Kompatschers Kämpfe
Auch ein Landeshauptmann lernt nie aus. Selbst wenn er bereits bald acht Jahre im Amt ist. Mit dieser betont bescheidenen Haltung empfängt Arno Kompatscher an diesem Vormittag die Journalisten. Als letztes der Mitglieder der Landesregierung zieht er am Donnerstag seine Bilanz zur Halbzeit der Legislaturperiode. Es sind keine Zahlen, keine Aufzählungen an Beschlüssen oder Projekten, keine (Selbst-)Inszenierungen, mit denen Kompatscher aufwartet. Sondern eine reflektierte und bisweilen selbstkritische Rückschau – nicht nur auf seine Person, sondern auch auf das Land, das er seit 2018 zum zweiten Mal regiert.
Gleich vorweg: Ob er 2023 ein weiteres Mal als Landeshauptmann kandidieren will, verrät Kompatscher auch an diesem Tag nicht. Sein Umfeld rät ihm, nicht mehr länger zuzuwarten. Aber nein, er werde “im Herbst”, “zum geeignetem Zeitpunkt” seine Entscheidung mitteilen. Dabei hat der (meteorologische) Herbst bereits am 1. September begonnen. Und schon lange deutet alles darauf hin, dass Kompatscher eine dritte und – gemäß Statut seiner Partei – letzte Amtszeit als Landeshauptmann anstrebt.
An seine Agenden scheint er wahrhaftig zu glauben. Ansonsten hätte er sich für seine Halbzeit-Bilanz wohl bequemere Themen ausgesucht. Ein besseres Leben durch Verzicht, ein kompromissloser Einsatz gegen den Klimawandel, die Spaltung der Gesellschaft überwinden. Diese Punkte nennt Kompatscher mit Blick nach vorne – samt einer Reihe von Maßnahmen in diese Richtung. Zunächst aber wirft er einen Blick zurück.
Manchmal vergisst man, dass das Kabinett Kompatscher II erst Anfang 2019 geboren wurde. Gegen seine Überzeugung ging der Landeshauptmann nach den Landtagswahlen 2018 eine Koalition mit der Lega ein. Nur gut ein Jahr später stellt die Corona-Pandemie das gesamte Tagesgeschäft in den Schatten. Zwei Lehren hat er bisher daraus gezogen, sagt Kompatscher. “Wie bedeutend und wichtig gute und gesicherte Information ist, damit Demokratie und Gesellschaft funktionieren.” Und: “Wir sind nur als Gemeinschaft zukunftsfähig.” Entsprechend besorgt zeigt er sich über die Gräben in der Bevölkerung, die auch dank (gezielter) Desinformation und Fake News noch immer offen sind oder gar tiefer werden. “Die Voraussetzung, um diese Spaltung überwinden zu können, ist ein Grundkonsens, Vertrauen in die Institutionen und Verantwortungsbewusstsein.” Das gelte auch beim Thema Covid-Impfung. “Die große große Mehrheit spürt diese Verantwortung und nimmt sie wahr. Dem gegenüber steht eine laute Minderheit. Nun ist es Zeit, dass die Mehrheit sagt, wo wir stehen. Das bedeutet nicht, blind jedem Vorschlag von oben zu folgen. Es gilt kritisch und hinterfragend zu sein. Aber zugleich eben auch, die Regeln zu befolgen, solange eine demokratische Mehrheit dafür da ist.”
Neben der Bekämpfung der Pandemie und all ihrer Auswirkungen und Auswüchse zählt Kompatscher den Kampf gegen den Klimawandel zu den größten Herausforderungen. “Aber wenn wir die Wende schaffen wollen, geht das nur mit Verzicht. Nicht im Sinne von weniger Lebensqualität, sondern einer anderen Lebens- und Konsumweise.” Den Worten habe die Landesregierung – Kompatscher vermeidet es, in der Ich-Form zu sprechen – in den vergangenen zweieinhalb Jahren sehr konkrete Taten folgen lassen. Zum Beispiel die Verlegung von Hochspannungsleitungen unter die Erde. Der Netzbetreiber Terna investiert dafür 400 Millionen Euro in Südtirol. “Dadurch wird nicht nur das Landschaftsbild verbessert, sondern es werden auch 10.000e Tonnen CO2 eingespart, weil die Energieverluste der Strommasten massiv reduziert wird”, erklärt Kompatscher – und kündigt dann einen weiteren Schritt an. Als Maßnahme gegen die Lichtverschmutzung wird gesetzlich festgelegt werden, dass “wir das Licht ausschalten, wenn keine wirtschaftliche Aktivität stattfindet”. Konkret sollen etwa Geschäfte verpflichtet werden, nachts (ab 22 Uhr und allenfalls eine Viertelstunde nach Betriebsschluss) die Beleuchtung ihrer Schaufenster auszuschalten. “Wo es Licht braucht, wird es Licht geben – etwa in Form öffentlicher Beleuchtung für die Sicherheit”, schickt Kompatscher nach.
Der Sicherheit werde auch das CPR (Centro di permanenza per i rimpatri) dienen, das nun definitiv in Südtirol – “oder im Trentino” – entstehen wird. Die Diskussion um die Einrichtung eines Abschiebezentrums für Migranten, die nicht um internationalen Schutz ansuchen oder die Voraussetzungen für Asyl nicht erfüllen oder straffällig geworden sind, hat vor Jahren begonnen. Nun gebe es eine Vereinbarung mit dem Innenministerium, berichtet Kompatscher. Der Standort sei allerdings noch nicht entschieden.
Die letzte Botschaft, die Arno Kompatscher am Donnerstag mitgeben will, ist – besonders im Vorfeld der Feierlichkeiten zum Tag der Autonomie am 5. September – die Bedeutung der Autonomie. “Die Autonomie erlaubt uns, soziale Gerechtigkeit zu schaffen, Ungleichheit und Diskriminierung zu bekämpfen.” Auf mehreren Ebenen, allen voran der ökonomischen. “Wir planen eine Steuerreform, um das Lohnsystem gerechter zu machen. Andere Regionen haben diese Möglichkeit nicht. Die Autonomie erlaubt uns, einen Schritt weiter zu gehen – ohne die Arroganz zu meinen, immer voraus zu sein.”
Dennoch, einen Vorwurf macht sich Kompatscher nach seiner bisherigen Amtszeit: “Es nicht geschafft zu haben, noch mehr Personen für die Möglichkeiten und Chancen der Autonomie zu begeistern.” Aber eigentlich, gesteht er, gehe er jeden Tag mit dem Gedanken schlafen, “dieses und jenes hätte ich besser machen oder erklären können”. Zum Beispiel die Corona-Verordnungen von Anfang an präziser schreiben – “dann hätte es weniger davon gebraucht”.
Etwas fällt auf: Arno Kompatscher vermeidet es, in der Ich-Form zu sprechen, vielmehr vermittelt er den Eindruck, dass die gesamte Landesregierung in dieselbe Richtung rudert. Dabei hat es in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht nur einmal gekracht – nicht nur mit dem als Landeshauptmann-Stellvertreter verschmähten und parteiinternen Kontrahenten Philipp Achammer. Danach gefragt, wie er die Zusammenarbeit in seinem zweiten Kabinett, unabhängig von Corona, bewertet, findet der Landeshauptmann einen rhetorisch geschickten Ausweg: “Auch die Arbeit in der Landesregierung ist von der Pandemie beeinflusst. Phasenweise gab es erhöhte Nervosität, weil auch die Verantwortung gestiegen ist und die Situation konkrete Auswirkungen auf das Leben eines jeden hat. Es gab viele und harte Diskussionen, unterschiedliche Positionen. Dass nach außen der Eindruck entstanden ist, ‘die streiten immer’ ist schade. Denn in der Zielsetzung waren sich immer alle einig – so zumindest meine Bewertung. Dass es manchmal unterschiedliche Vorstellungen und Ambitionen gibt, hat damit zu tun, dass die Landesregierung nicht als Monolith aufgestellt ist, zum einen gibt es unterschiedliche Parteien, und zum zweiten innerhalb der Landesregierung noch die Sammelpartei, die in sich viele Seelen hat. Man muss sich immer wieder zusammenraufen. Aber ich habe schon den Eindruck, dass bei der Ausrichtung des Landes in Richtung Nachhaltigkeit in der Landesregierung großer Konsens und Motivation herrscht.”
Das mit der 'Nachhaltigkeit'
Das mit der 'Nachhaltigkeit' fehlt mir in der Bildungs- und Umweltpolitik sowie in der Denkmalpflege und im Tourismus-Sektor nahezu vollständig.
Kommt sympathisch rüber.
Kommt sympathisch rüber. Keine Selbstbeweihräucherung, keine Powerpoints mit schicken Slides, keine extravaganten Orte, keine Villa in Pfalzen.
Herr Freud, fällt Ihnen zu
Herr Freud, fällt Ihnen zu Kompatscher auch etwas Positives ein ?
Wenn ich mir den politischen Sternenhimmel Südtirols anschaue, so leuchtet der Arno Kompatscher immer noch am hellsten; oder welche Alternativen haben Sie entdeckt (falls Sie nicht selbst kandidieren wollen) ?
@Siegfried Freud
@Siegfried Freud
der sitzt, passt, wogglt und hot Luft!
Antwort auf @Siegfried Freud von rotaderga
Herr oder Frau ROTADERGA, da
Herr oder Frau ROTADERGA, da freuen sie sich aber zu früh...... Das war kein Tritt in die ....., es war eine "objektive Debatte"...
Das Positive klingt in Ihrer
Das Positive klingt in Ihrer Stellungnahme negativ, da es vor Sarkasmus trieft.
Ihre Meinung sei Ihnen natürlich belassen, aber objektiv ist sie nicht.
Es ist doch einfach
Es ist doch einfach bezeichnet das Kompatscher die Digitalisierung der Verwaltung in Südtirol aus dem Topf der Corona EU Subventionen als Leuchtturmprojekt probagiert. Die Region Südtirol ist dahin gehend nicht als Armenhaus zu bezeichnen, wer Superdolomiti Skipässe mit begleitendenden Annehmlichkeiten digital vertreibt sollte auch fähig sein seine Verwaltung bürgerfreundlich und wirtschaftlich zu digitalisieren.