Turbulente Gewässer
Update: Am Mittwoch noch wurde groß gejubelt, am Donnerstag musste in Rom schon wieder um den Strompassus im römischen Haushaltsgesetz gezittert werden. Oder, wie es die Tageszeitung Dolomiten am Freitag noch dramatischer beschreibt: SVP-Senator Karl Zeller wäre einem Herzinfarkt nahe gewesen, als der Text kurz vor der Haushaltabstimmung des Plenums im Senat fast von der Staatsbuchhaltung zu Fall gebracht worden wäre. Denn diese hätte einen nötigen Sichtvermerk verweigert und zwei Seiten an, laut dem SVP-Senator, fadenscheinigen Einwänden gegen die Kompetenzübertragung im Bereich der Großwasserkonzessionen vorgebracht. Nur mit der Drohung, dass die Autonomiegruppe ihre Zustimmung zum Haushaltsgesetz verweigere, sei der Passus doch noch gerettet worden, schildert Zeller.
Auch wenn nun noch das grüne Licht der Abgeordnetenkammer ausständig ist, wo der Haushalt voraussichtlich am 19. Dezember zur Schlussabstimmung kommt, scheint die Oberhoheit im Bereich der Großwasserkonzessionen im Trockenen zu sein. Für den scheidenden SVP-Senator Grund genug sich am Freitag in einer Pressemitteilung ein Denkmal zu setzen. Noch nie seit Bestehen des demokratischen Italiens sei es gelungen, in vier Jahren vier Änderungen am Autonomiestatut durchzusetzen, heißt es darin. 2014 wurde mit dem Haushaltsgesetz die primäre Kompetenz für Lokalsteuern erlangt; 2015 ebenfalls im Haushaltsgesetz der Garantiepakt durchgesetzt, mit dem sich Südtirol vor einseitigen Kürzungen der eigenen Finanzmittel geschützt habe. Und nun gehe nach dem Ladinergesetz mit dem Stabilitätsgesetz 2018 auch noch eines seiner besonders großen Anliegen durch: die primäre Kompetenz für die Wasserkraft. Sprich, ab 1. Jänner 2018 könnten die Provinzen Südtirol und Trentino mit Landesgesetz regeln, nach welchen Kriterien und Regeln Großwasserkonzessionen vergeben werden. „Damit ist der Übergang der Kompetenzen im Bereich Energie abgeschlossen, der im Jahr 2000 begonnen worden war“, so Zeller. Der SVP-Senator, dass drei der vier Änderungen nicht mit dem für das Autonomiestatut vorgesehen aufwändigen Prozedere eines Verfassungsgesetzes durchgebracht wurden, sondern mit der einfachen Variante laut Artikel 104 des Autonomiestatuts. Der sieht vor, dass die Finanzbestimmungen sowie Artikel 13 des Autonomiestatuts auf einvernehmlichen Antrag der Regierung und der Region bzw. der beiden Provinzen mit einfachem Staatsgesetz abgeändert werden können.
"Ich habe wirklich lachen müssen"
Ein Passus, der in den vergangenen Tagen auch zu einem kleinen Scharmützel zwischen Landeshauptmann Arno Kompatscher und dem Grünen Landtagsabgeordenten Riccardo Dello Sbarba geführt hatte. Den der hatte am Mittwoch in einem salto-Artikel angezweifelt, dass es sich bei dem Übergang tatsächlich um die Erlangung einer primären Kompetenz handle. „Das Land hat in dieser Frage weiterhin eine untergeordnete Kompetenz, denn mit einem Haushaltgesetz kann das Autonomiestatut nicht geändert werden“, hatte Dello Sbarba in einer ersten Reaktion auf die Neuerung behauptet. „Ich habe wirklich lachen müssen, als ich die Behauptung des Kollegen dello Sbarba gelesen habe“, entgegnete Kompatscher gegenüber salto.bz nicht ohne Häme. „Es hätte gereicht, einmal das Autonomiestatut durchzulesen, um die Sache zu verstehen – etwas, das man von einem Landtagsabgeordenten eigentlich schon erwarten könnte.“
Wie der Landtagsabgeordnete in einem ausführlichen Kommentar unter dem Artikel erläuterte, zweifelt er aber vor allem an der Frage, ob man tatsächlich von einem Kompetenzübergang sprechen könne, wenn die Statutenänderung nicht in jenen Artikeln passiere, in denen die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Provinzen definiert wird, also in dem Fall in Artikel 9 des Autonomiestatuts. Tatsächlich wird aber Artikel 13 umgeschrieben, in dem bestimmte Aspekte zu den Großwasserkonzessionen wie etwa der Gratisstrom geregelt sind, den Konzessionäre an die Provinzen abgeben müssen. „Es kann genauso gut in Artikel 13 stehen, dass wir in dem Bereich primäre Zuständigkeit haben“, sagt Landeshauptmann Arno Kompatscher. Und: „Es wäre viel einfacher, wenn Kollege dello Sbarba sagen würde, ich habe mich geirrt statt jetzt zu versuchen, doch noch recht zu behalten, was ihm ohnehin nicht gelingen wird.“
Gebratene Tauben
Doch auch der grüne Landtagsabgeordnete hat nicht das letzte Wort gesprochen: „Wenn sie diesen neuen Artikel 13 als primäre Kompetenz definieren wollen, sollen sie es machen“, meint er. Für ihn bleibt es eine Tatsache, dass es hier um keine epochale Wende gehe, sondern der gestern im Senat verabschiedete Passus vielmehr eine detailliertere Fortschreibung der Durchführungsbestimmung von 1977 sei. Auch die mehrfach abgeänderte Bestimmung habe der Provinz die Zuständigkeit für die Vergabe der Konzessionen überantwortet. Warum sonst hätte das Land bei der für die Südtiroler Energiepolitik folgenschweren Konzessionsvergabe im Jahr 2010 wesentliche Kriterien wie die Vergabeprozedur bis hin zu den Umweltgeldern selbst über das eigene Landesgesetz geregelt? Mit der nun erwirkten Änderung werden diese Kompetenzen noch einmal bekräftigt und ein wenig ausgeweitet. Oder wie es im Begleitbericht des Gesetzespassus ebenfalls heißt:
„Was die Verfahren für die Zuteilung der Konzessionen für große Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie angeht, soll wiederum bekräftigt werden, dass die Gesetzgebungsbefugnisse und die entsprechenden Verwaltungsbefugnisse den autonomen Provinzen zustehen; diese Befugnisse müssen in Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Union und den Grundsätzen der staatlichen Rechtsordnung hinsichtlich der Modalitäten und Verfahren für die Vergabe der Konzessionen für große Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie ausgeübt werden.“
„Es ist leider nicht so, wie manche glauben, dass in Rom die gebratenen Tauben vom Himmel fallen“, sagt der SVP-Senator selbst in der Tageszeitung Dolomiten. Und so gilt es eben gefinkelte Wege zu finden, die eigenen Ziele zu erreichen. Ob primäre, bekräftigte oder erweiterte Kompetenz – sicher scheint, dass nun mit einem neuen Landesgesetz für Großwasserkonzessionen nach dem SEL-Skandal definitiv das nächste Kapitel in der heimischen Energiegeschichte geschrieben werden kann.
Update:
Zellers letztes Wort
Senator Karl Zeller hat am Freitag Abend auf diesen Arikel reagiert - mit folgender Stellungnahme:
Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für unsere Autonomie , wenn altgediente Landtagsabgeordnete den Art.104 des Autonomiestatuts nicht kennen, den wir in dieser Legislaturperiode nun zum 3.Mal anwenden, um neue Kompetenzen für unser Land zu erhalten. Kurios, dass das Riccardo Dello Sbarba verborgen geblieben ist.
Ich verstehe zwar, dass der Landtagsabgeordnete Dello Sbarba gern das letzte Wort gehabt hätte, nachdem ihn der Landeshauptmann auf seine Wissenslücken aufmerksam gemacht hat.
Doch das würde voraussetzen, dass er sich – zumindest im 2. Anlauf – die Rechtslage studiert, was von einem „Stromexperten“ der Grünen wohl verlangt werden könnte. Doch nein, der Abgeordnete Dello Sbarba schießt weiter munter drauflos aus der Hüfte und behauptet frech und munter, dass „der gestern im Senat verabschiedete Passus vielmehr eine detailliertere Fortschreibung der Durchführungsbestimmung von 1977 sei. Auch die mehrfach abgeänderte Bestimmung habe der Provinz Bozen die Zuständigkeit für die Vergabe der Konzessionen überantwortet. Warum sonst hätte das Land bei der für die Südtiroler Energiepolitik folgenschweren Konzessionsvergabe von 2010 wesentliche Kriterien wie die Vergabeprozedur bis hin zu den Umweltgeldern selbst über das eigene Landesgesetz geregelt? Mit der nun erwirkten Änderung werden diese Kompetenzen noch einmal bekräftigt und ein wenig ausgeweitet“.
Dem Abgeordneten Dello Sbarba ist also offenbar entgangen, dass der Verfassungsgerichtshof das völlig anders sieht. Im unten zitierten Urteil Nr.28/2014 hat er nämlich dem Land Südtirol jede Zuständigkeit für die Regelung der Konzessionsvergabe abgesprochen. Südtirol hat demnach in diesem Bericht nicht nur keine sekundäre Kompetenz, sondern überhaupt keine Zuständigkeit!
Das war ja auch der Grund, wieso wir uns jahrelang um diese Zuständigkeit bemüht haben. Wir sind es im Unterschied zu anderen nämlich nicht gewohnt, leeres Stroh zu dreschen und den anderen ein X für ein U zu verkaufen. Wenn das Ganze bereits Landeszuständigkeit wäre, dann hätte es die starken Widerstände in Rom gegen die Neuregelung ja wohl kaum gegeben.
Sich diese Fragen zu stellen und etwas nachzulesen, hätte gereicht, um die zweite unglückliche Figur in 2 Tagen zu vermeiden….