Gesellschaft | Grundrechte

Quarantäne made in Südtirol

LKW-Fahrer, die in der Sadobre positiv getestet werden, müssen sofort für 10 Tage in Gossensaß in Isolation. Auf welcher rechtlichen Grundlage fußt diese Zwangsmaßnahme?
Stau Autobahn
Foto: Othmar Seehauser
Es ist eine Szene, die sich jeden Tag auch mehrmals wiederholt.
An der Teststation in der Sterzinger Sadobre werden täglich zwischen 1.100 und 1.700 LKW-Fahrer einem Covid-19-Schnelltest unterzogen. Nur wer einen negativen Test mit sich führt, der nicht älter als 48 Stunden ist, darf über den Brenner nach Österreich einreisen und bei Kiefersfelden weiter nach Bayern fahren.
Ein deutscher LKW-Fahrer hat an diesem Tag Ende Februar das Pech, dass sein Abstrich positiv ist. Der Mann wird sofort einem PCR-Abstrich unterzogen und vom ärztlichen Personal an der Sadobre in Quarantäne versetzt. Der Fahrer wird zu seinem LKW begleitet, wo er warten muss, bis das Weiße Kreuz kommt.
Der Mann wird dann von den WK-Helfern in Schutzanzügen ins Auto geladen und direkt nach Gossensaß in das ehemalige Militärferienheim gebracht, das zur Quarantänestation des Landes umfunktioniert wurde. Der LKW-Fahrer muss dort mindestens zehn Tage lang in Isolation verbleiben.
Christian Seiwald, Sektionsleiter des Weißen Kreuzes in Sterzing, beschreibt eine solchen Einsatz für RAI-Südtirol:
 
„Wenn ein LKW- Fahrer positiv getestet worden ist, dann holen wir ihn ab und müssen ihm in allen möglichen Sprachen beibringen, was auf ihn zukommt. Wir bringen ihn zum LKW, er muss seine Sachen mitnehmen und wir bringen ihn dann in die Quarantänestation nach Gossensaß, wo er für mindestens 10 Tage in Quarantäne muss. Bei jedem Einsatz kann man sich auch in die Patienten einfühlen, man spürt ihre Ängste und die Ungewissheit und versucht, ihnen gut zuzureden.“
 
 
Was mit seinem Lastwagen passiert, darum schert sich niemand. Selbst dann, wenn der LKW verderbliche Ware geladen hat. „Darum müssen sich die Fuhrunternehmen kümmern“, erklärt Thomas Baumgartner, Seniorchef des Transportriesen Fercam.
Baumgartner weiß, wovon er redet. Vergangene Woche war auch ein slowakischer Fahrer seines Unternehmens betroffen. Stundelang wusste das Unternehmen nicht, wo der Mann ist. Erst nach mehreren Anrufen wurde klar, dass der Fahrer nach Gossensaß in die Isolation gebracht wurde. „Wir mussten dann Leute mit Schutzanzügen nach Sterzing bringen, die den LKW zurück nach Bozen gefahren haben“, sagt Baumgartner.
Dabei geht es keineswegs nur ausländischen LKW-Fahrern so. Die unmittelbare Internierung gilt auch für italienische Staatsbürger. Gestern wurde ein italienischer LKW-Fahrer nach einem positiven Befund an der Teststation Sadobre in die Quarantäne nach Sarns gebracht.
Auf welchen rechtlichen Grundlagen diese strengen, freiheitsberaubenden Maßnahmen beruhen, und ob es dazu eine Verordnung des Landeshauptmannes oder des Ministerpräsidenten gibt, das vermag derzeit anscheinend aber niemand zu sagen.
 

Die Testungen

 
Auch wir haben uns gefragt, ob das so geht, aber das sind die Vorgaben des Sanitätsbetriebes“, sagt Alexander Gardetto zu Salto.bz. Gardetto ist ärztlicher Leiter der Brixner Privatklinik Brixsana, die seit zehn Tagen auch die Teststation in der Sadobre betreibt. Gardetto ist dabei selbst in Sterzing im Einsatz.
Man muss vorausschicken, dass die Teststation im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht aus dem Boden gestampft werden musste. Nachdem Bayern Mitte Februar wegen der Corona-Mutationen plötzlich einen Test für Einreisende aus Tirol verlangte, machte Österreich einfach den Brenner zu. Wer durch Tirol fährt, kann das nur mit einem negativen Test tun.
Um einen Megastau und einen Zusammenbruch auf der Brennerachse zu vermeiden, haben der Südtiroler Zivilschutz und der Sanitätsbetrieb mit Hilfe der Brennerautobahn AG und des italienischen Heeres in Windeseile auf dem Sadobre-Gelände bei Sterzing eine Teststation für LKW-Fahrer aufgebaut.

 
 
 Der Sanitätsbetrieb hat diese Teststation vertraglich mit 22. Februar an die Brixner Privatklinik Brixsana übergeben. „Wir haben insgesamt rund 30 Mitarbeiter dort im Einsatz“, sagt Brixsana-Leiter Alexander Gardetto. Jeder LKW-Fahrer zahlt pro Test 40 Euro, die fast zur Gänze an die Brixsana fließen. Außerdem garantiert der Sanitätsbetrieb bis Ende März eine Mindesteinnahme von mindestens 16.500 Euro am Tag. Es ist für die Brixner Privatklinik auf jeden Fall ein einträgliches Geschäft.
 

Rechtliches Niemandsland

 
Dabei scheint man die Problematik in dieser schwierigen Situation kaum überdacht zu haben (siehe auch untenstehenden Kasten).
Bisher waren glücklicherweise nur rund 0,18 Prozent der getesteten LKW-Fahrer positiv. Es treten durchschnittlich ein bis drei Fälle täglich auf. Damit aber kommen die Quarantänezentren in Gossensaß und Sarns an ihre Fassungsgrenzen.
Was tut man aber, wenn plötzlich Dutzende LKW-Fahrer positiv getestet werden? Und wer trägt die Kosten dieser mindestens 10-tägigen Quarantänen?
Dazu bewegt man sich auch rechtlich auf dünnem Eis.
Denn was passiert, wenn sich ein deutscher asymptomatischer LKW-Fahrer an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wendet und berichtet, dass er im schönen Südtirol zwei Wochen lang interniert wurde, während die Parmaschinken in seinem LKW in der Sadobre verenden und er seine Kunden und damit seine Existenz verliert? Die Geschichte ist sicher ein gefundenes Fressen für die deutsche Presse.
 
 
 
Sinnvoller wäre es, dass man die positiven Fahrer mit einer Bescheinigung und der Auflage, dass sie das Fahrzeug nicht verlassen dürfen, auf den direkten Weg nach Hause in die Quarantäne schickt. Der Sanitätsbetrieb oder die italienischen Behörden könnte dazu auch die Polizeibehörden der Nachbarländer zur Überwachung verständigen.
Denn es gibt eine andere Tatsache, die diese strengen Maßnahmen ad absurdum führt.
Wenn ein LKW, der von Italien nach Deutschland fährt, in Verona anstatt auf die Brennerautobahn nach Osten abbiegt und über Tarvis nach Salzburg und von dort nach Deutschland fährt, braucht er keinen Test. Denn diese Auflagen gelten nur für LKWs, die durch Tirol fahren.
Mit der Gefahr – bei einem zweiten positiven Test – 21 Tage in Südtirol Zwangsurlaub machen zu müssen.
 
 
 
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M Ma Mi., 03.03.2021 - 09:50

Klassischer Franceschini Artikel mal wieder wo einfach nur polemisiert wird ohne wirkliche Substanz. Auch in anderen Ländern wird man als Auswärtiger sofort in Quarantäne gebracht und darf nicht mehr nach Hause reisen.
Und das Argument mit den verderblichen Lebensmitteln ist mehr als an den Haaren daher gezogen. Was macht ein LKW-Fahrer wenn er sich beim Aussteigen vom LKW den Fuß bricht und nicht mehr weiterfahren kann? Dann ruft er bestimmt auch Merkel an.. :-)

In diesem Fall gibt es nun wahrliche nichts an Südtirol bzw. am Südtiroler Sanitätsbetrieb zu kritisieren. Im Gegenteil man hat in kürzester Zeit eine Mamut Aufgabe geschafft und ein Testzentrum auf die Beine gestellt, weil man die Sachen von anderen ausbaden muss und von der EU usw. im Regen stehen gelassen wird.

Mi., 03.03.2021 - 09:50 Permalink
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G. P. Mi., 03.03.2021 - 10:39

Recht viel menschenunwürdiger geht's nicht mehr! Da wird ein Mensch von einer auf die andere Minute aus seinem "normalen" Leben gerissen und weit weg von zuhause einfach eingesperrt.
Meiner Meinung nach haben in der Zwischenzeit die Mehrzahl der Leute sowieso mehr Angst vor der damit zusammenhängenden Bürokratie, den Schikanen, der Quarantäne, als vor dem Virus selbst.

Mi., 03.03.2021 - 10:39 Permalink
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pérvasion Mi., 03.03.2021 - 10:52

»Sinnvoller wäre es, dass man die positiven Fahrer mit einer Bescheinigung und der Auflage, dass sie das Fahrzeug nicht verlassen dürfen, auf den direkten Weg nach Hause in die Quarantäne schickt.« Tanken, essen und aufs Klo gehen ist dann nicht mehr?

Mi., 03.03.2021 - 10:52 Permalink
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Eveline Oberthaler Mi., 03.03.2021 - 15:56

Wenn schon, kann sich Frau Merkel bei Südtirol bedanken. Die Fernfahrer haben keinen negativen Test, können also nicht über Tirol weiter nach Deutschland einreisen. Ist ja nicht die Schuld des Sanitätsbetriebes, oder von Südtirol. Wenn ich wählen könnte, als positiv getesteter Fernfahrer, würde ich die Kaserne wählen und nicht die Straße vor der Grenze, wo sonst sollten sie auch hin? Oder hat Österreich, für diese Fälle Vorsorge getroffen? Ich finde, dass Südtirol sich hier von einer guten Seite präsentiert. Auch die Durchreise mit Bescheinigung, kann nicht Südtirol für Österreich regeln. Da macht schon Österreich nicht seine Hausaufgaben.

Mi., 03.03.2021 - 15:56 Permalink