Wirtschaft | Biodiversität

Weniger Pestizide in der EU

Das zumindest ist das Ziel der Verordnung, die der Umweltausschuss des Europaparlaments beschlossen hat. Mit dem Gegenwind der Konservativen dürfte zu rechnen sein.
Landwirtschaft
Foto: Unsplash
  • Kürzlich hat der Umweltausschuss des Europaparlaments mit einer knappen Mehrheit für die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (Sustainable Use Regulation, SUR) gestimmt. Damit sollen die Einsatzmenge und das Risiko von Pestiziden bis 2030 europaweit um 50 Prozent gesenkt werden. Die am 24. Oktober getroffene Entscheidung des Umweltausschusses sei ein wichtiger Schritt für ein grüneres Europa und eine umweltfreundlichere Landwirtschaft, teilt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) auf seinem Blog mit. Nun kommt der Gesetzesvorschlag ins Parlament, das vom 20. bis 23. November tagen wird, und braucht auch dort die mehrheitliche Zustimmung.

    Mit Falschmeldungen oder Halbwahrheiten wird die Kluft nur vergrößert, anstatt der Landwirtschaft in diesen Zeiten von multiplen Krisen den Rücken zu stärken und Lösungen zu suchen.

    Wie gespalten der Umweltausschuss des EU-Parlaments mitunter ist, zeigte sich bereits bei der Abstimmung zum Totalherbizid Glyphosat: Von Abgeordneten der Sozialdemokraten (S&D), der Grünen/EFA und der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) war ein Einspruch zur Wiederzulassung eingebracht worden. Der Einwand erhielt jedoch nicht die nötige Mehrheit. 40 Abgeordnete sprachen sich dagegen aus, 38 stimmten dafür und 6 enthielten sich. 

    Dieses Mal haben sich alle Parteien außer die Rechts-Konservativen (Europäiscchen Volkspartei (EVP), der rechtskonservativen ECR- und der rechtsnationalistischen ID-Fraktion) im Vorfeld auf Kompromisse bezüglich umstrittener Artikel, etwa zu sensiblen Gebieten, Totalverboten und verpflichtenden kulturspezifischen Regelungen, geeinigt. Damit sollen Mängel der 2009 in Kraft getretenen SUD-Richtlinie (Richtline 2009/128/EG) bezüglich des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) beseitigt werden. Diese hatte laut NABU aufgrund schwammiger Definitionen und mangelnder verbindlicher Vorgaben kaum Auswirkungen auf den Pestizideinsatz gehabt. 

  • Weitere Schritte

    Sarah Wiener: „Mit Falschmeldungen oder Halbwahrheiten wird die Kluft nur vergrößert, anstatt der Landwirtschaft in diesen Zeiten von multiplen Krisen den Rücken zu stärken und Lösungen zu suchen.“  Foto: Sarah Wiener/Facebook

    Laut Recherchen der Nachrichtenplattform DeSmog wurde die EVP intensiv von der Industrie lobbyiert und sei mit dieser verbandelt, vorne mit dabei auch der Südtiroler Parlamentarier Herbert Dorfmann (SVP). In einer Mitteilung an die Medien teilte die österreichische EU-Parlamentarierin (Grüne) und Berichterstatterin Sarah Wiener ihren Unmut über die Blockade von EVP & Co. mit: „Ich bitte die Agrarindustrie, ihre Lobby in den Bauernverbänden und die ihnen nahestehenden Politiker und -innen aufrichtig, den Bäuerinnen und Bauern in der EU keine Angst einzujagen. Mit Falschmeldungen oder Halbwahrheiten wird die Kluft nur vergrößert, anstatt der Landwirtschaft in diesen Zeiten von multiplen Krisen den Rücken zu stärken und Lösungen zu suchen.“ Die weitere Mobilisierung gegen die Pestizid-Verordnung sei laut NABU zu erwarten.  

    „Dadurch, dass der Agrarausschuss am 09.10.2023 gegen den Artikel 43 gestimmt hat, in dem es um eine mögliche Finanzierung einer Pestizidreduktion für Landwirt*innen aus GAP-Mitteln (Gemeinsame Agrarpolitik der EU, kurz GAP, Anmerkung d. R.) geht, hat die SUR einen Rückschlag erlitten. Landwirt*innen dürften hiernach bei der Transformation hin zu einer pestizidfreieren Landwirtschaft kaum von der EU unterstützt werden“, so der NABU-Blog. Die Verordnung sei als Teil des Europäischen Green Deals dennoch ein wichtiger Baustein für die Transformation hin zu einer Landwirtschaft, die ihre Produktionsgrundlagen wie Böden, Wasser und Biodiversität schützt und ihnen nicht schadet. 

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Günther Mayr Do., 02.11.2023 - 10:08

"Mit Falschmeldungen oder Halbwahrheiten wird die Kluft nur vergrößert, anstatt der Landwirtschaft in diesen Zeiten von multiplen Krisen den Rücken zu stärken und Lösungen zu suchen."
genau deshalb - wenn schon - auch im bio die Pestizide halbieren!

Do., 02.11.2023 - 10:08 Permalink
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rotaderga Do., 02.11.2023 - 12:01

Antwort auf von Günther Mayr

Ich kenne aber leider keine absolut "Richtigmeldungen und Ganzwahrheiten". Wieso sollte ich der Landwirtschaft gratis den Rücken stärken und Lösungen suchen für ihr selbstgemachtes Dilemma?
Werden im Bio Pestizide halbiert , haben wir dann Halb-Bio?
Chemie- und Pharmalobbys unterstützen maßgeblich Labore und Institutionen für die verschiedenen Zulassungen und Bewertungen.
Ich bleib dabei, Halbwahrheiten sind zur Hälfte zutreffend!

Do., 02.11.2023 - 12:01 Permalink
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rotaderga Fr., 03.11.2023 - 11:08

Antwort auf von Stefan S

Das Gefährlichste an Halbwahrheiten ist, dass fast immer die falsche Hälfte für die Argumentation verwendet wird. Zwischen Wahrheit und Lüge gibt es die "Halbwahrheiten". Manipulation erfolgt vorwiegend durch gezielter zuträglicher Verwendung von selektionierten Wahrheiten.

Fr., 03.11.2023 - 11:08 Permalink