Kultur | World Music Festival

„Demokratie auf Messers Schneide“

Heute (3.8.) spielt die Band "Sportfreunde Stiller" in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Den Bassisten und Keyboarder Rüdiger Linhof hat Salto zum Gespräch geladen.
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Foto: Sportfreunde Stiller

Salto.bz: Als Sportsfreund verfolgst du sicher gerade die Frauenfußball-Weltmeisterschaft? 

Rüdiger Linhof: Tatsächlich interessiere ich mich gerade so gar nicht für Sport. Ich widme mich thematisch sehr stark dem Ukraine-Konflikt und hab viel mit Leuten zu tun, die von dort kommen. Es ist ein Thema, das uns alle betrifft. Das ist ein faschistischer Angriffskrieg an den Grenzen Europas. Ein Genozid findet statt. Da ist so ein Rollback-Versuch eines waschechten Faschisten im Gange, der versucht ein Land zu unterwerfen, um danach weiter zu machen – mit Moldawien, dem Baltikum. Man muss dem Einhalt gebieten, ansonsten sind unsere Kinder in fünf Jahren dran, die angerichtete Scheiße auszulöffeln, die wir angerichtet haben, durch mangelnden Widerstand. 
Wenn du dir den Geist des Widerstands im Spanischen Bürgerkrieg vor Augen hältst, da hab ich heutzutage das Gefühl, es sind viele Leute eher zu Nationalpazifisten verkommen, die einen Widerstand gegen das Imperium Russland relativieren und nichts machen.

Ihr seid halt die Sportfreunde, habt viele Fußballsongs geschrieben. Ist das Etikett "Sportfreunde" Fluch und Segen zugleich?

Total. Wir sind im Grunde eine Band, die gute Vibes verbreitet. Das ist auch total wichtig. 

Ihr seid alle FC Bayern München-Fans?

Richtige Fans sind die anderen beiden der Band, Florian und Peter, die kennen Spieler, Verwandte und Kinder der Spieler oder Spielzüge bis in 1980er Jahre hinein. Ich muss auch immer lachen, wenn die beiden fachsimplen. In den Augen von richtigen Fans bin ich kein richtiger, sondern eher ein peinlicher Fan.
 

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Sportfreunde Stiller: Peter Brugger, Rüdiger „Rüde“ Linhof und Florian „Flo“ Weber / Bildquelle: Sportfreunde Stiller


Wie wichtig ist Sport überhaupt?

Ich mache gern Sport. Ich kann gut geradeaus laufen – ohne Ball. Und auch Rennradfahren, das liebe ich. Und das brauche ich. Aber keinen Mannschaftssport.

In der Biografie der verstorbenen Sängerlegende Udo Jürgens, spielt die Stadt Meran eine kleine Rolle, da sein Großvater hier begraben ist. In der Bandgeschichte der "Sportfreunde Stiller" spielt dieser Udo Jürgens eine nicht unwichtige Rolle. Warum?

Ja, wir haben seinen Song Ich war noch niemals in New York gecovert. Udo Jürgens stand für eine Musik, die wir früher als Kinder über unsere Eltern mitbekommen haben. Er hat soziale Themen zu großartigen Songs verarbeitet. Er war ein sozial denkender Charakter, ein Mensch, der sich den verschiedensten Themen angenommen hat. Seine Geschichte ist wirklich interessant, auch dieses Trauma, das er hatte, als er von einem Nazi eine Ohrfeige bekommen hat und fast sein Gehör auf einem Ohr verloren hätte. Udo Jürgens hatte sein Leben lang eine große Ablehnung gegenüber Autoritäten. Er war am Ende aber natürlich selber eine…
 

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Über den Brenner: Spielte der Grenzübergang in einem Fußballliedtext von Udo Jürgens bereits 1990 eine Rolle, so ist der Grenzort sogar kurz im Sportfreunde Stiller-Videoclip New York, Rio, Rosenheim aus dem Jahr 2014 zu sehen.


Wie stehst du zum Thema Autoritäten?

Ich finde es wichtig, dass Menschen einen Standpunkt haben, einen eigenen Standpunkt vertreten, ihn entwickeln und unter Umständen damit entgegenzuhalten. Autorität als Institution, nur weil man ein Amt innehat, das finde ich echt ekelhaft. Aber eine Autorität, als intellektuelle Instanz, finde ich gut. 

Sollte sich Kunst und Kultur mehr in den politischen Diskus einbringen?

Wir sind der Meinung, dass die Demokratie auf Messers Schneide steht und dass die Leute spätestens jetzt anfangen müssen nachzudenken und anfangen sich zu engagieren. Also in Deutschland gibt es gerade eine nationalpopulistische Welle, eine Nazipartei ist im Vormarsch und die Politik verfällt in dieselben Reflexe wie sie früher verfahren ist, indem sie deren Modell kopiert und sich damit stärker macht. 
 

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Loblied auf die Bank: Auf St. Pauli, AC/DC / Kriege und Bomben sind krank / I love Sammy, Nazis fuck off / Und du, du bist eine Bank / Quelle: Sportfreunde Stiller

 

Die letzten Jahre waren in der Bandgeschichte der "Sportfreunde Stiller" durchaus turbulent. Ihr habt euch eine Auszeit „gegönnt“ und seid nun wieder vereint. Hat die Pause gutgetan? Wehgetan?

Das war bei uns so ein Prozess der Entfremdung. Wir hatten einfach irgendwann gemerkt, dass wir "durch" sind und wussten auch nicht mehr, was wir miteinander reden sollten. 2017 haben wir dann alles hingeworfen und uns drei Jahre nicht mehr getroffen. Im Nachhinein ist es superschön, dass wir wieder zusammengekommen sind. Wir sind heute entspannter, im Umgang miteinander.

Wie war das Schreiben neuer Lieder? Tappt man da in der Vergangenheit, möchte einen roten Faden weiterziehen, oder sich neu erfinden? Wie hat es musikalisch wieder gefunkt?

Wir haben uns während des Lockdown zu dritt in einem Raum getroffen und unsere Instrumente aufgebaut. Das war dann schon eine Befreiung, wieder mal richtig laut zu spielen. Wir waren einfach froh, miteinander Musik zu machen. So sind auch einige Lieder entstanden. 

Ihr habt wieder großen Erfolg, tingelt von Stadt zu Stadt. Welches der alten und neuen Lieder ist dir auf der Bühne am liebsten? 

Ich find Wächter ein ganz wichtiges Lied. Da geht es einfach darum, wenn es einem Freund schlecht geht, dass es dann einfach ok ist, da zu sein. Dass das einfach super wertvoll ist. Auch das Lied Wie lange sollen wir noch warten spiele ich gern. Und Das Kompliment, das spiele ich immer noch wahnsinnig gern. 
 

Wächter: Der Geist sitzt im Herzen / Doch da guckt man nicht rein / Man guckt nur auf's Haus / Und auf den bis zur Verzerrung verzierten Schein... / Quelle: Sportfreunde Stiller


In einem neuen Song heißt es wortwörtlich: Retten wird uns der Punk. Was hat es mit diesem Hinweis auf sich? Eigentlich geht es im Lied um eine Bank...

Punk ist die Musik, die vor allem Florian und mich geprägt hat, die Sex Pistols, die Ramones und viele andere Bands. Die Textzeile: Retten wird uns der Punk, ist ja irgendwie ein Widerspruch, denn Punk ist nicht da, um irgendjemanden zu retten, Punk ist da, um auf jemanden zu scheißen. Am Song liebe ich die Energie, den Beat und dieses Kompliment an die Bank. In Bayern sagt man Du bist eine Bank auch zu einem Menschen, auf den man sich richtig gut verlassen kann. Und dann steht auf Bänken ja auch Nazis Fuck off. Und das ist wichtig, dass man das heutzutage sagt. Sehr sehr wichtig. 

Das Konzert in Meran ist ausverkauft…

Das ist ja wirklich ein sehr schöner Veranstaltungsort hier. Ich weiß gar nicht wo die Leute stehen sollen?

Zwischen Publikum und Bühne ist der Gartenteich. Ein Stage diving ins Wasser ist denkbar?

Da würden mich vielleicht die Karpfen fressen oder ich würde sogar einen erschlagen. Mir tut es ja schon richtig Leid, die Kiemen der Fische so richtig zum Wackeln zu bringen.
 

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Bildquelle: Sportfreunde Stiller