Der gangbare Weg
Am Ende der ganzen Veranstaltung, als ihre Parteikollegen und der Großteil der Journalisten abgezogen waren, sah man der Landesrätin für Gesundheit am Montag Abend die Erleichterung so richtig an. „Ich bin wirklich zufrieden, wie gut es gelaufen ist“, sagte Martha Stocker im stickigen Saal des Kolpinghauses, in dem der SVP-Parteiausschuss kurz zuvor grünes Licht für die Sanitätsreform gegeben hatte. Gerade einmal drei Enthaltung hatte es nach all den parteiinternen Polemiken der vergangenen Wochen und Monate gegeben. Und das, obwohl die Gesundheitslandesrätin gar nicht danach aussah, als wäre mit dem nun erzielten Kompromiss ihre „Schmerzgrenze“ überschritten worden, über die am Wochenende spekuliert wurde. Gut drei Viertel ihrer ursprünglichen Reform habe sie nun letztendlich durchgebracht, meinte Stocker mit offensichtlicher Genugtuung. „Vielleicht sogar ein bissl mehr“.
Das „bissl Mehr“ wird wohl auch davon abhängen, in welche Richtung sich die Lösung entwickelt, die am Montag alle Anwesenden am brennendsten interessierte: die Zukunft der Geburtenstationen in Schlanders, Innichen und Sterzing. Sie werden geschlossen – sofern innerhalb 1. Jänner 2016 nicht eine alternative Vereinbarung mit dem Gesundheitsministerium bzw. der Staat-Regionen-Konferenz gefunden wird, mit der eine Einhaltung von europäischen Qualitätsstandards gesichert ist. So lautet die Quadratur des Kreises, mit der nun letztendlich der Landeshauptmann selbst die parteiinternen Querelen glättete.
„Wir haben einen gangbaren Weg gefunden. Wenn auch nicht einen Weg, der alle zufrieden stellt.“
Ein Kompromiss, der allen Beteiligten erlaubt, ihr Gesicht bzw. die Nerven zu bewahren. Schluss mit parteiinternen Anschuldigungen, dass die Gesundheitslandesrätin Rom nur als Vorwand zur Schließung der kleinen Stationen nutze – „die Voraussetzungen sind von niemanden mehr im Parteiausschuss angezweifelt worden“, erklärte Stocker. Beruhigt die rechtlichen Bedenken von Sanitätsdirektor Oswald Mayr bzw. Gynäkologie-Primaren. Gebannt aber auch die Ängste des Parteiobmanns, bei einer Radikallösung der Gesundheitslandesrätin ein Fiasko bei den Gemeinderatswahlen einzufahren. Denn auch wenn Landeshauptmann Kompatscher versicherte, sobald wie möglich mit seinem Trentiner Amtskollegen Ugo Rossi im römischen Gesundheitsministerium vorzusprechen: Absehbar ist jetzt schon, dass eine regionenübergreifende Alternativsuche am Tisch der Staat-Regionen-Konferenz vor Mai keine sicheren Resultate bringen wird. Und: Obwohl dieses Ergebnis sicher keinen Jubel aus den Bezirken bringen wird, fehlt dort nun auch die Munition, um wirklich zur Revolte aufzurufen. Immerhin wurde für die peripheren Krankhäuser auch das Konzept des Day Hospitals zugunsten einer gemeinsamen Bettenstation für Innere Medizin, Orthopädie, Erste Hilfe und Chirurgie aufgegeben. „Wir haben einen gangbaren Weg gefunden“, definierte es Parteiobmann Achammer, „wenn auch nicht einen Weg, der alle zufrieden stellt.“
Ein Krankenhaus – zwei Standorte
Das signalisierte auch ein entschlossen wirkender Landeshauptmann. Nein, es wurden keinerlei schriftliche Garantien hinsichtlich der Zukunft der kleinen Krankenhäuser gegeben. Nein, er werde sicherlich nicht so lange um Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Mütter und Kinder feilschen, bis auch die letzte Geburtenstation gerettet sei, gab Arno Kompatscher zu verstehen. „Ziel ist es vielmehr, dass die Regierung auch mit Blick auf sonst in Europa angewandte Standards prüft, ob die nun geltenden Regeln tatsächlich diese sein müssen oder auch abgeändert bzw. nachgebessert werden können.“ Sollte es dazu grünes Licht geben, müsse allerdings immer noch geprüft werden, inwiefern mit neuen Standards das Angebot in peripheren Krankenhäusern gewährleistet werden kann.
So sehr die Geburtenabteilungen und ihre Standards bis zuletzt die Medien wie die parteiinterne Diskussionen beherrschten: Die Filetstücke der Reform liegen ganz woanders, war einmal mehr aus den Äußerungen des Landeshauptmanns und seiner Gesundheitslandesrätin herauszuhören. „Diese Reform ist ein klares Bekenntnis zu sieben Krankenhausstandorten“, erklärte Kompatscher. „Sie bringt eine Verschlankung der Verwaltung, eine Klärung dessen, was in Zukunft in den einzelnen Krankenhäusern stattfindet und vor allem den Auftrag an die Bezirke, ihre Krankenhäuser als ein Haus mit zwei Standorten zu verstehen.“
„Konzept des Miteinanders“
Ein Thema, bei dem Martha Stocker sich regelrecht am Riemen reißen muss, um nicht auszuschweifen. Das „Konzept des Miteinanders“ sei die wichtigste Neuerung dieser Reform, erklärte sie einmal mehr – ob bei der Schaffung eines einzigen Sanitätsbetriebs mit klaren Weisungskompetenzen der Generaldirektion, bei der Zusammenlegung von Primariaten oder der stärkeren Vernetzung zwischen Krankenhäusern bzw. Krankenhäusern und dem Territorium. Schluss also mit dem Kirchturmdenken einzelner Primariate oder Bezirksdirektionen, Schluss mit Personalabteilungen in jeder einzelnen Realität oder ignorierten Weisungen aus Bozen. Das ist die wahre Revolution dieser Sanitätsreform, deren konkrete Auswirkungen in all den hitzigen Diskussionen über die Geburtenstationen bislang noch nicht einmal richtig thematisiert wurden. Auch nicht im Bozner Kolpinghaus. Der Widerstand dagegen wird in den nächsten Monaten und Jahren zweifelsohne kommen. Doch zumindest parteiintern braucht Martha Stocker sich nach der gestrigen Abstimmung nicht mehr vor jenen Bremsern fürchten, an denen sich noch ihre Vorgänger die Zähne ausgebissen haben. Verdanken mag sie es wohl auch - den Geburtenstationen.