Umwelt | Artenschutz

Fischökologisch sehr wertvoll

Hochwasserschutz und Flussrevitalisierung – geht das zusammen? In Brixen wird ein Vorzeigeprojekt umgesetzt, das fischökologisch eine enorme Aufwertung bringt.
Wildbachverbauung Brixen
Foto: LPA
  • „Leben am Fluss bedeutet Leben im Spannungsfeld“, heißt es in der Broschüre zum Projekt StadtLandFluss. Seinen Anfang nahm das Projekt bereits im fernen Jahr 2009, und zwar mit einem Flussraummanagementplan. Ziel war es zum einen, den Talboden sicherer und lebenswerter zu gestalten und zum anderen, den Flussraum im mittleren Eisacktal ökologisch aufzuwerten. Träger des mit Geldern aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung EFRE umgesetzten Projekts sind die Agentur für Bevölkerungsschutz sowie die Gemeinden Brixen und Vahrn. 

    Vor Kurzem hat die Gemeinde Brixen die Veranstaltung Flussraumforum abgehalten, in deren Rahmen Experten und Sachverständige die verschiedenen Baulose vorstellten und einen Ausblick gaben, was in der nächsten Zeit noch an Arbeiten ansteht. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Andreas Jungmann gab Florian Knollseisen, Direktor des Amtes für Straßenbau Nord/Ost, eine Einführung in die Materie. Zu den Bauarbeiten referierte Philipp Walder, Direktor des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung Nord, Oscar Cainelli gewährte interessante Einblicke in eine hydrologische Studie, Stadtrat Peter Natter präsentierte die Pläne für die stehende Welle auf Höhe der ehemaligen Kulturanstalt Gutenberg und zwei Oberschüler stellten ihre Ideen für die Rappanlagen im Rahmen des Wettbewerbs „City Challenge“ vor. Über die ökologische Aufwertung des Eisack im Zuge der Umgestaltungsmaßnahmen berichtete Markus Heiss, Präsident des Fischereivereins Eisacktal und des Landesfischereiverbandes.

  • Markus Heiss, Präsident des Südtiroler Fischereiverbandes: „Leider sind die Flüsse in Südtirol extrem verbaut, beispielsweise mit Querbauwerken, welche die Wanderungen der Fische stören und behindern.“ Foto: SALTO

    Der Fischereiverein Eisacktal bewirtschaftet die Gewässer von Klausen bis Franzensfeste auf der Eisackseite und von Brixen bis St. Sigmund auf der Rienzseite. Der Verein zählt rund 200 Mitglieder und besitzt in den genannten Gewässern sämtliche Fischereirechte. „Für uns ist StadtLandFluss ein sehr interessantes Projekt, weil umfangreiche finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um auch fischökologisch bedeutende Verbesserungen herbeizuführen“, so Heiss, der dem Amt für Wildbachverbauung Nord für seine lösungsorientierte Herangehensweise ein großes Lob aussprach.  In Bezug auf die Frage nach der Machbarkeit erklärte Heiss: „Der Hochwasserschutz hat natürlich Priorität und das ist uns auch allen bewusst.“

  • Lebensraum Fluss

    Vor allem die Entfernung der Sohlschwellen, wie beispielsweise auf Höhe der Aquarena, sei eine bedeutende Maßnahme gewesen. „Fische, vor allem Salmoniden legen weite Wanderwege zurück. Leider sind die Flüsse in Südtirol extrem verbaut, beispielsweise mit Querbauwerken, welche die Wanderungen der Fische stören und behindern“, erklärte der Präsident des Fischereiverbandes. Das führt dazu, dass zwischen den Populationen in den verschiedenen Gebieten kein genetischer Austausch mehr stattfinden kann. Die Sohlschwellen waren nur für die „Spitzensportler“ unter den Fischen überwindbar, für eine weitere einheimische Arte, die Äsche oder die Mühlkoppe, im Volksmund „Tolm“ genannt, stellten sie jedoch ein unüberwindbares Hindernis dar. Das heißt, dass es oberhalb der Sohlschwelle keine Äschen-Bestände gab. 

  • Sohlschwelle: Das Hindernis auf Höhe der Aquarena wurde rückgebaut. Foto: LPA/Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung Nord
  • „Der Abbau dieses Hindernisses war sehr wichtig, weil nun vom Villnösser Stausee bis Franzensfeste, insgesamt rund 15 Flusskilometer, ein Kontinuum entstanden ist“, so Heiss. Auch während der Bauarbeiten, in denen Teile des Eisack trockengelegt werden mussten, habe man sehr viel Sorgfalt und Mühe auf sich genommen, um an den Fischbeständen so wenig Schaden wie möglich anzurichten. So sind gemeinsam mit Mitarbeitern der Wildbachverbauung an die 1.000 Mühlkoppen gerettet worden, indem sie eingesammelt und an anderer Stelle des Eisack wieder freigelassen wurden. „Die Mühlkoppen sind für das gesamte System sehr relevant, weil sie eine der Hauptnahrungsquellen für die Forellen darstellen. Wo große Vorkommen an Mühlkoppen existieren, geht es auch den Forellen gut“, so der Präsident des Fischereiverbandes. Zudem sind sie ein guter Indikator für saubere, nährstoffreiche und kalte Gewässer. Nach dem Abbau der Sohlschwellen lag das Hauptaugenmerk auf der Gestaltung des Flusslaufes. Wichtig, so Heiss, sei dabei gewesen, die Restwassermenge des Franzensfester Stausees nicht über das gesamte Flussbett zu verteilen, sondern tiefe Bereiche zu schaffen, in denen ausgewachsene Forellen überleben können. Zu diesem Zweck wurde ein sogenanntes Niederwassergerinne errichtet, wo die Wassermassen in der Mitte kanalisiert werden und Tiefen bis zu einem Meter und mehr entstehen. Diese Vorgehensweise sollte auch in jenem Bereich angewandt werden, der im nächsten Baulos umgestaltet wird, so Heiss. Jene Bereiche des Eisack, die vor den Umbauarbeiten und Aufweitungsmaßnahmen einem tristen Kanal glichen, sind mittlerweile umgestaltet worden. Durch die Schaffung von unterschiedlichen Tiefen und Strömungen ist die Gewässerzone ökologisch enorm aufgewertet worden – fischökologisch sei laut Heiss sogar eine gewaltige Verbesserung erzielt worden. 

  • Riesenforelle im Eisack: 1,2 Meter Länge und elf Kilogramm Gewicht – das die stolzen Maße der Marmorata, die im Eisack gefangen wurde. Foto: Fischereiverein Eisacktal

    Abschließend berichtete der Präsident des Fischereiverbandes noch über den Fang eines Prachtexemplars einer Marmorierten Forelle mit 1,2 Meter Länge und elf Kilogramm Gewicht unterhalb der Mündung des Schalderer Baches in den Eisack – seit fünf Jahren übrigens ist die Entnahme zum Verzehr verboten und jedes gefangene Exemplar wird genetisch untersucht und wieder schonend in das Gewässer eingesetzt. Wie berichtet, beteiligt sich der Südtiroler Fischereiverband gemeinsam mit dem Aquatischen Artenschutzzentrum und den lokalen Fischereiverbänden an einem Artenschutzprojekt zur Erhaltung der Marmorierten Forelle. „So ein Exemplar ist natürlich die Ausnahme“, erklärte Heiss, „aber nur möglich in einem Fluss, der die ökologischen Voraussetzungen dafür bietet.“ Die Freude über den Fund sei umso größer gewesen, nachdem diese Fischart – auch durch menschliche Fehler – sehr in Bedrängnis geraten ist. Durch Einkreuzung mit der Bachforelle entstanden Hybrid-Populationen, während die ursprüngliche Leit-Fischart zunehmend verschwindet. „In dieses große Artenschutzprojekt fließen Tausende von Stunden ehrenamtlicher Arbeit seitens der Vereinsmitglieder. Vor allem unsere jungen Fischer freuen sich über die wilden Fischbestände in den Bächen und Flüssen. Das ist unser Antrieb und unsere Passion. Wir sehen uns vor allem als Hüter der Gewässer-Ökosysteme“, so Heiss.