Neues Wirtschaften in der Hotellerie
Herr Fauster, woher kommt dieses Denken im Sinn der Gemeinwohlökonomie bei Ihnen?
Stefan Fauster: Seit ich denken kann, lebe ich nach diesem Schema der Gemeinwohlökonomie, nur dass es damals noch nicht so geheißen hat. Ich komme von einem kleinem Bauernhof in Signat am Ritten und bin so erzogen worden, dass man Ressourcen sparsam einsetzt, dass man das Ei mit dem Daumen ausputzt zum Beispiel. So führen wir auch unser Hotel, wir schauen als Unternehmer, schonend und respektvoll mit den Ressourcen umzugehen.
Wo lässt sich denn in einem Hotel sparen, bzw. welches sind die Bereiche die dafür am geeignetsten sind?
Das ist sicherlich die Küche, also die Lebensmittel, bei uns sowieso ein sehr wichtiges Thema, ja und die Energie. Meine Mutter hat bei uns daheim früher ein Kreuzzeichen über dem Brot gemacht beim Anschneiden, das ist ein Ausdruck des Respekts, den ich teile. Wir kaufen sparsamer ein als andere Hotelbetriebe der gleichen Kategorie, haben die besseren Wareneinsatzzahlen, und wir verbrauchen weniger, das heißt wir wirtschaften nachhaltig. Wenn wir beispielsweise einen Kessel mit Tomatensoße in die Spüle stellen, dann ist er garantiert leer und nicht noch ein Rest drinnen.
Ist denn das nicht selbstverständlich?
In einer gewissen Kategorie der Hotellerie wird schon gerne großzügig mit Ressourcen umgegangen. Meine Tocher, die die Hotelfachschule macht, bestätigt mir das auch immer wieder. So ist man gewohnt, beim Brot, beim Kuchen, beim Braten, die Anschnitte nicht zu servieren. Also die sogenannten Scherzerln. Aber warum das? Ich bin der Meinung, dass wir in einer Zeit leben, wo wir uns das ganz einfach nicht mehr leisten können.
Wie gehen also Sie mit den Ressourcen, sprich Lebensmitteln um?
Nun, zuerst einmal versuchen, wir möglichst ökologisch oder biologisch einzukaufen, oder eben regional. Noch vor einigen Jahren haben wir unsere Hühner aus Frankreich bezogen, wegen der artgerechten Haltung im Freien. Dann hab ich etwas recherchiert und den Moleshof im Vinschgau gefunden. Von dort kriegen wir unsere Bio-Hähnchen geliefert, und so gibt es bei uns nur alle 2 – 3 Wochen Huhn und nicht jeden Tag den Salat mit Hühnerbrust.
Auch haben wir keine Erdbeeren im Winter, die Ananas und die Banane kommt vom Fairtrade. Wir schauen natürlich auf die CO2-Bilanzen, wenn diese Ware mit dem Schiff geliefert kommt, dann kann man das vertreten.
Wir haben keine Freude am Schnäppchenmachen, mich freut es hingegen, wenn jedes Teil in unserem Hotel Qualität aufweist und unsere Produkte eine Geschichte erzählen, zum Beispiel, dass wir für unsere selbergemachten Nudel das Südtiroler Regiokorn verwenden, dass wir unsere Marmeladen, an die 800 Kilo pro Jahr, selbst einkochen, das Schwein kommt von einem Biohof in Terlan. Die Würste und den Speck machen wir ebenfalls selber. Dabei kochen wir nicht jeden Tag Fleisch, es wird auch vegetarisch gekocht.
Sie sagen, dass Sie „immer schon“ so gedacht haben, wie sieht es mit der übrigen Familie und den Mitarbeitern aus?
Meine Frau Ruth hat eine eigene Art der Sensiblisierung hinter sich, sie hat die Gluten-Unverträglichkeit, die Zöliakie und hat bereits vor 15 Jahren begonnen, glutenfrei zu kochen. Heute haben wir eine eigene separate Küche für glutenfreie Produkte, vom Brot über die Nudeln bis hin zur Marmelade können wir unseren von Zöliakie betroffenen Gästen diese Produkte servieren. Auch meinem Schwiegervater, Toni Innerhofer gefällt es mittlerweile wie wir wirtschaften, er ist ja noch im Betrieb involviert, er beobachtet das.
Was bringt Ihnen die Gemeinwohlbilanz, die Sie als eines von vier Südtiroler Hotels jetzt erstmals erstellt haben, wenn Sie ja doch von vornherein nachhaltig und ökologisch wirtschaften?
Nun, erstens doch noch mehr Sensibilisierung und zweitens ist es ein viel dynamischeres Instrument als etwa ein Ökolabel. Dieses kann ich mir relativ einfach erwerben, ich muss einige Kriterien einhalten und jedes Jahr meine Quote überweisen. Die Gemeinwohlbilanz erzieht auch mich und uns in eine Richtung, wie sie mir gefällt. Das verlangt nicht nur von mir Überzeugung, sondern es sind auch meine Mitarbeiter, die Gäste und die Lieferanten eingebunden. Ich mache beispielsweise einmal pro Woche eine kleine Einführung zum Thema Gemeinwohl unter den Hotelgästen. Da werde ich in Zukunft auch von unserer Gemeinwohlbilanz sprechen können, die wir bald offenlegen werden. „Tue Gutes und rede darüber“, das ist mein Motto und durch das Brixner Terra Institute habe ich hier auch ein Sprachrohr für unsere Philosophie gefunden. Wir wirtschaften so, weil wir davon überzeugt sind, aber schön ist es doch, wenn das auch Anklang findet und als Modell bekannt wird.
Werben Sie mit dem Gemeinwohlmodell?
Nein, das nicht, obwohl wir das sicherlich machen werden. Unser Motto lautet „Die Natur als Vorbild“, damit werben wir und mit unseren Aktivitäten und den Produkten. Ich halte wenig davon, die Nachhaltigkeit zu „vermarkten“, natürlich darf man das anpreisen, doch ist es jetzt wohl ein bisschen in Mode gekommen, nachhaltig zu sein. Ein Schlagwort.
Sie haben ein sehr schönes Hallenbad im Dachgeschoß, ist das auch nachhaltig?
Das haben wir so gebaut, dass es kaum eine Wärmeabstrahlung gibt mit einer 35-cm dicken Schicht Isolation, das Wasser muss nicht in den 4. Stock hinaufgepumpt werden, sondern wird von einer Technikanlage von oben aus bedient und die Erwärmung auf 30 Grad geschieht mit minimalem Aufwand, wir heizen mit Biomasse und beziehen den Strom vom Genossenschaftskraftwerk hier in Sand in Taufers. Nachhaltiges kann auch ästhetisch und attraktiv sein.
Was sagen Sie einem Hotelier, der mit Masse arbeitet, also beispielsweise auf Bustourismus setzt? Kann der auch gemeinwohlorientiert arbeiten?
Die Masse macht es sicher schwieriger, aber das ist ja gerade das Problem. Das Preisdumpen gehört noch zur alten Wirtschaft, auch dass man sich gegenseitig überbietet und die Preise ruiniert. Unser Betrieb hatte auch einmal 3 Sterne und auch da haben wir schon so gearbeitet. Es ist oft auch eine reine Entscheidungssache.
Kein Hotel muss heutzutage nur auf teuer oder billig setzen und beispielsweise in der Küche nur die Filets verwenden; jeder Koch kann dir heute ein Superfilet zubereiten, aber eine geschmorte Schulter, oder ein Kalbsragout, das ist die Kunst. Auch vom Schwein verwenden wir so gut wie alles, das Schwanzl kochen wir im Kraut mit, bei uns bleiben vom Schwein nur die Augen übrig. Für mich ist die Gemeinwohlbilanz das richtige Instrument, es hat wohl auch viel mit meiner Erziehung zu tun, dass das so zusammenpasst, es geht auch um den Glauben an etwas.