Politik | Kritik

Quo vadis, Bozner SVP?

Generationsübergreifendes Feedback für die Volkspartei: Was Siegfried Brugger und Sebastian Seehauser ihren Bozner Parteikollegen zu sagen haben.

Der eine ist 62 Jahre alt und hat eine langjährige Parteikarriere als Gemeinderat, Parlamentarier oder Parteiobmann hinter sich. Der andere ist 26 Jahre jung, macht gerade seinen Master-Abschluss in internationale Beziehungen in Lissabon und ist erst seit Februar dieses Jahres SVP-Mitglied - weil er nicht zuletzt als langjähriger Präsident der Jugend Europäsicher Volksgruppen daran glaubt, dass Südtirol als Minderheiten-Region eine geeinte politische Kraft braucht. Sowohl Siegfried Brugger als auch Sebastian Seehauser haben in den vergangenen Tagen mit ihrer Kritik an der Bozner SVP aufhorchen lassen. salto.bz versucht, beide Postionen auf den Punkt zu bringen.


Dieter Steger wurde am Mittwoch Abend als Stadtobmann der SVP bestätigt. Good news?

Siegfried Brugger: Dieter Steger ist ein fähiger Mensch, dessen Intelligenz unbestritten ist. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass die Bozner SVP einen Paradigmenwechsel braucht. Und um einen solch radikalen Neuanfang machen zu können, müssten für meine Begriffe all jene Leute einen Schritt zurück machen, die in Bozen in den vergangenen Jahren bewusst oder unbewusst eine Reihe von Fehlern gemacht haben. Wenn man diese nun erkannt hat, lasse ich mich in den nächsten Wochen auch gerne überraschen. Doch die Bestätigung des bisherigen Obmanns an sich ist sicher kein Zeichen für einen Neuanfang.  


Sebastian Seehauser: Ich finde das sehr gut, vor allem, wenn nun die Bereitschaft vorhanden ist, aus den eigenen Fehlern zu lernen und Kante zu zeigen. Meiner Meinung nach ist Dieter Steger vor und während des vergangenen Wahlkampfs sehr kohärent geblieben. Für mich ist er einer der großen Standpfeiler der SVP in Bozen, und ich glaube auch, dass er einen Neuanfang schaffen würde. Nur muss dabei die ganze Partei mitarbeiten, und das war bis jetzt eher das Problem.


Sie haben den Bozner Stadtobmann bzw. den Kurs Ihrer Partei in den vergangenen Tagen offen kritisiert? Was sind für Sie die größten Fehler, die in der Vergangenheit passiert sind?  

Siegfried Brugger: Die größten Fehler, die Dieter Steger und der Koordinierungsausschuss meiner Einschätzung nach gemacht haben: Man war nicht imstande, eine attraktive Kandidatenliste zu erstellen, die auch einen breiten Konsens in der Bevölkerung fand. Es gab große Widersprüchlichkeiten im Programm, an erster Stelle beim Thema Benko. Die Kante, von der man jetzt spricht, hätte es während des Wahlkampfs gebraucht - indem man sagt, wir sind für oder gegen Benko. Und dann ist für mich das Konstrukt Koordinierungsausschuss und Ortsgruppen in Bozen nicht mehr repräsentativ und attraktiv. Wir schaffen es mit dieser Struktur nicht mehr Schichten in die Stadtpolitik miteinzubeziehen, Quereinsteiger anzuziehen, die sagen, ich möchte auch gerne mitmachen. Bozen ist nicht mit den ländlichen Gebieten in Südtirol vergleichbar, hier muss alles viel offener sein.

Sebastian Seehauser: Dass man den Wählerwillen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat, die BürgerInnen einfach übergeht. Das Bozner Wahlergebnis hat gezeigt, dass der Dauerbrenner Benko eigentlich abgeschlossen sein sollte. Auch wenn man SVP-intern unterschiedliche Positionen zugelassen hatte, wurden die Benko-Befürworter klar abgewatscht. Sei es die Gruppe um Anna Pitarelli, die als einzige und mit nur leichtem Zuwachs in den Gemeinderat kam, sei es Klaus Ladinser, der bis zum bitteren Ende vehement für Benko war und fast die Hälfte seiner Stimmen verloren hat. Das hätte der Partei eigentlich ein klares Signal sein müssen, vor allem nachdem Kandidaten wie Sylvia Hofer oder Ulrich Kauer sehr gute Wahlerfolge erzielt haben. Doch die Taten, die von der Stadtführung mit Klaus Ladinser an der Spitze folgten, haben gezeigt, dass dem absolut nicht Geltung getragen wurde.


Warum gehen Sie mit dieser Kritik an die Öffentlichkeit?

Siegfried Brugger: Ich will mit meiner Kritik weder maßregeln noch irgendjemanden persönlich eins auswischen, sondern dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Denn ich bin besorgt um meine Partei und finde es traurig, dass eine tolle Stadt wie Bozen keine angemessene Stadtverwaltung hat. Es gibt zu wenig interessante Leute, wir haben viel zu wenig Freiberufler, Wirtschaftstreibende oder neue kompetente Quereinsteiger - und zu viele ewig gleiche Gesichter. Und dabei rede ich bei weitem nicht nur von der SVP.  Wenn ich daran denke, wie armselig der PD aufgestellt war das letzte Mal, wie man es mit internen Flügelkämpfen geschafft hat, all den Rückenwind durch Renzi und andere zu verschenken, ist es einfach nur tragisch, was passiert.

Sebastian Seehauser: Der konkrete Anlass eine Petition aufzusetzen, war für mich die letzte Handlung von Landeshauptmann Arno Kompatscher  zum Benko bis. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht, und ich habe mit einer Gruppe junger Leute, die ebenfalls SVP-Mitglieder oder zumindest Wähler sind, beschlossen, dass wir etwas tun müssen. Wir waren dann auch in der Stadt unterwegs, haben Menschen angesprochen, ob sie SVP-nahe sind und ob sie sich mit so einem Brief identifizieren können. Der Zuspruch war sehr groß, und vor allem seit die Initiative medial bekannt ist, sprechen uns jede Menge Leute darauf an, die sich ermutigt fühlen, ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen.  Von den direkt Angesprochenen selbst haben wir aber übrigens noch keinerlei Reaktion bekommen.

Sind Sie selbst dazu bereit, bei einem Neuanfang der Bozner SVP mitzuwirken?

Siegfried Burgger: Absolut, wenn es darum geht, Menschen zu motivieren, bei einem Neuanfang mitzumachen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich in den kommenden Wochen zeigt, dass es in punkto Personal und Programm wirklich wieder zukunftsweisende Ideen gibt. Wenn dagegen bei der Kandidatenfindung immer die gleichen Wege gegangen werden und in den Ortsausschüssen beschlossen wird, der darf schon und der ist eher nicht der unsere, bin ich nicht interessiert. Doch ich würde in Bozen viele junge und interessante Menschen kennen, die bereit wären, bei einem neuen Projekt mitzumachen. Doch so wie die Stadtpolitik, ob SVP oder andere Parteien, zuletzt gelaufen ist, hört man nur mehr allseits: Bei so einem Sauhaufen wollen wir nicht dabei sein. Unter solchen Voraussetzungen ist meine größte Angst, dass in Bozen wie auch in anderen Gemeinden Bürgerlisten entstehen, mit denen sich die Stimmen noch mehr zersplittern und die Regierbarkeit wieder nicht gegeben ist.

Sebastian Seehauser: Ich werde mich sicherlich weiterhin für meine Stadt einsetzen. Ob ich das aber effektiv parteipolitisch tun will, habe ich nicht entschieden.