Über das Verbrennen von Büchern
Es wird eine literarische Lesung werden, in italienischer und in deutscher Sprache, mit Musik und Texten von AutorInnen, die unter dem Nazi-Regime als „entartet” galten und verfemt und verboten waren, und der Bücher mitunter verbrannt worden waren: Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Bertha von Suttner, Erich Kästner, Irmgard Keun und Erich Maria Remarque.
Angelika Pedron und Gabriele Muscolino sind mit diesem Programm morgen im Karl Anrather Haus in Margreid zu sehen (der Flyer mit den zusätzlichen Infos findet sich am Textende). Im Folgenden ein kurzes Interview mit der aus Margreid stammende Bibliothekarin und Sängerin Angelika Pedron.
Durch das Verbrennen eines aus welchem Grund auch immer verpönten Buches will man dessen Inhalt und Existenz vollständig auslöschen, weil es als „gefährlich“ erachtet wird.
salto.music: Angelika, eine Frage die sich nicht nur an die Bibliothekarin richtet: Was ist der Wert eines Buches, im Sinne, was soll mit der Verbrennung eines Buches vernichtet werden?
Angelika Pedron: Der Wert eines Buches liegt vor allem in seinem Inhalt, er ist immateriell. Gute Bücher sind zeitlos. Durch das Verbrennen eines aus welchem Grund auch immer verpönten Buches will man dessen Inhalt und Existenz vollständig auslöschen, weil es als „gefährlich“ erachtet wird. Dadurch kann man es aber nur physisch vernichten, nicht geistig. Denn Geisteswerke sind feuerfest, wie es Heinrich Mann, der selbst auf den „Schwarzen Listen“ der Nationalsozialisten stand, treffend auf den Punkt gebracht hat. Erich Kästner, ebenfalls auf besagter Liste, meinte, Bücher kann man nicht verbrennen, denn Bücher sterben nur eines natürlichen Todes, und zwar erst dann, wenn ihre Zeit erfüllt ist.
salto.music: Wenn im Laufe der Geschichte auch immer wieder Bücher verbrannt wurden, so haben sich uns die Bilder von der Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933, ganz besonders eingeprägt. Ist es dieser Tag, den ihr mit eurer Lesung, eurem Liederabend in Margreid in Erinnerung rufen wollt?
Angelika Pedron: Ganz genau. Die Nationalsozialisten waren damals ernsthaft der Meinung, mit ihren groß inszenierten, öffentlichen Bücherverbrennungen unliebsame Bücher – darunter waren z.B. Bücher von jüdischen, marxistischen aber auch pazifistischen AutorInnen – ausmerzen zu können. Was ihnen jedoch nicht gelungen ist, denn die Texte haben das Feuer überlebt, werden heute noch gelesen und gelten zum Teil als Klassiker. Einige dieser Texte werden Gabriele und ich bei der literarischen Lesung mit Musik in Margreid vorlesen.
Es sind traurige Zeiten, wenn man als PazifistIn praktisch in „innerer Emigration“ leben muss, weil man nicht in das allgemeine Kriegsgeheul von Medien und Social Media mit einstimmt.
salto.music: Vor wenigen Tagen – am 3. Mai – war der „World Press Freedom Day”, der Internationale Tag der Pressefreiheit und man konnte dabei erfahren, das diese bei weitem nicht gesichert ist, auch nicht in Europa. Lässt sich hier eine Verbindung zum Verbrennen von Büchern herstellen? Ist die Unterdrückung der freien Presse vielleicht sogar eine Art Vorstufe davon?
Angelika Pedron: Das habe ich mir in den letzten Tagen auch oft gedacht. Ich fand es z.B. bezeichnend und zynisch, dass genau am Welttag der Pressefreiheit das YouTube-Video der pazifistischen Sendung „pace proibita“ gesperrt wurde. Aus fadenscheinigen Gründen. Über Frieden zu sprechen ist in Kriegszeiten anscheinend wirklich verboten, es scheint gefährlich zu sein, wird scharf verurteilt. So viel zum Thema Meinungsfreiheit und Demokratie. Es sind traurige Zeiten, wenn man als PazifistIn praktisch in „innerer Emigration“ leben muss, weil man nicht in das allgemeine Kriegsgeheul von Medien und Social Media mit einstimmt. Erst jetzt begreife ich wirklich, warum damals auch Bücher von PazifistInnen wie Bertha von Suttner, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky und Erich Kästner auf den „Schwarzen Listen“ der Nationalsozialisten standen. Und das, was in den (sozialen) Medien zur Zeit stattfindet, ist nicht recht viel anders als eine Art virtuelle bzw. mediale Hexen- oder Bücherverbrennung, wenn man so will. Zensur – auch traurigerweise die der Kultur – und Unterdrückung der Pressefreiheit sind tatsächlich eine Vorstufe dazu. Das sollte uns in einer Demokratie eigentlich zu denken geben.
salto.music: Euer Programm wird aus Texten und Liedern von Tucholsky, Brecht, Remarque, von Suttner und anderen bestehen. Erzähle ein wenig über die Zusammenstellung, das eventuelle Konzept das vielleicht dahinter steht…
Angelika Pedron: Unsere zweisprachige literarische Lesung mit Musik zum Tag der Bücherverbrennung mit dem Titel „feuerfest – verbrannte Bücher & verbotene Lieder/A prova di fuoco – libri bruciati e canzoni proibite“ war eigentlich eine Idee der Öffentlichen Bibliothek Margreid. Sie hätte schon im Mai 2020 stattfinden sollen, aber leider kam uns der erste Lockdown dazwischen und auch 2021 war es nicht möglich. Umso mehr freut es uns, dass es 2022 endlich klappt!
Darunter sind u.a. regimekritische, satirische, pazifistische und von den Nazis als „volksfremd“ oder „volkszersetzend“ eingestufte Texte, umrahmt von jiddischen und anderen seinerzeit verbotenen, „entarteten“ Liedern. Auch Lieder kann man nicht verbrennen.
Wir werden Gedichte und Auszüge aus literarischen Texten von Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Irmgard Keun, Erich Maria Remarque und Bertha von Suttner lesen. Darunter sind u.a. regimekritische, satirische, pazifistische und von den Nazis als „volksfremd“ oder „volkszersetzend“ eingestufte Texte, umrahmt von jiddischen und anderen seinerzeit verbotenen, „entarteten“ Liedern. Auch Lieder kann man nicht verbrennen.
Links:
Bibliothek Margreid: https://biblio.bz.it/margreid
Gabriele Muscolino: https://www.gabrielemuscolino.it/