Wirtschaft | Interview

Schluss mit politischen Alleingängen

Das Ermächtigungsgesetz für eine Steuerreform, Pensionszahlungen, Gender Pay Gap - viele Themen beschäftigen die Südtiroler Wähler*innen. Josef Lazzari bezieht Stellung
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Josef Lazzari
Foto: AGB/CGIL

salto.bz: Das neue Ermächtigungsgesetz für die Steuerreform wurde bereits von der Abgeordnetenkammer abgesegnet, jetzt muss es auch vom Senat verabschiedet werden. Welche Neuerungen wird dieses Ermächtigungsgesetz mit sich bringen?

Josef Lazzari: Wie es momentan aussieht, ist das Ermächtigungsgesetz in vielen Punkten noch unklar. Es handelt sich nämlich um ein Rahmengesetz und legt als solches die Normen und Änderungen, die im neuen Steuersystem vorgesehen sind, nicht im Detail fest. Dies wird dann durch die Durchführungsbestimmungen der Regierung geregelt.

Sicherlich wird das Ermächtigungsgesetz Auswirkungen auf die Steuerzahler*innen haben. Wir als Gewerkschaft befürchten, dass durch dieses Gesetz die Steuerlast weiterhin ungerecht verteilt wird. So dürfte unter anderem die progressive Besteuerung im Bereich des Einkommens aus der autonomen Arbeit, dem Finanzgeschäft und der Unternehmensgewinne nicht gleich angewandt werden. Eher läuft die neue Regelung in Richtung einer generellen Flat Tax auf alle Einkommen, sodass die Progressivität der Steuern, die in der Verfassung verankert ist, wegfallen würde. Eine flache Besteuerung oder die Verringerung der Steuerklassen von vier auf drei bringt grundsätzlich nur den höheren Einkommen Vorteile, doch darf man nicht vergessen, dass sie auch Schwierigkeiten mit sich bringen könnte.

 

Um welche Nachteile des Gesetzes handelt es sich?

Zunächst sollte man bedenken, dass die Regierung das Ermächtigungsgesetz so verfassen muss, dass keine Kosten damit verbunden sind. Das Ziel ist also stets ein Nullsummenspiel, das heißt eine Steuerreform darf dem Staatshaushalt de facto nichts kosten, was sehr schwierig ist. Es gibt aktuell eher wenig finanziellen Spielraum für eine Steuerreform und die Gefahr, dass der Sozialstaat und somit die Ärmsten dabei auf der Strecke bleiben, ist groß.

Auch ist am Ermächtigungsgesetz zu kritisieren, dass die Sozialpartner zu keinem Zeitpunkt, weder bei dessen Ausarbeitung noch in einem sonstigen Moment, miteinbezogen wurden. Dabei wird die IRPEF zu 90% aus Einkommen aus Arbeit und Renten finanziert. Daher wäre zu erwarten gewesen, dass den Sozialpartner ein Mitspracherecht bezüglich der Steuerreformen gewährleistet wird, doch leider hat sich die Politik für einen Alleingang entschieden.

 

Gibt es konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzes?

Wir als Gewerkschaft CGIL haben eine gerechte Besteuerung sowie eine Reduzierung der Steuern gefordert, die auf die Arbeit und die Renten lasten. Umso mehr wäre eine progressive Besteuerung auch anderer Einkommen wünschenswert, beispielsweise aus Finanzgeschäften und den Unternehmensgewinnen. Zudem appellieren wir, dass die bestehende Flat Tax in allen ihren Formen abgeschafft wird sowie eine Besteuerung der zusätzlichen Gewinne, die aufgrund der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine zugenommen haben. Ebenso beurteilen wir die Aufhebung der IRAP als eher negativ, da die damit verbundenen Steuereinnahmen die Sanität finanzieren. Letztlich ist für uns die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein Anliegen, denn mittlerweile kommen dem Staat auf diese Weise jährlich hundert Milliarden Euro abhanden, die in das Allgemeinwohl investiert werden könnten.

Ein weiterer Punkt, den wir gerne gesetzlich strukturell durchsetzen wollen, betrifft die aktuelle Verringerung der Pensionsbeiträge und Sozialabgaben: Sie wurden bis zu einem Einkommen von 25.000 Euro reduziert, was aber nur für das gesamte Jahr 2023 gilt. Die Gewerkschaft CGIL fordert, diese Maßnahme, die für höhere Netto-Einkommen sorgt, im nächsten Haushaltsgesetz strukturell werden zu lassen. Auch schlagen wir vor, dass sich die Steuerabzüge, welche auf die Einkommen von Arbeit und Pension anfallen – Stichwort Fiscal Drug – automatisch an die Inflation angepasst werden, doch es gilt zu betonen, dass unsere Anregungen bisher leider nicht berücksichtigt wurden.

 

Ähnlich wie in Frankreich wird die Bevölkerung Italiens und Südtirols immer älter und das Rentenalter nimmt dementsprechend zu. Woher kommt die Schwierigkeit, die Pensionen zu reformieren? Wie könnte Ihrer Meinung nach eine Pensionsreform aussehen?

Unsere Regierung hat in diesem Bereich viele Wahlversprechen gemacht, doch hat sich die Situation in dieser Hinsicht für die Bürger*innen bisher eher verschlechtert, etwa wurde die Pensionierung für Frauen schwieriger gestaltet und die zur Pension nötigen Arbeitsjahre nicht reduziert. Erneut mangelt es hierbei am Kontakt mit den Gewerkschaften; die verschiedenen Verhandlungstische bringen kein konkretes Ergebnis hervor, denn es fehlen wiederum die finanziellen Mittel, um konkrete Veränderungen zu bewirken.

Wenn man von den aktuell hohen Pensionskosten spricht, vergisst man häufig die Tatsache, dass die Renten in Italien besteuert werden. Von den 230 Milliarden, die der Staat jährlich für die Renten aus Beiträgen ausgibt, fließen 60 Milliarden wieder an ihn zurück, weshalb die Renten letztlich weniger Ausgaben bewirken, als weitgehend angenommen wird. Ausgeufert sind aufgrund vieler Wahlversprechen die Sozialleistungen, die den Renten zugerechnet werden. Um die tatsächlichen Kosten im Blick zu behalten, fordern die Gewerkschaften, dass Rentenzahlungen und Sozialleistungen getrennt voneinander betrachtet und berechnet werden. Auch sollten die Bürger*innen bereits im Alter von 62 Jahren ihre Rente in Anspruch nehmen können oder, unabhängig von ihrem Alter, nach 41 Arbeitsjahren.

 

Chancengleichheit ist auch ein Anliegen Ihrer Gewerkschaft; wie sieht die Gender Pay Gap derzeit in Südtirol aus und was kann getan werden, um sie zu beheben?

In diesem Zusammenhang hat sich in den vergangenen Jahren leider wenig geändert. In der Provinz Bozen haben wir immer noch eine Gender Pay Gap von 17%, was sich wiederum negativ auf die Pensionen auswirkt. Wir steuern auf eine großflächige Altersarmut zu, daher ist es wichtig, dass junge Leute früh genug für das Alter vorsorgen und sich mit einer Zusatzrente absichern, um zu vermeiden, im Alter ein hartes Dasein führen zu müssen.

Bereits jetzt ist die finanzielle Lage für Senior*innen schwierig, da die Pensionen ungenügend angepasst werden, während die Preise steigen, überwiegend in Bezug auf die Grundnahrungsmittel.

 

Welche Erwartungen haben Sie in Aussicht auf die Landtagswahlen im kommenden Oktober?

Es ist sehr schwierig, Dinge wie Wahlergebnisse zu prognostizieren. Weit mehr als einem Problem der Wahlen, stehen wir einem gesellschaftlichen Problem gegenüber, solange wir für die Beurteilung unseres Wohlstands nur das Bruttoinlandsprodukt heranziehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich uns in letzter Zeit sehr viele Schwierigkeiten präsentiert haben, nicht zuletzt auch der Klimawandel und die Digitalisierung. Es bräuchte also einen gesellschaftlichen Wandel, damit wir uns an diese neuen Herausforderungen anpassen können, was jedoch nicht ohne Verzicht möglich sein wird. Die Politik kann in dieser Hinsicht viel tun, doch ist es ausschlaggebend, die Menschen in ihren Entscheidungen mitzunehmen und sie dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden, denn nur mit Gesetzen und Verboten wird sich nicht viel machen lassen.

Die Landtagswahlen werden sicherlich sehr spannend. Wir als Gewerkschaft rufen die Leute dazu auf, zu den Wahlurnen zu schreiten. Wenn das Wahlergebnis feststeht, werden wir versuchen mit den gewählten Akteur*innen zu verhandeln und unseren Teil an der politischen Gestaltung des Landes beizutragen. Unser Ziel bleibt es die Interessen der Arbeiter*innen und der Pensionist*innen zu vertreten, angefangen bei einem höheren Netto-Einkommen.