“Wir sollten alle von Südtirol lernen”
Als “Extrembergsteiger” saß er am 11. Oktober bei Markus Lanz, als “Autor und ehemaliger Europapolitiker” kündigt Maybrit Illner den Zuschauern am Donnerstag (2. November) Abend Reinhold Messner an. Um zwei große Themen geht es im ZDF-Polittalk mit Moderatorin Illner am Allerseelenabend: das bröckelnde Europa – Brexit, Autonomiebestrebungen in Katalonien, Schottland und Norditalien, Rückkehr der Nationalismen in Ungarn und Polen, während Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron große Reformpläne für die Europäische Union schmiedet – und die Rolle Deutschlands unter einer neuen möglichen Jamaika-Koalition. Die aber lässt auf sich warten. Zusammengefasst hat Illner den beträchtlichen tagespolitischen Themenkomplex unter dem Titel “Europa läuft die Zeit davon – Warten auf Berlin”. Und nicht nur in den Sozialen Medien fragt sich so mancher verwundert: Was macht Reinhold Messner in der Runde?
Allzu viel Platz lässt ihm Maybrit Illner aber nicht. Er würde gern mehr erzählen, hat man den Eindruck. Doch Illner ist nicht Lanz. Sie will, dass ihre Gäste miteinander diskutieren, am besten so kontrovers wie möglich. So ganz gelingt das nicht, sitzen mit Ursula von der Leyen (CDU), Cem Özdemir (Grüne), Christian Lindner (FDP) und dem Historiker Heinrich August Winkler allesamt Pro-Europäer am Tisch. Und alle kennen Südtirol. Özdemir war zuletzt im heurigen Sommer bei Messner auf Schloss Sigmundskron.
“Wir haben das Glück, Europäer zu sein.”
(Reinhold Messner)
Zu Beginn geht es um Katalonien und weil Reinhold Messner am Tisch sitzt auch um Südtirol. “In den Südtiroler Medien gibt es große Berichterstattung über Katalonien”, stellt Moderatorin Illner in den Raum. Wollen es die Südtiroler den Katalanen nachmachen, sich von Italien abspalten? Nein, weder das Veneto noch die Lombardei noch seine Heimat wollten das, betont Messner. In Südtirol hätten allerdings “einige kleine Gruppierungen ein politisches Interesse daran, Unfrieden zu stiften und das Land in Unordnung zu bringen. Ich warne davor!”. Er meint damit auch die österreichischen Rechtspopulisten der FPÖ – und startet einen Hochgeschwindigkeits-Exkurs durch die jüngere Südtiroler Geschichte. “Von 1957 bis heute” habe die Arbeit für die “provinzielle Autonomie” gedauert und nur geklappt “dank genialer Politiker”, die zwar nicht seiner politischen Heimat angehörten, aber Großes geleistet hätten, so Messner. Namentlich nennt er Silvius Magnago und Luis Durnwalder.
Ja, Südtirol sei ein Beispiel, “dass regionales Autonomiestreben friedlich in eine konstruktive Bahn” gelenkt werden könne, sagt Historiker Winkler. Das sei nicht selbstverständlich. “Autonomiebestrebungen verlaufen nicht von Natur aus friedlich”. Das sei Wunschdenken und man solle nichts schönreden: Regionale Bewegungen könnten manchmal auch “brutal egoistisch sein”, das habe man auch in Südtirol gesehen, so Winkler. Als ihr die Debatte zu Südtirol-lastig wird, unterbricht Illner etwas ungeduldig: “Wir haben verstanden, wir sollten alle von Südtirol lernen.”
Südtirol als Modell für Europa? Absolut, meint Reinhold Messner. Seine Vision: ein Europa der Regionen. “Die Nationalstaaten werden irgendwann verschwinden”, prophezeit er. Aber nicht so schnell: “Die Regionalisierung kommt zu früh, wir brauchen die Nationalstaaten, um zum gemeinsamen Ganzen zu kommen”, sprich zu Europa, einer europäischen Identität – die nicht im Gegensatz zu einer regionalen Identität stehe, werfen die anderen Gäste ein. Er selbst hat bereits jetzt das Gefühl, “Südtiroler und Europäer zu sein”, sagt Messner. Aber in vielen Bürgern müsse das europäische Bewusstsein erst wachsen: “Europa hat viel Vertrauen zerstört. Wie es das wieder zurückgewinnen kann, ist die große Frage.” Eine Antwort könnte eine Änderung des EU-Wahlrechts sein, mit europäischen Kandidaten, schlägt Messner vor. Zustimmendes Nicken beim Grünen Özdemir.
Nach 60 Minuten ist die Sendung vorbei. Das Fazit: Europa steht vor großen Herausforderungen, sieht sich von innen und außen bedroht. Aber es gibt Lichtblicke. Doch um Europa auf Vordermann zu bringen, braucht es die neue deutsche Regierung. Und auch Reinhold Messner? Zumindest im Netz ist man sich darüber uneins, wie einige zynische Kommentare während und nach der Sendung zeigen.
Die Rettung naht. Reinhold Messner äußert sich heute zu den großen politischen Themen Europa und Berlin bei #Illner.
— Korallenherz (@Korallenherz) 2. November 2017