Beruf mit Zukunft
Ob genannte Forderung ist nichts Neues. Sie hat mich und meine Kolleg/inn/en unser ganzes Berufsleben als Berufsberater begleitet. Wenn etwas nicht glatt läuft und vor allem, wenn es Jugendarbeitslosigkeit gibt, ist in erster Linie die Berufsberatung Schuld. Oft wird argumentiert, als befänden wir uns in einer Planwirtschaft und es könnte genau gesteuert werden, wer was wählt, welche Rolle die einzelnen Jugendlichen zu übernehmen hätten und für welchen Arbeitsplatz sie bestimmt seien. Dabei konnte jedenfalls in Vergangenheit weder die Wirtschaft, noch die Arbeitsmarktbeobachtung auch nur annähernd konkrete Prognosen liefern.
In Deutschland, wo die Bundesanstalt für Arbeit ein eigenes Studien- und Forschungsinstitut unterhält, hat man sich mit konkreten diesbezüglichen Festlegungen zurückgehalten, denn einerseits gibt es keine generell gültigen Prognosen oder Lösungen, die 1:1 auf die Einzelnen passen. Andererseits könnte eine solche auch eine Fehlsteuerung zur Folge haben, wie es bereits oft – auch Südtirol- passiert ist.
Das ist die eine Seite. Zum anderen stellt sich die Frage, wie groß ist der Einfluss der Berufsberatung als öffentlicher Dienst bzw. des –Beraters als Person? Ob genanntes Studieninstitut hat festgestellt, dass die Eltern den größten Einfluss bei der Wahl des Berufs bzw. einer Ausbildung haben. An zweiter Stelle kommt die Gruppe der Gleichaltrigen, dann die Lehrpersonen, die Medien und fast unter ferner liefen die Berufsberatung.
Dieses Ergebnis deckt sich in etwa mit meiner Erfahrung. Wir mussten feststellen, dass Eltern bei Mittelschulabgängern oft ganz etwas anderes entschieden, als Berufsberatung und Vertrauenslehrperson als geeignete erachteten. Andererseits konnten wir feststellen, dass die Abgänger einer Klasse zur Hälfte z. B. in die Handelsoberschule gingen, weil der Lehrer diese als die beste empfahl oder weil die Freundin oder die anderen der Clique auch in diese gingen. In der nächsten Klasse gab es wieder einen anderen Trend.
Sicher ist die Situation bei den Lehrberufen einfacher, da der Stellenmarkt den Zutritt regelt. Andererseits gibt es in Mode-Lehrberufen auch arbeitslose Lehrabsolvent/inn/en.
In meinem Umfeld gibt es einige Studienabsolvent/inn/en, die wissentlich sogenannte aussichtslose Studienrichtungen gewählt haben, dabei von ihren Eltern unterstützt worden sind und diese – wie auch ihre Kinder – jetzt keine Drama daraus machen. Zukunft muss der junge Mensch haben und nicht der Beruf – und wenn es für diese passt?
Über mehrere Jahre stand auf dem Faltblatt/Prospekt der Berufsberatung uA der Satz: „Wir reden nichts ein und wir reden nichts aus“ – Ergänzen müsste man den Leitsatz noch mit: ….wir helfen dir, die für dich passendste Lösung zu finden.
Das Dilemma
Hoi Oliver, Goldschmied ist ein schöner Beruf und viele Jugendliche möchten das lernen. Doch es gibt kaum Lehrstellen, wie in den meisten kreativen und kunsthandwerklichen Berufen. Die Berufsträume der Jugendlichen sind nicht so leicht zu verwirklichen. Bei vielen kann man zwar eine schulische Ausbildung machen, aber dann.....
Solange ich Berufsberater war - und wahrscheinlich auch jetzt noch - gab es eine Broschüre - jährlich neu und aktuell - , in der hunderte Berufe kurz beschrieben sind/waren. Seit Anfang der 80-er Jahre gibt es an den größeren Berufsberatungsstellen sogenannte Infotheken, mit ausführlicheren Berufsbeschreibungen, z. T. sogar mit Video-Filmen. Mittelschulen organisierten in Zusammenarbeit berufskundliche Vorträge und Berufserkundungen. Ich hatte oft den Eindruck bei vielen Jugendlichen, dass sie nicht mal wussten, ob sie überhaupt etwas wollten. Sobald diese Voraussetzung gegeben ist und sie motiviert sind, kann man ihnen ja helfen.
Leitplanken-Funktion
Berufsberatung hat immer irgendwie funktioniert und heute werden soviele Informationsveranstaltungen angeboten, dass es wirklich nur mehr am Interesse der Jugendlichen liegen kann. Der Ernst des Lebens beginnt eben leider erst im Job und dann gehen vielen die Augen auf. Dem kann nur frühzeitiges "Schnuppern" durch Sommerjobs usw. am besten abhelfen.
Bei solchen Themen darf man sich nicht in Einzelheiten verlieren. Eine gute Berufsberatung erkennt Trends, kanalisiert, steuert entgegen, motiviert und zeigt Vor-und Nachteile auf. Spielen doch sehr viele Faktoren, auch außerschulische, bei der Schul-und Berufswahl mit. Ich sehe da nur eine Möglichkeit, Leitplanken zu setzen. Der Platz dazwischen bleibt den Betroffenen frei. Und das ist gut so.
Der berufliche Horizont
Ja, du hast recht, Oliver, wenn du schreibst "...als Schüler kennt man nur die Berufe, die man aus dem familiären Umfeld..." kennt. Viele kennen gar nicht mal den Beruf des Vaters, der Mutter, usw. Sie wissen vielleicht, die arbeitet beim Land; der ist bei der Durst. Was er oder sie dort tun und wie der Beruf genau heißt, wissen sie oft nicht; waren auch nie am Arbeitsplatz der Mutter oder des Vaters. Sie kriegen aber mit, dass Arbeit Stress macht und belastet, dass sie die Stimmung der Eltern häufiger verdirbt, als erhöht. Also für den Jugendlichen nicht unbedingt es Erstrebenswertes. Als ich noch Kind war, konnte man z. B. den Schmied von der Straße aus bei seiner Arbeit zu schauen, ebenso den Mechaniker und anderer Handwerksberufe. Heute sind die alle in Hallen in Handwerker-Zonen verbannt und nicht mehr einsehbar. Was der Mittelschüler direkt sehen kann, ist Arbeit der Lehrpersonen, des Sekretariatspersonals, des Friseurs, der Verkäuferin, der Kindergärtnerin, Des Busfahrers, des Straßenarbeiters, usw. - wenn es gut geht, noch den Schalterbeamten bei der Bank oder Post.
Ja, die Devise vieler Eltern: Die Kinder sollen es besser haben, als wir - und sie möchten auch Stolz sagen können: Mein Sohn, meine Tochter sind "Dokter", wenn diese dann auch weniger verdienen als mancher Handwerker.
"Ironischerweise ist man fast noch zu jung, sobald man sich für eine Oberschule, eine Lehre, ....entscheiden muss." Bußhoff, ein Professor eine spezifischen Fachhochschule hat die von Ihm so genannte Berufswahlkompetenz erforscht. Das Ergebnis war: je nach eigenem Entwicklungsstadium wird diese zwischen 14 und 18 Jahren erreicht. Das war von 30 Jahren. Heute könnte man die Spannbreite nach oben erweitern. Das sich diese Berufswahlreife aber nicht automatisch mit dem Älter-werden ergibt, hat Egloff, ein Schweizer Berufsberater und Psychologe ein komplexes pädagogisches und kooperatives Modell entwickelt, dazu Materialien für Schüler, Lehrpersonen, Berufsberater sowie Berufsleute entwickelt. Dieses hat man versucht, auch bei uns einzuführen. Nach anfänglicher Begeisterung - mindestens einiger an diesem Entwicklungs- und Lernprozess Beteiligter - ist es, so glaube ich, inzwischen ziemlich versandet. Die Wirtschaft und Berufsverbände machen anstatt konkreter und anschaulicher Berufsinformation aufgestylte Werbeveranstaltungen.