Politik | Umwelt

Gestutztes Glyphosat

Das meistverbreitete Unkrautvernichtungsmittel der Welt soll in der EU für weitere anderthalb Jahre zugelassen werden, schlägt Gesundheitskommissar Andriukaitis vor.

Krebserregend oder nicht, in der EU wird das Unkrautgift Glyphosat voraussichtlich für weitere anderthalb Jahre zugelassen. Am Montag will die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten einen entsprechenden Vorschlag vorlegen: Die Zulassung für das umstrittene Umkrautvernichtungsmittel, die Ende Juni ausläuft, soll vorübergehend für 18 Monate verlängert werden. Ursprünglicher Plan der EU war es, das vom Chemie-Konzern Monsanto hergestellte Mittel noch sieben Jahre lang zu erlauben, davon sah die Kommission jedoch wegen der heftigen Widerstände einiger Mitgliedsländer ab. Das letzte Wort im Glyphosat-Streit steht nach Darstellung des Kommissars der Europäischen Chemikalien-Agentur (Echa) zu. Vor dem Ablauf der anderthalbjährigen Frist soll sie in einem Gutachten klären, ob das Pestizid nun krebserregend ist oder nicht.

Gestern (31. Mai) diskutierten in einem Pro und Contra auf RAI Südtirol Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler und Michael Oberhollenzer, Obmann von Bioland Südtirol, zur Frage, ob ein Glyphosat-Verbot nun sinnvoll wäre oder nicht. Schuler stand dabei in der Ecke des Glyphosat-Befürworters, äußerte sich aber teilweise durchaus kritisch zu dem Unkrautgift – vor allem, was den unsachgemäßen Einsatz in der Landwirtschaft und das Sprühen im öffentlichen Grün aus rein ästhetischen Gründen anbelangt. Seine Grundsatzposition lautet allerdings: ob Glyphosat krebserregend sei oder nicht, stehe nicht eindeutig fest. Solange die gesundheitsgefährdende Wirkung von der Wissenschaft nicht eindeutig nachgewiesen sei, solle die Politik hier nicht vorgreifen, erklärte der Landesrat und stellte eine zentrale Frage in den Raum: Was kommt nach dem Glyphosat? „Von einem Herbizid zum anderen zu wechseln, kann nicht die Lösung sein“, so Schuler.

(Quelle: RAI Südtirol)

Oberhollenzer warnte hingegen vor einem „blinden Glauben“ an die Industrie und ihre Behauptungen. „Viele Bauern setzen Glyphosat mit Bauchweh ein.“ Es sei bedenklich, dass das Gift oft auch „kurz vor der Ernte auf die Lebensmittel gesprüht“ werde. „Unter welchem Druck müssen Europas Landwirte stehen, dass sie dazu bereit sind?“ Die industrielle Landwirtschaft habe keine Zukunft, so Oberhollenzer. Schuler pflichtete dem Bioland-Chef in diesem Punkt bei: mittel- und langfristig sei ein Abschied von Umweltgiften der richtige Weg. Unkrautvernichter auf Lebensmittel zu sprühen, sei „ein unnötiges Risiko“, so der Landesrat.

Ein Ausweg, der den Glyphosat-Gegnern unter den EU-Mitgliedsstaaten bleibt, ist ein Verbot auf einzelstaatlicher Ebene. Darauf wies Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis auf seiner heutigen Pressekonferenz ausdrücklich hin. Dänemark hat diesen Schritt bereits vollzogen, Frankreich ist drauf und dran. Weitere Glyphosat-Gegner sind Italien, Schweden und die Niederlande. Landwirtschaftsminister Maurizio Martina hat einen „Piano nazionale glifosato zero“ angekündigt: bis zum Jahr 2020 soll das Herbizid von Italiens Anbauflächen verschwinden.

(Quelle: Twitter)

Aber auch auf lokaler Ebene hat die Politik eine Handhabe: In Südtirol hat der Landtag letztes Jahr auf Antrag des Abgeordneten Paul Köllensperger (5-Sterne-Bewegung) den Einsatz von Glyphosat auf öffentlichen Grünflächen untersagt. Ähnliche Vorstöße gibt es auch auf Gemeindeebene.

In der Debatte rund um Roundup und andere Glyaphosat-haltige Mittel  wehren sich die Bauern zunehmend gegen das Image, die einzigen Umweltgiftler zu sein. Dass Glyphosat längst nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt wird, sondern auch in Freizeit- und Grünanlagen und in privaten Gärten, kam auch in der gestrigen RAI-Fernsehsendung zur Sprache: „Auf Golfplätzen, in Sportanlagen und im städtischen Grün wird auch gespritzt“, sagte Schuler. „Wenn's schön ausschauen soll, ist Weihwasser nicht genug.“