von den Transitbelastungen massiv betroffen ist - dabei ist es egal, ob man nördlich oder südlich des Brennerpasses zu Hause ist.
Denn nun ist einmal mehr klar, worum es geht: Um Teile eines Kuchens, den genau die berufstätigen Frauen und Männer nördlich und südlich des Brennerpasses mit ihren Steuern bezahlen - ob selbständig oder unselbständig - der nur dazu dient, dass die Politik nördlich und südlich des Brennerpasses ihre Bauklientel "bedient".
Das ist die "gelebte Europaregion": Am Brennerpass Korridore für Transit-Lkw aufmachen und unter dem Brennerpasse Steuergeld in Milliardenhöhe an die Bauklientel "verlagern". Im vollen Bewusstsein, dass der BBT niemals das Transitproblem lösen wird, denn dafür wird er nicht gebaut - er ist und bleibt Teil einer Hochleistungsstrecke Berlin-Palermo. Und auf Hochleistungsstrecken verkehren gewöhnlich keine oder nur ganz wenige Güterzüge.
Wenn es aber gar um ein Lkw-Nachtfahrverbot von Rosenheim bis Verona geht, dann treten sie NICHT geschlossen auf, die Herren Platter, Kompatscher und Rossi. Wenn es darum geht, die Lkw-Km-Tarife entlang der Strecke Rosenheim bis Verona auf Wegekostenniveau anzuheben, dann gehen sie getrennte Wege, die Herren Platter, Kompatscher und Rossi. Wenn es darum geht, Lkw-Fahrverbote für die ärgsten Stinkler der Klassen Euro 0,1,2 ... zu erlassen, dann sind sie auf der Flucht, die Herren Kompatscher und Rossi.
Fazit: Wenn es um Milliarden an die internationale Bauindustrie geht (mit ein paar Peanuts für die lokalen Erdbeweger und Transporteure), dann laufen sie im Gleichschritt.
Wenn es um den Schutz der eigenen Bevölkerung und Wirtschaft geht, dann sind sie auf der Flucht oder setzen ihr "König-Laurin-Tarnkappele" auf.
Wenn es um das "Beobachten" der BBT-Baustelle und die damit verbundenen Märchenerzählungen geht, dann gibt es sogar eine Beobachtungsstelle mit einem hochsubventionierten Herrn mit roter Krawatte und roter Hose.
Wenn es um das "Beobachten" der Transitbelastungen geht, gibt es nichts - das überlassen sie uns selber.
Was ist das bloß für eine miese Politik in Tirol geworden, der die eigene Bevölkerung nur mehr dazu dient, ihr Milliarden an Steuergeld für ein Loch zu entziehen und ihr im Gegenzug die Belastungen aus dem Lkw-Transit - mittlerweile bereits 1,1 Millionen Transitlaster im Umweg, vorwiegend mit Kennzeichen der Staaten, die ihr Staatsgebiet mit Stacheldrahtzäunen "asyldicht" gemacht haben - tapfer erhält.
Siehe auch: www.transitforum.at
STOPP TRANSITLAWINE AM BRENNER.
LG
Fritz Gurgiser, Obmann
Zeit, all das öffentlich zu diskutieren und Zeit, unsere Rechte als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einzufordern.

Mi., 02.03.2016 - 07:49 Permalink