Journalismus
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Das Berufsverbot

Ich soll aus der Kammer der Journalisten suspendiert werden. Laut Gesetz darf ich dann in Italien nicht mehr als Journalist arbeiten. Der Grund: Ein Kapitalverbrechen.
Die Nachricht stammt von einer Person, die es gut mit mir meint.
Demnach habe sich der Kammerrat der Südtiroler Journalistenkammer auf seiner jüngsten Sitzung auch mit meiner Wenigkeit befasst. Dabei wurde in aller Form eine Suspendierung meiner Person aus dem Berufsalbum der Journalisten angesprochen. Wahrscheinlich bekomme ich in den nächsten Tagen oder Wochen eine schriftliche Mitteilung in diesem Sinne.
Es ist ein durchaus eklatanter Schritt. Der „Ordine dei giornalisti“ regelt in Italien den Journalistenberuf. Gegründet und entstanden 1925 unter dem Faschismus (1963 erfolgte aus politisch-ästhetischen Gründen eine Art Neugründung) gibt es außer in Italien heute nur noch in Chile eine Berufskammer für Journalisten. Überall auf der Welt ist jemand ein Journalist oder eine Journalistin, wenn er oder sie für Zeitungen schreibt oder für Medien arbeitet. In Italien hingegen sieht das Pressegesetz vor, dass man Mitglied dieser Berufskammer sein und dazu eine Art Staatsprüfung ablegen muss, die es einem dann erlaubt, den Beruf auszuüben.
Wie sehr sich die nationalen aber auch die lokalen Journalistinnen und Journalisten an diesen korporativen Geist klammern, kam erst vor kurzem wieder am unsäglichen Vorschlag zu Tage, eine eigene Südtiroler Sektion der Journalistenkammer zu gründen. Denn auf lokaler Ebene ist der Ordine regional organisiert.  Dieses mediale „Los von Trient“ macht deutlich welches Kirchturmdenken bei vielen herrscht, die sich stolz als „Meinungsmacher“ bezeichnen.
Ich halte die Journalistenkammer für anachronistisch, EU-rechtswidrig und für völlig überflüssig.
Ich halte die Journalistenkammer für anachronistisch, EU rechtswidrig und für völlig überflüssig. Deshalb habe ich vor einigen Jahrzehnten aus voller Überzeugung beim Referendum der Radikalen Partei auch für deren Abschaffung gestimmt. Leider wurde damals das Quorum nicht erreicht.
Deutlich bestärkt haben mich in dieser Auffassung einige Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahrzehnten mit „meiner Kammer“ machen durfte. Und noch mehr die aktuelle Farce.
Ich habe Ihnen bisher den Grund meiner drohenden Suspendierung vorenthalten. Denn ich habe mich eines wirklich hinterlistigen Kapitalverbrechens schuldig gemacht, das auf jeden Fall ein Berufsverbot mit sich ziehen muss.
Ich habe es unterlassen der Journalistenkammer meine PEC-Adresse mitzuteilen.
 
 
Ja, Sie lesen richtig. Es gibt anscheinend ein Staatsgesetz, das besagt, dass Journalistinnen und Journalisten eine PEC-Adresse haben müssen. Wer diese Adresse der Kammer nicht mitteilt, wird ausgeschlossen.
Angeblich hat mir die lokale Kammer diese meine unverzeihliche Nachlässigkeit bereits mehrmals mitgeteilt, man konnte mich aber nie erreichen.
Auch das ist sehr interessant. Ich bekomme jeden Tag durchschnittlich 200 Emails. Dazu steht meine Adresse im Impressum dieses Onlineportals. Merkwürdigerweise erreicht mich seit fast drei Jahrzehnten auf dem Postweg auch immer die Aufforderung zur Bezahlung der jährlichen Kammergebühren (130 Euro) pünktlich und zielsicher. Auch die diversen Mitteilungen zu den anstehenden Kammerwahlen kommen an.
 
 
Ich habe mich eines wirklich hinterlistigen Kapitalverbrechens schuldig gemacht, das auf jeden Fall ein Berufsverbot mit sich ziehen muss. Ich habe es unterlassen der Journalistenkammer meine PEC-Adresse mitzuteilen.
 
Dabei kann ich Ihnen einen schlagenden Beweis liefern, wie effizient die Journalistenkammer als Standesvertretung normalerweise ist. Südtiroler Journalistinnen und Journalisten können laut Gesetz die staatliche Journalistenprüfung auf Deutsch ablegen. Dazu muss der Prüfungskommission in Rom ein deutschsprachiges Mitglied angehören.
Weil sich vor einigen Jahren kurzeitig kein deutschsprachiger Prüfer oder keine Prüferin fand, wurde ich gefragt, ob ich für eine Prüfungssession diese Aufgabe übernehmen würde. Pflichtbewusst – wie ich bin – sprang ich kurzerhand ein. Mir wurde beschieden, dass die Journalistenkammer natürlich die Fahrt- und Übernachtungskosten in Rom übernehmen würde und dass mir – wie allen anderen Mitgliedern der Prüfungskommissionen - eine Entschädigung zustehe.
So fuhr ich im Jänner vor sieben Jahren für zwei Tage nach Rom, schaute mir die schriftlichen Arbeiten von sieben jungen Kolleginnen und Kollegen an und war bei der mündlichen Prüfung als eine Art Dolmetscher und Prüfungskommissar dabei. Es war eine mehr als nur interessante Erfahrung. Alle Südtiroler Kandidatinnen und Kandidaten haben damals die Prüfung bestanden und arbeiten heute in Südtirol im Journalistenberuf.
Trotz Abgabe der Belege habe ich bis heute aber von der großartigen Journalistenkammer keinen Cent aus Rom gesehen. Niemand fühlte sich bisher bemüßigt auch nur einmal nachzufragen. Dabei geht es mir nicht ums Geld, sondern um einen Funken von Respekt. Der nicht geben scheint.
Nach dieser Erfahrung ist die PEC-Adresse jetzt natürlich ein Hit. Es darf in diesem Land also nur jener schreiben, der eine PEC-Adresse hat und mitteilt. Pressefreiheit im Jahr 2021!
Jetzt warte ich bis ich den schriftlichen Verweis des Kammervorstandes erhalte bzw. die Aufforderung die PEC-Adresse mitzuteilen. Dann werde ich überlegen, was ich tue.
Mir würde es gefallen, diese absurde Geschichte auszureizen und mich aus dem Berufsalbum der Journalisten suspendieren zu lassen.
Vielleicht mache ich dann einfach wieder jenen Job, den ich ihn meiner Schulzeit gelernt habe: Kellner.
Dort gibt es die Zimmerstunde und keine Kammer.