Umwelt | Interview

„Größere Schäden akzeptieren“

Margreth Keiler erforscht das steigende Risiko von Naturgefahren in den Alpen. Die renommierte Geographin benennt im Gespräch die Herausforderungen des Klimawandels.
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Foto: ÖAW / Klaus Pichler
Die Geographin und Geomorphologin ist Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW und Professorin am Institut für Geographie an der Universität Innsbruck. Bei der Veranstaltung der Akademie Meran „Zwischen Sommerfrische und Klimawandel“ Ende vergangener Woche sprach Margreth Keiler zu den Herausforderungen im Umgang mit Naturgefahren.
 
salto.bz: Frau Keiler, welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Bevölkerung im Lebensraum der Alpen?
 
Margreth Keiler: Es werden neue Herausforderungen auf uns zu kommen, erleben konnten wir das bereits auf der südlichen Seite der Alpen mit der extremen Trockenheit in den letzten Monaten. Es war ein sehr ungewöhnlicher Winter für uns und diese Veränderungen werden in Zukunft zunehmen. Neben sehr langen Trockenperioden werden auch extreme Niederschläge häufiger auftreten, außerdem wird es auch in höheren Lagen zu Hitzetagen kommen. Das hat auch Auswirkungen auf die Schneelagen und den Permafrost in den Alpen. Durch die höheren Temperaturen taut der Permafrost, es kommt vermehrt zu Sturzaktivitäten und Hänge werden instabiler. Es wird also mehr Material zur Verfügung gestellt, das beispielsweise durch Murgänge mobilisiert werden kann. Diese dann größeren Murgänge werden im Tal auch Infrastrukturen wie Straßen sowie Häuser und landwirtschaftliche Flächen treffen.
 
 
Welche traditionellen Strategien gibt es im Alpenraum, um sich vor Naturgefahren zu schützen?
 
In Südtirol und Österreich sind die Gefahrenzonenpläne ein wirksames Instrument, um in der Raumplanung die Ausweisung von gefährdeten Gebieten berücksichtigen zu können. Damit werden in gefährdeten Gebieten keine Gebäude errichtet oder es gelten bei einer geringeren Gefährdung Bauauflagen für die Gebäude. Für das Management von Naturgefahren und Ereignissen sind der Zivilschutz und die Feuerwehren verantwortlich. Sie üben den Ernstfall regelmäßig, beispielsweise gab es kürzlich in Innsbruck eine Übung mit allen Einsatzkräften für Hochwasser. Neben dem Training sind die verschiedenen Warnsysteme eine präventive Maßnahme zum Schutz vor Naturgefahren, etwa für Lawinen und Hochwasser. Bei Rutschungen oder Stürzen sind die Prognosen hingegen schwieriger, weil das lokale Ereignis noch verhältnismäßig selten und leider ohne Vorwarnung eintritt.
 
Wie müssen diese Strategien nun an den Klimawandel angepasst werden?
 
Derzeit wird intensiv an angepassten Maßnahmen und Warnsystemen für Naturgefahren geforscht, um die zukünftigen Bedingungen durch den Klimawandel zu integrieren. Unsere Methodik und Ergebnisse sollten nach und nach in der Praxis von den Einsatzkräften umgesetzt werden. Dieser Prozess ist bereits angelaufen und ist auch von politischen Entscheidungen abhängig. Denn als Allererstes muss durch die Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden, dass der Klimawandel sich nicht noch weiter verstärkt, weil irgendwann erreichen wir die Grenze der Anpassung.
Am Ende müssen sie selbst das Risiko für sich abwägen.
Was wäre dann der zweite Schritt?
 
Da die Auswirkungen des Klimawandels uns bereits durch das vermehrte Auftreten von Naturgefahren erreicht haben, müssen die Gelder nicht nur für die Instandhaltung der bestehenden Schutzbauwerke, sondern auch für den Ausbau verwendet werden. Hier stehen die Fragen im Raum, wie stark wir uns von ihnen abhängig machen wollen und inwiefern weitere Schutzbauten noch mit unserem Leben kompatibel sind. Beispielsweise könnte ein Fluss mit sehr hohen Mauern versehen werden, um vor Hochwasser zu schützen, dann fehlt aber der Zugang zum Flussgebiet als Naherholung. In bestimmten Fällen werden wir größere Schäden also akzeptieren müssen.
 
Vor welchen Herausforderungen stehen hierbei die Einsatzkräfte?
 
Im Bereich der Einsatzkräfte müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, wie wir noch Personen finden können, die auch in kleineren Gemeinden von Tälern freiwillig einen Einsatz leiten und trainieren wollen. Gerade in diesen Gemeinden pendeln viele Menschen zu ihrem Arbeitsplatz und sie wären bei einem Naturereignis möglicherweise gerade gar nicht anwesend. Nicht nur das Klima verändert sich, sondern auch wir als Gesellschaft. Das betrifft das Arbeitsleben, den Wohnort und die Mobilität.
 
Was können wir aus Ereignissen wie dem im letzten Juli auf der Marmolata ereigneten Unglück lernen?
 
Wie bereits zuvor ausgeführt sind Hangrutschungen und Stürze schwer prognostizierbar, sie werden aber durch den Klimawandel häufiger. Deshalb ist es wichtig, dass sich Menschen, die im hochalpinen Gelände unterwegs sind, dieser Gefahr bewusst sind. Am Ende müssen sie selbst das Risiko für sich abwägen.
 
 
Welche Faktoren spielen für die Risikoeinschätzung eine Rolle?
 
Wer im Gebirge unterwegs ist, muss damit rechnen, dass es zu einer Verletzung des eigenen Körpers kommen kann oder sich die Witterung ändert. Dabei gibt es weniger gefährliche Routen, wie auf einem flachen Hochplateau, oder beispielsweise Routen, die über sehr steile Gletscher verlaufen. Ich muss also den Raum kennen und die unterschiedlichen Gefahren einschätzen können. Dafür gibt es verschiedene Bildungsangebote und Handbücher, etwa für Lawinen.
 
Welche Folgen hat das erhöhte Risiko von Naturgefahren auf den Tourismus im Alpenraum?
 
Durch die steigende Gästeanzahl in den Alpen steigt auch das Risiko, dass Personen in Naturereignisse verwickelt werden könnten. Zudem werden durch den Tourismus Gebäude wie Hotels und Infrastrukturen wie Straßen oder Seilbahnen errichtet, die ansonsten nicht errichtet werden würden und auch diese können von Naturereignissen betroffen sein. Nun muss beobachtet werden, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Tourismus in den Alpen hat. Zurzeit geht der Trend eher dahin, dass sich durch die höheren Temperaturen wieder mehr Sommertourismus im Gebirge entwickelt, wo es beispielsweise kühler ist als in Städten. Ob durch den Klimawandel mehr oder weniger Personen in den Alpen ihre Freizeit und ihren Urlaub verbringen wollen, wird sich noch zeigen.
 
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mo., 01.05.2023 - 06:26

Ernst-Zunehmende Wissenschaftler warnen bereits seit 50 Jahre vor dem leichtfertigen Einsatz der fossilen Brennstoffe, mit denen zuviel CO2 freigesetzt wird.
Die frei-Setzung von CO2 wirkt (wie Fieber) als Gaspedal, weil die wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnimmt, der mit dem CO2 und den weiteren Klima-störenden-Gasen, bis zu 2/3 bei der zu hohen Rückstrahlung der Sonnen-Energie aus dem Klima-Schirm beteiligt ist.
Die Bergstürze werden nach besonders heißen Tagen, von den bisher durch Dauerfrost gebundenen Nordhängen kommen, aber durch die häufiger auftretenden punktuellen stark-Regen-/Hagelschlag-Fälle, auch von den fragilen Schotter-Hängen der Ost-Süd- und Westseiten abgehen.

Mo., 01.05.2023 - 06:26 Permalink