Der erste seit 1918?
Giorgio Marco Giacomozzi, seit 15 Jahren Bürgermeister in der Gemeinde am südlichsten Zipfel des Landes, darf wegen der Mandatsbeschränkung nicht mehr antreten. Der Kampf um seine Nachfolge wird vermutlich auf ein Duell zwischen Ivan Cortella von Giacomozzis Bürgerliste und dem SVP-Kandidaten Roland Lazzeri hinauslaufen. In Salurn, dessen Bevölkerung zu zwei Drittel aus italienischsprachigen BürgerInnen besteht, wäre das Rennen unter normalen Umständen gelaufen. Aber da sich die italienischen Stimmen diesmal auf vier Kandidaten verteilen dürften, könnten die deutschen Stimmen ausreichen, um erstmals seit 1918 einen deutschsprachigen Kandidaten zum ersten Bürger Salurns zu machen.
Noch ist der Ausgang der Wahl aber völlig offen. Cortella geht zwar als Favorit ins Rennen und wird vom Alto Adige schon seit Monaten zum neuen Bürgermeister geschrieben, aber so klar ist die Sache dann nicht. Noch-Bürgermeister Giacomozzi, der 2011 wegen Amtsmissbrauchs einen Vergleich über vier Monate Haft auf Bewährung schloss und vom Koalitionspartner SVP weiter unterstützt wurde, kehrte vor wenigen Wochen seiner eigenen Bürgerliste „Impegno per Salorno – Vorschlag für Salurn“ den Rücken und schloss sich dem PD an. Der Salurner PD-Ableger erfuhr vom Neumitglied aus den Medien – und war nicht gerade erfreut darüber.
Auch hinter Lazzeri stehen viele Fragezeichen. Die einen, auch SVP-ler, wollen Lazzeri nicht wählen, weil er aus der kleinen Fraktion Gfrill kommt, auf 1300 Metern Meereshöhe. Auch von den Freiheitlichen, die nicht mehr antreten, kommt keine Wahlempfehlung. Andere, auch Italiener, wollen eine andere Partei oder weiß wählen, aber mit Lazzeri einen Bürgermeister Cortella verhindern.
Etwas andere Wahlkampfveranstaltung
Salurn war niemals abgeschieden: Durch die Lage an der wichtigen Route von Italien über den Brennerpass nach Deutschland hatten die Salurner schon früh Kontakt zur „Außenwelt“. Aufgrund der Nähe zum Trentino gab es in Salurn schon früh einen bedeutenden Anteil Italienischsprachiger. Salurn war schon lange vor dem ersten Weltkrieg zweisprachig. Trotzdem ist die Sprache immer noch Thema. Man kann beide Sprachen noch so gut sprechen und sich mit seinem Nachbarn noch so gut verstehen – am Ende, spätestens in der Wahlkabine, zählt auch die „ethnische“ Komponente. Die besondere Situation Salurns an der Sprach- und Provinzgrenze kam vergangene Woche auch in einer etwas anderen Wahlkampfveranstaltung der SVP zum Ausdruck: Eine zweisprachige Diskussion über „Salurn und dessen Potenziale für eine nachhaltige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung als Gemeinde an der Provinzgrenze“. Auf dem Podium diskutierten unter anderem Bozens Bürgermeister Luigi Spagnolli, der ehemalige Profiradrennfahrer und Weltrekordhalter Francesco Moser aus dem Trentino und Senator Hans Berger.
Wie ambitioniert aber der Plan war, eine zweisprachige Diskussion zu wagen, merkte man schon bald: Während am Anfang auf Deutsch und Italienisch diskutiert wurde und die deutschen Beiträge im Gegensatz zu den italienischen kurz in der anderen Sprache zusammengefasst wurden, wurde daraus im Verlauf des Abends ein fast einsprachig italienisches Palaver. Mit der passiven Zweisprachigkeit ist es eben auch im Ort an der Sprachgrenze nicht weit her. Und so kam es, dass selbst ein Hans Berger bald ausschließlich auf Italienisch sprach: „So muss ich es nur einmal sagen“. Und das auf einer SVP-Veranstaltung! Spagnolli sagt zu Anfang noch, Salurn profitiere von seiner Lage zwischen Trient und Bozen, nicht zweisprachig, aber zumindest „mezz per sort“. „Egal, wie man spricht, wichtig ist, dass man sich versteht. Die Sprache und das Denken“, sagte Spagnolli. Der Verlauf der Diskussion widerlegte ihn.
Alles ist möglich
Salurn ist ein Dorf mit großem Potential, das in der Vergangenheit aber viele Chancen verschlafen hat. Ob der Bürgermeister deutsch oder italienisch spricht, entscheidet nicht darüber, ob Salurn seine Möglichkeiten in Zukunft wird nützen können. Ein Wechsel könnte aber viele eingeschliffenen Routinen aufbrechen, wer weiß, was daraus entsteht.
Offiziell ist ein deutscher Bürgermeister für die SVP kein Thema, damit wird kein Wahlkampf gemacht. Dass am Wochenende auch Landeshauptmann Arno Kompatscher einen Abstecher nach Salurn machte, zeigt aber, dass die Wahl auch in der Bozner Zentrale aufmerksam verfolgt wird. Letztmals standen die Chancen der SVP 1995 so gut. Ein einiges deutsches Lager und ein zerstrittenes italienisches ließen die Volkspartei damals hoffen, am Ende fiel der eigene Kandidat aber krachend durch. Auch diesmal ist alles möglich: Von einer großen Enttäuschung bis zu einer kleinen Revolution.