Gesellschaft | Tourismus

„Geht nach Hause!“

Zigtausende Bürger sind auf den Kanaren auf die Straße gegangen, um gegen den Massentourismus zu protestieren. Jetzt ziehen die Balearen nach.
Palma de Mallorca
Foto: Ralf Roletschek
  • „Mallorca ist nicht käuflich“, unter diesem Motto schritten am vergangenen Samstag tausende Bürgerinnen und Bürger durch die Straßen von Palma de Mallorca. Die Bewohner der Stadt, die für eine besondere Art des Tourismus bekannt ist, haben es satt. Und nicht nur sie. Medienberichten zufolge haben sich Bürger der gesamten Insel in der Hauptstadt versammelt, zwischen 10.000 und 25.000 sollen es gewesen sein – eine der größten Kundgebungen aller Zeiten auf der Insel. Die Kritik lautet, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung vom Tourismus profitiert. Im vergangenen Jahr war die Inselgruppe nach Katalonien die zweitbeliebteste Touristenregion Spaniens. 

    Vor kurzem erschien eine Studie des Statistischen Amtes der EU Eurostat, in welchem die beliebtesten europäischen Urlaubsregionen, festgemacht an Übernachtungen pro Einwohner, aufgelistet wurden. Die Balearen liegen im Ranking auf Platz fünf mit 53 Übernachtungen pro Einwohner im Jahr 2022. Im letzten Jahr empfingen die Inseln insgesamt 14,4 Millionen ausländische Besucher. Zuviel, finden die Bewohner des Idylls, obwohl der Tourismus 45 Prozent des Bruttosozialprodukts des Archipels ausmacht. Mallorcas Bürgermeister will jetzt hart durchgreifen. So fordert er Begrenzung der Urlauberzahl sowie der Mietwagen, der Kreuzfahrtschiffe und der Ferienwohnungen. Außerdem sollen neue Gästebetten in der privaten Ferienvermietung verboten werden.

    Während viele europäische Urlaubsdestinationen einen Schlussstrich verlangen und mit Transparenten und Trillerpfeifen auf die Straßen gehen, verhält sich in Südtirol alles relativ ruhig. Eine gewisse Tourismusmüdigkeit ist zwar auch hier zu verspüren, vor allem in den sogenannten Hotspots, von Protesten scheint man aber noch weit entfernt. Auf der Liste von Eurostat ziert Italiens nördlichste Provinz den vierten Platz, einen höher als die Balearen. Der Abstand der Nächtigungen pro Einwohner ist beachtlich, 63 sind es in Südtirol. Trotzdem sind Südtirols Straßen leer - zumindest was Demonstranten angeht.

  • Spaniens Inseln haben es satt: Bereits im April fanden Proteste auf den Kanaren statt. Foto: Ansa Il Post
  • Probleme? Überall dieselben

    Auch auf den Balearen nennen die Organisatoren der Demo jene Thematik, die auch auf den Kanaren eine große Rolle spielt und nicht zuletzt Südtirol betrifft: Die hohen Wohnkosten und die damit zusammenhängende Wohnungsnot. Das Problem der Balearen ist im Grunde genommen simpel: Für Vermieter ist es oft rentabler an Feriengäste zu vermieten als an Einheimische. Eigentumswohnungen wiederum werden an wohlhabende Ausländer verkauft. Die Einheimischen können nicht mithalten und müssen sich ins Hinterland zurückziehen und fühlen sich von den Touristen vertrieben. Von dort aus müssen sie dann wieder zu ihren Arbeitsplätzen pendeln, dadurch entsteht Verkehr und Stau. Letzteres ist auch in Südtirol schon seit längerem Diskussionsstoff. Auf den Inseln Mallorca, Menorca, Formentera und Ibiza geht man mittlerweile davon aus, dass mehr als die Hälfte aller Mietobjekte als Ferienhäuser genutzt werden. 

  • Der Ballermann

    Die Schinkenstraße: Hauptader des sogenannten "Ballermann". Foto: Cobra112016

    Den Bewohnern von Mallorca geht die Art des Tourismus auf ihrer Insel schon seit längerem auf den Geist. Auch hier will der Bürgermeister durchgreifen. Bereits seit Jahren leidet die Insel unter dem Partytourismus und den damit zusammenhängenden Alkoholexzessen. Nun ist ein absolutes Alkoholverbot auf den Straßen der gesamten Gemeinde angedacht. Aktuell gilt bereits ein Trinkverbot an ausgewählten Plätzen, vor allem an der beliebten Playa. In Vergangenheit wurden bereits Lokale geschlossen, da sie Ausschankzeiten nicht einhielten. Auch die Polizeipräsenz soll künftig erhöht werden. In dieser Woche gingen Videos viral, in denen Polizisten zu sehen sind, die mit Waffen auf deutsche Fußballfans losgehen, die zuvor in der sogenannten „Schinkenstraße“ randaliert hatten. In Anbetracht solcher Szenen und der vielen Alkoholtouristen auf der Insel dürfte der Unmut der Bevölkerung noch nachvollziehbarer sein. Südtirol hat mit solchen Besuchern zum Glück nicht viel am Hut.